Auf musikalischer Reise mit Andi Rinn
Der Musiker Andi Rinn experimentiert nicht nur mit Genres, sondern in seinem jüngsten Projekt „Auf musikalischer Reise“, auch mit musikalischen Normen. Foto: Rinn
Musikprojekt
„Think outside the box“ – ein Spruch, der von der Marketingindustrie zu Genüge ausgeschlachtet wurde und mittlerweile einen großen Teil seiner Authentizität verloren hat. Einer, der diesen Spruch aber in seiner originalen Form verkörpert, ist Andi Rinn. Das Multitalent ist schwer in eine Nische einzuordnen und genau da fühlt er sich am wohlsten. Mit seinen jüngsten musikalischen Projekten kitzelt er die stillgelegten neuronalen Zonen seiner Zuhörerschaft und erweitert dadurch sein künstlerisches Schaffen.
Experimentelle Musik
Zugegeben, hört man zum ersten Mal die Lieder des Projekts „Synthexperimental Fraktal“, neigt man dazu, verwirrt seine Lautsprecher zu checken, ob diese sich gerade in den technischen Himmel verabschiedet haben. Das mag vielleicht auch bei dem ein oder anderen so bleiben, denn mit den zwei Alben experimenteller Musik, spricht Rinn wahrscheinlich kein Millionenpublikum an. Das will er auch gar nicht, um das gleich vorneweg zu sagen.
Aber, das sei auch gleich gesagt, bewusst provozieren möchte der 48-Jährige die Trommelfelle seines Publikums auch nicht. Ganz im Gegenteil, er möchte alle mitnehmen, auf seine Reise in die Welt der Geräusche, weit weg von musikalischer Norm. Ohne Gesang, ohne Instrumente, nur aufgenommen mit einem Synthesizer, begibt sich Rinn darin auf die Suche nach Melodien und Tönen, ohne diese zu beurteilen oder einzuordnen. „Das Geräusch steht bei mir ganz vorurteilsfrei für sich. Ich bin einfach fasziniert von den Klängen, die da erzeugt werden“, beschreibt er seine jüngste Musik selbst. Die Einladung, mit ihm auf diese experimentelle Reise zu gehen, sei natürlich absolut freiwillig, lacht der gebürtige Reichenhaller.
Mit der Punkband „The Scarolds“ machte der heute 48-Jährige seine ersten Schritte in der musikalischen Szene des Oberlandes. Foto: seldomtold66
Andi Rinn, kein Unbekannter
Der Kulturschaffende ist in der Region und darüber hinaus kein Unbekannter. Seit über drei Jahrzehnten ist er in der Musikszene unterwegs, von Jazz bis Heavy Metal – „ich interessiere mich für alle Musikrichtungen“, sagt er selbst. Wirklich einnisten möchte er sich aber nicht in einem Genre. „Es ist halt alles sehr Andi Rinn, so wie ich die Musik empfinde und entdecke“, beschreibt er selbst sein vielseitiges Schaffen. Der Ursprung liegt aber im Punk, den er als Jugendlicher zusammen mit seinem engen Freund und Kollegen Tobias Öller als Band „The Scarolds“ entdeckt hat. Im Herzen wohl immer ein Punker, begab sich Rinn mit Öller aber auch in andere Gefilde, begeisterte mit der Band „Country Punk Oberland“ ein großes Publikum. „Ich mache das, woran ich Spaß habe“, sagt er. So war er auch an verschiedenen Theater- und Kabarettprojekten von Öller beteiligt – unter anderem in „Ox vorm Berg“ mit Christine Eixenberger, „Radio Rustikal“ und „Der Fall Dracula“. Im Film „Lord und Schlumpfi – Der lange Weg nach Wacken“, der im Jahr 2020 über die Kinoleinwand beim Münchner Filmfest flimmerte, spielt er eine der beiden Hauptrollen.
