Eisenberg und Wallner im Wechsel
Andreas Föhr beantwortet Fragen aus dem Publikum. Foto: Monika Ziegler
Lesung in Miesbach
Der Coup ist geglückt. Mit seinem Anwaltskrimi „Eisenberg“, den Andreas Föhr gestern Abend im Kulturzentrum Waitzinger Keller vorstellte, hat er eine neue Spur gelegt, ein Pendant zu seinem beliebten Ermittlerpaar Wallner/Kreuthner geschaffen. Und am Ende kam Kreuthner doch noch zu Wort.
Die Fangemeinde von Andreas Föhr ist groß, kein Wunder hat doch der in Tegernsee aufgewachsene studierte Jurist in seinen Regionalkrimis aus dem Landkreis Miesbach wunderbar skurille Typen geschaffen und spannende Geschichten erfunden. Doch um diese ging es gestern nicht und Föhr meinte, heute, wo er nur einen Steinwurf von Wallners Wirkungsstaätte entfernt, der Polizei Miesbach nämlich, erstmals lesen dürfe, sei dieser nicht dabei. Nach sechs Wallner-Krimis habe er etwas Neues machen wollen.
Humor und feinste Detailbeschreibung
Und so schuf er Strafverteidigerin Rachel Eisenberg, denn so Föhr, in den USA seien Anwaltskrimis sehr beliebt, in Deutschland aber gebe es sie kaum und diese Lücke habe er füllen wollen. Zudem habe nach den männerlastigen Wallner-Kreuthner-Geschichten jetzt eine Frau ran gemusst. Dieser geht es eingangs gar nicht gut, an einem 10. Juli nämlich sitzt sie gefesselt und voller Angst und wartet auf ihren Mörder.
Nach diesem ersten Cliff hanger geht Föhr um einige Monate zurück und beschreibt detailliert den ritualisierten Ablauf einer Obduktion am frühen Morgen mit köstlichen Seitenhieben auf die Protagonisten, den Pathologen und den Oberstaatsanwalt. Das ist generell Föhrs Kennzeichen. Er versteht es, mit Humor und feinster Detailbeschreibung jeder Szene ihre Eigenart zu geben.
Gemeinsamkeiten mit der Referendarin
So ist die nächste Szene, die den Hintergrund des Falles erleuchtet, in ganz anderem Ton geschrieben, hier beherrscht die Angst die Lage. Eine junge Frau aus dem Kosovo, wohl geflüchtet, ist des nachts im Auto unterwegs und wird von zwei zwielichtigen Typen erwartet. Einer trägt pikanterweise einen Daunenweste, womit der Kontakt zum ewig frierenden Wallner in seiner unvermeidlichen Daunenjacke hergestellt ist.
Immer wieder enden die Kapitel offen, immer wieder setzt Föhr gekonnt das Spannungselement von Zeitsprüngen ein und immer wieder verknüpft er Back story mit Mordfall und anwaltlicher Tätigkeit sowie Privatem. Rachel Eisenburgs Ehe wird süffisant so vorgestellt: Ihr Ehemann und Kanzleipartner Sascha sah „dass die Gemeinsamkeiten auf privater Ebene erschöpft waren“, statt dessen fand er Gemeinsamkeiten mit der jungen Referendarin Paula. Rachel lebt deshalb allein mit Tochter Sarah, deren pubertäres Verhalten der Autor köstlich karikiert.
Obdachloser Physikprofessor
Ebenso genüsslich nimmt er die Autos der Anwältin ins Visier, den Mittelklasse-Mercedes für Mandantenbesuche, das teure BMW-Cabrio für sonnige Tage ohne Mandantentermine, damit die Klienten nicht Angst vor überteuerten Rechnungen haben müssen. Insiderwissen verrät das Kapitel über das „Gravitationszentrum der Münchner Strafjustiz“, das Café, in dem streng getrennt nach Hierarchie die Gäste an Marmor- oder Aluminiumtischen Platz nehmen dürfen.
Und nun rutscht die Anwältin der 1. Liga also in einen Mordfall hinein, dessen Verdächtiger ein Obdachloser ist, eigentlich nicht ihre Klientel, aber sie erhofft sich von dem spektakulären Fall einige Medienpräsenz, besucht den Verhafteten und erschrickt, denn hier sitzt ihr einstiger Geliebter, der Physikprofessor Heiko Opitz vor ihr.
Dieser Mann, mit dem sie Tisch und Bett geteilt hat, der soll ein Mörder sein, soll der Toten die Hände abgetrennt und an den Kopf genagelt haben? Diese Fragen werden Rachel nun in Höhen und Tiefen führen, wie der Anfang des Buches vermuten lässt, wird auch sie Opfer des Geschehens. Föhr schließt seine Lesung mit dem Ausspruch des auf die schiefe Bahn gekommenen Akademikers mit: „Es gibt Dinge auf der Welt, die muss man nicht verstehen“. Kein Wunder, dass nach der Lesung eine lange Reihe von Zuhörern mit Büchern zum Signieren enstanden, denn nun wollte wirklich jeder wissen, wie die Geschichte weitergeht.
Kreuthner ertappt
Als Zuckerl hatte Föhr eine Szene aus seinem nächsten Wallner-Krimi mitgebracht, denn auch diese Schiene wird er weiter verfolgen. Polizist Kreuthner wird im Fasching von seinem Kollegen Greiner mit 142 km/h geblitzt. All seine Versuche, diese Geschichte „unter Kollegen“ zu regeln, prallen ab und Föhr endet: „Das Böse hatte für Kreuthner einen Namen – Greiner.“
Künftig also wird es Eisenberg und Wallner/Kreuthner im Wechsel geben, ihm sei der Perspektivwechsel wichtig, erklärte der Autor, einmal Anwaltskrimi in München, einmal Ermittlerkrimi im Landkreis Miesbach. Für letztere fahre er auch immer wieder durch die Region, um die Schauplätze genau beschreiben zu können, meinte der bei Wasserburg lebende Schriftsteller.