Amadeus Wiesensee mit adventlicher Musik
Martin Maria Krüger (l.) führte durch den Konzertabend von Amadeus Wiesensee in Warngau. Foto: Privat
Alle Jahre wieder ist es tief berührend für seine Fangemeinde, wenn sich der inzwischen international renommierte Pianist Amadeus Wiesensee in der Vorweihnachtszeit in heimatliche Gefilde begibt. Dann verzaubert er sein Publikum mit hochkarätiger, expressiver Klaviermusik im seit Wochen ausverkauften Altwirtsaal in Warngau.
Wiedersehen mit Wiesensee
Wie immer führte auch an diesem Abend Prof. Martin Maria Krüger, Präsident des Deutschen Musikrates, als langjähriger Beobachter und Begleiter des Künstlers informativ und kenntnisreich durch das Programm. Er begrüßte zunächst Jakob Weiland, Kulturbeauftragter der Gemeinde und Initiator der 2009 ins Leben gerufenen Konzertreihe „Klassik im Advent“, die dieses einzigartige Musikerlebnis möglich macht. Gleichzeitig ging sein Gruß an Leonhard Obermüller, den zweiten Bürgermeister der Gemeinde Warngau und an Pfarrer Gottfried Doll.
Amadeus Wiesensee (Mitte) mit Martin Maria Krüger (l.) und Warngaus Kulturbeauftragten Jakob Weiland. Foto: Privat
Hier und heute verbindet sich das virtuose, mit allen nur erdenklichen Höchstschwierigkeiten gespickte Klavierspiel von Amadeus Wiesensee mit der Lebenseinstellung des studierten Philosophen. Diese Verbindung gestaltet er in einer eindrucksvollen Dramaturgie, die den Abend wie ein roter Faden durchzieht und auf den Höhepunkt zustrebt. Das ist kein gewöhnlicher Klassikabend, sondern eine wohlgesetzte Inszenierung mit Tiefgang und ganz besonderem Anspruch.
Der Beginn mit Haydn und Ravel
Wie Martin Maria Krüger betonte, brachte der Pianist Miniaturen besonderer Werke der ausgewählten Komponisten zu Gehör. Es handelte sich durchweg um Stücke, die den Abschluss einer geschichtlichen oder persönlichen Entwicklung der Komponisten beinhalten.
Joseph Haydns Variationen f-Moll, Hob.XVII:6 etwa ist ein außergewöhnliches Werk, bei dem Haydn zwei vollkommen verschiedene Themen in Einem in Zusammenhang bringt.
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Amadeus Wiesensee beginnt das Stück sanft perlend, gefühlvoll mit präzisem Anschlag. Er lässt es gleichmäßig dahingleiten. Dabei wirkt der 30-Jährige beseelt und hört höchst konzentriert auf sein Spiel. Mystische, dunkle Töne treten in Dialog mit schnellen, heftig gestalteten Passagen. Triller wechseln sich ab mit langsamen pointierten Passagen und intensiv gesetzten Pausen. Kurz darauf wirbeln die Finger wieder über die Tasten.
Der renommierte Pianist am Flügel. Foto: Jakob Weiland
Schon beim ersten Stück nimmt die Zuhörerschaft mit Erstaunen wahr, dass der Solopianist auswendig spielt. Und das wird den ganzen Abend über so bleiben. Keine Noten, dafür höchste Konzentration auf das Spiel.
Bei den Valses nobles et sentimentales von Maurice Ravel erklärte Martin Maria Krüger bei seinen einführenden Worten die große Bedeutung in der Vollendung des Stücks mit einem Epilog nach den sieben Walzern. Der Komponist hat hier historische Formen aufgegriffen und neu zusammengesetzt.
Dramatisch, stürmisch gestaltet Amadeus Wiesensee die Walzer zu Beginn. Rhythmisch tänzeln sie weiter. Unvermittelt gehen sie über in langsame, sanft schwingende Melodien. Von vollmundig bis zaghaft nachhallend wirkt jetzt die Walzermusik, bis der Künstler sie expressiv mit vollem Körpereinsatz klanglich darstellt.
Intermezzi und Teuflisches
Mit Johannes Brahms‘ Drei Intermezzi op.117 beginnt der zweite Teil des Abends. Entstanden sind sie 1892 im Urlaub in Bad Ischl. Intermezzi, also Zwischenspiele, nennt der Komponist diese Miniaturen für Klavier. „Ernst und schwermütig“ sind sie, regen an zum „Vordenken und Nachdenken“, wie Martin Maria Krüger erzählt. Und genauso entfaltet sich die Wirkung dieser drei Stücke: getragen, melancholisch, dunkel und tiefgründig berühren sie die Zuhörenden im Saal. Still, ergriffen, fast atemlos lauschen sie den mächtigen Klaviertönen.
Nach den Prosa-Gedichten „Gaspard de la Nuit“ des Franzosen Aloysius Bertrand schuf Maurice Ravel seine drei romantischen Stücke, die Krüger als „technisch fast unspielbar“ beschreibt. Dunkle Kontraste, teuflisch gestaltet, so spielt die französische Sprache lautmalerisch mit dem Plätschern des Wassers bei Undine und lässt den Galgen im 2. Satz voller Schwermut mit düsteren Akkorden und Glockentönen erstehen.
Das leidenschaftliche Spiel von Amadeus Wiesensee ist atemberaubend. Foto: Monika Heppt
Der „wilde Zwerg“ im 3. Satz beschwört bizarre Bilder und ebensolche Töne herauf. Atemberaubende Klangfolgen, expressive Schauertöne, ein heftiges Auf und Ab, skurril und aufwühlend. Da ahnt man, was es bedeuten muss, dem Publikum „technisch fast Unspielbares“ auf höchstem Niveau auswendig darzubieten. Gibt es hier eine Erlösung vom Teufel? Kann es eine Auflösung dieses Gefühlswirrwarrs geben? Dunkel gräbt sich die Schwere aus der Tiefe und verströmt schließlich lichte, rasend schnelle, irrationale Elemente eines Höllenritts.
Aufatmen, durchatmen, heftiger Applaus, Bravorufe und Standing Ovations des Publikums für den herausragenden Pianisten Amadeus Wiesensee und ein einzigartiges Adventskonzert, das Maßstäbe setzt.