Sich selbst nicht zu ernst nehmen und immer einen guten Spruch auf den Lippen: Andi Rinn überzeugt nicht nur mit seiner Musik, sondern auch mit seiner Art. Foto: seldomtold66
Filmprojekt
In dem Film, der eigentlich aus einer You Tube-Miniserie entstanden ist, spielen Rinn und Öller zwei Freunde, die mit der Hilfe kurioser Gestalten aus der Unterwelt ihren Weg als Band zum größten Metal-Festival aller Zeiten schaffen wollen. „Das ist schon auch ein bisschen Tobi und Andi“, schmunzelt der 48-Jährige. Obwohl ihm ein Konzert, mit tausenden von Menschen im Publikum, so gar nicht gefallen würde, wie er selbst sagt. „Das ist ganz schnell unpersönlich und als Masse so abstrakt.
Die schönen Momente sind doch die, wenn man die Leute einzeln sieht, wie sie vor Freude zerschmelzen oder sich angewidert abwenden“, scherzt Rinn. Sich selbst nicht zu ernst nehmen und vor allem nicht auf Nummer sicher gehen, das ist es, was den Gitarristen ausmacht. Er selbst sagt von sich, er sei Autodidakt, kann keine Noten lesen und hat nicht vor, einem Trend nachzueifern, nur um zu gefallen. Wirklich ärgern kann sich der Musiker eigentlich nur über Musik die dem Mainstream entspricht – „alles, das nach einem Blaupause-Prinzip produziert wird“. Beim Frühstück läuft also definitiv kein Radio im Hause Rinn – „das langweilt mich ganz schlimm“, gibt er zu.
Zusammen mit seinem langjährigen Freund Tobias Öller (l.) spielt Rinn im Film „Lord und Schlumpfi“ die Hauptrolle. Die Fans sind begeistert, auch von den Auftritten der Beiden. Foto: seldomtold66
Projekts „Innaw(°)rn“
Heute wohnt der ehemalige Miesbacher in der Landeshauptstadt, ist als Kindergärtner tätig und macht nebenbei weiterhin Musik. Wer sich nicht gleich in den Pool experimenteller Erzeugnisse stürzen möchte, der ist vielleicht bei den Liedern des Projekts „Innaw(°)rn“ besser aufgehoben. Zwar auch mit Synthesizer und 4-Spur-Tonbandgerät aufgenommen, aber immerhin mit Gitarre, Gesang und Drum Machine untermalt. Die Lieder des Demos „Shells“ tragen einen dabei sanft hinfort in klangvolle Welten, die zwar psychedelisch anmuten, aber einem das Gefühl geben, einer kleinen Live-Session im Musikzimmer von Rinn beizuwohnen. „Wenn es mal Nebengeräusche gibt, wie die Toilettenspülung vom Nachbarn, dann ist das halt auch drauf“, schmunzelt er.
Hat er eine Idee für einen Song, muss die Umsetzung schnell gehen. Komplizierte digitale Studioprogramme kommen dabei nicht zum Einsatz. „Ich habe eine gewisse Bildschirmaversion und möchte kreatives Arbeiten nicht mit dem Computer verbinden“, erklärt der 48-Jährige.
Andi Rinn bedient keine Nische, lässt sich in keine Schublade stecken und wehrt sich, mit dem Mainstream zu schwimmen – und das absolut authentisch. Foto: seldomtold66
Bandcamp
Ganz nach dem Prinzip der freien Freude und Musik, bietet er seine Alben auch kostenlos auf der Plattform „Bandcamp“ an. „Da geht es nicht um die meisten Klicks, da steckt viel Idealismus dahinter“, erklärt er. Reich werden mit der Musik, das war sowieso nie das Ziel. „Sobald Geld ins Spiel kommt, wird man in seiner künstlerischen Freiheit limitiert“, ist er überzeugt. Es sei eher ein professionelles Hobby. „Den Leuten Freude bereiten, aber das Benzingeld nicht selber zahlen müssen“, das bilde die perfekte Symbiose, scherzt Rinn.
Hin und wieder begibt sich der passionierte „outside the box“-Künstler aber auch gerne mal wieder in seine Komfortzone zurück. Gemeinsam mit Freund und Bandkollege Tobias Öller soll es wieder in den Probenraum gehen. Zu zweit auftreten, ein paar alte Songs, ein bisschen Heavy Metal spielen und mit den Lord und Schlumpfi-Fans quatschen. „Diese Komfortzone kann man sich ab und zu schonmal gönnen“, gibt Andi Rinn mit einem Augenzwinkern zu.
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