Engagiert Euch für bezahlbaren Wohnraum
Fünf alternative Wohnkonzepte wurden von Michael Pelzer (Mitte) moderiert, vorgestellt. Foto: Petra Kurbjuhn
Podiumsdiskussion in Holzkirchen
Die Podiumsdiskussion „Anders wohnen“ traf ins Schwarze. Viele Interessierte waren in das Foolstheater gekommen, um sich über alternative Wohnkonzepte zu informieren. Fazit: Wieder einmal brachte eine „Anders wachsen“-Veranstaltung einen Stein ins Rollen.
Jeder hat Anspruch auf angemessene Wohnung
Die Bedeutung des Themas formulierte Moderator Michael Pelzer so: „Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis, ein Fundament des Lebens.“ Und er zitierte, was zu überraschtem Raunen im Saal führte, die Bayerische Verfassung:
„Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden. Die Wohnung ist für jedermann eine Freistätte und unverletzlich.“
Marille Röhrmoser, Initiatorin der „Oase“ in Thalham mit Michael Pelzer. Foto: Petra Kurbjuhn
Der Altbürgermeister Weyarns, der sich insbesondere mit dem Thema Bürgerbeteiligung einen Namen gemacht hat, erklärte: Die Veranstaltung möge dazu dienen, die Fantasie anzuregen, Verwirrung zu stiften, über ökologische Verantwortung nachzudenken, Individualität versus Nachbarschaft auszuloten. Sie möge aber auch deutlich machen, dass Eigentum verpflichte und dem Gemeinwohl zu dienen habe. „Boden darf nicht zur Ware werden, mit dem man spekuliert.“
Julia Engl plant eine Tiny house Siedlung in Holzkirchen. Foto: Petra Kurbjuhn
Im Podium hatten fünf Initiatoren alternativer Wohnkonzepte Platz genommen, die ihre Visionen vorstellen. Julia Engl möchte in Holzkirchen eine Tiny house Siedlung errichten. Reduktion auf das Wesentliche, Autarkie, keine Bodenversiegelung, das sind ihre wesentlichen Begründungen für das Projekt, das viele Anhänger hat. Die Umsetzung scheiterte bislang am fehlenden Grundstück.
Karin Drexler von der Quest AG und Sebastian Oppermann, Initiator der Bürgerinitiative „Gemeinsam anders wohnen“. Foto: Petra Kurbjuhn
Auch die Bürgerinitiative „Gemeinsam anders wohnen“ sucht intensiv nach einem Grundstück. Geplant sei ein Mehrfamilienhaus mit etwa 35 Wohneinheiten, in dem die Bewohner nachbarschaftlich miteinander leben und Dinge teilen, sich gegenseitig unterstützen, erklärte Initiator Sebastian Oppermann das genossenschaftliche Modell.
Lesetipp: Von der Schwierigkeit des Wohnens zum Anders wohnen
Die Marktgemeinde Holzkirchen habe ein Areal in der Maitz ausgeschrieben, aber die Planungen ruhten derzeit. Zudem sei es nur ein Anfang, da nur etwa 15 Wohnungen entstehen könnten. Langfristiges Ziel sei ein großes Haus im Gebiet an der Tölzer Straße, was derzeit überplant werde.
Bürokratische Hemmnisse bei Anders wohnen
Langen Atem braucht es, um alternative Wohnkonzepte umzusetzen. Diesen bewiesen die Initiatoren des Projekts „Oase“ in Thalham bei Bruckmühl. Vor zehn Jahren, so erzählte Marille Röhrmoser, habe man die Vision gehabt, ein Erbgrundstück für ein gemeinschaftliches Wohnprojekt zu nutzen.
Jetzt sei man in der Bauphase und hoffe im Sommer nächsten Jahres einziehen zu können. Bürokratische Hemmnisse hätten das Projekt erschwert, aber „wir wollen ein Türöffner sein“, so die engagierte Bruckmühlerin.
Dominik Fijalkowski vom Wohnprojekt Riedlhof Niklasreuth. Foto: Petra Kurbjuhn
Im letzten Bauabschnitt befindet sich die Bebauung des Klosterangers in Weyarn. Architektin Karin Drexler von der Quest AG betonte den Gemeinschaftscharakter des großen Projektes. Man habe gemeinsam mit der Gemeinde Weyarn die Bedürfnisse und Wünsche aller Bürger gesammelt und daran das Projekt ausgerichtet.
So sind Mehrgenerationenhäuser ebenso entstanden wie Reihen-sowie Doppelhäuser. In den Mehrfamilienhäusern habe man Begegnungsstätten im Treppenhaus eingeplant, die gern wahrgenommen werden.
Ökologisches Experiment
In dem denkmalgeschützten Riedlhof in Niklasreuth hat sich eine Wohngemeinschaft im Kleinen gebildet. Dominik Fijlakowski sprach von einem ökologischen Experiment, in dem sich jeder der fünf Bewohner mit seinen Fähigkeiten einbringe. Mit gemeinsamen Aktionen, wie gemeinsamen Gärtnern und Sonnwendfeuer fördere man die Harmonie. Dies sei ein Lernprozess und bedürfe Ausdauer ebenso wie den Willen, auch konfliktaktive Phasen durchzustehen.
Sebastian Urmel Saurle und Lydia Starkulla. Foto: Petra Kurbjuhn
Zwischen den Blöcken streuten Lydia Starkulla und Sebastian Urmel Saurle Texte zum Wohnen ein, heitere wie den von Kurt Tucholksky über das immer mehr haben wollen und weniger heitere, wie den über die Obdachlosigkeit. Den Einstieg in die Veranstaltung gestalteten sie mit Zahlen aus der Statistik und das Ende mit dem tatsächlichen Ende der Menschen, was ihre Wohnsituation anbelangt.
Literarische Perlen zu Anders wohnen
Mit diesen gut ausgewählten literarischen Perlen wurde die Veranstaltung nicht nur kulturell bereichert, sondern den Zuhörern das Thema Wohnen auf einem anderen Kanal zugänglich gemacht.
Vereinfachte Bauvorschriftenfür Anders wohnen
In der lebhaften Diskussion ging es um Fragen der Gemeinschaftsbildung ebenso wie um den Wunsch, dass die kommunalen Behörden offener und experimentierfreudiger für Projekte des „Anders wohnen“ werden sollten. Dabei kam die Forderung nach vereinfachten Bauvorschriften auf.
Im Sinne des Gemeinwohls
Michael Pelzer meinte, dass man Gesetze nach dem Wortlaut, aber ebenso nach dem Sinn und Zweck auslegen könne. Er forderte: „Das Instrumentarium der Gemeinden muss voll im Sinne des Gemeinwohls ausgeschöpft werden.“
In Holzkirchen werde eine Vielzahl bezahlbarer Wohnungen benötigt, sagte SPD-Kommunalpolitiker Wolfgang Huber und die heutige Veranstaltung müsse dazu dienen, den politischen Willen dazu zu fördern. „Engagiert euch!“ rief Sebastian Oppermann die Zuhörer auf, „geht in die Gemeinden und fragt nach.“
Spekulationsfeindliches Klima
Als Fazit fasste Michael Pelzer zusammen: Weniger kann mehr sein. Der Landkreis Miesbach braucht einen Wohnreferenten. Die Gemeinden müssen Bürgerbeteiligung fördern. Wir brauchen ein spekulationsfeindliches Klima. Engagiert Euch!