Was ist der Mensch?

Andreas Kuhnlein: „Aufbruch“. Foto: Petra Kurbjuhn

Ausstellung in Rosenheim

75 000 Besucher sahen seine Ausstellung „Zerklüftete Antike“ in der Glyptothek München, jetzt zeigt er mit „MenschSein“ tief berührende Werke in Rosenheim – und Ende Juni wird er bei ARTcycling in Holzkirchen dabei sein: Andreas Kuhnlein.

Der Bildhauer aus dem Chiemgau ist im Landkreis kein Unbekannter. Im Jahr 2013 zeigte der Waitzinger Keller in Miesbach eine beeindruckende Schau seines Werkes und zum ersten Spurwechseltag saß der Künstler im Podium und berichtete über seinen eigenen Spurwechsel vom Beamten beim Bundesgrenzschutz zum Künstler, dessen Werke heute internationale Wertschätzung genießen.

Zur Eröffnung der ersten Einzelausstellung in der Städtischen Galerie in Rosenheim waren vergangenen Freitag Menschenmassen geströmt, unter ihnen auch Politprominenz wie Wolfgang Heubisch und Alois Glück. Nur gut, dass der „Säulenheilige“ im ersten Raum alle Besucher meterhoch überragte und somit wahrgenommen werden konnte.

Andreas Kuhnlein Der Säulenheilige

Andreas Kuhnlein: Der Säulenheilige. Foto: Petra Kurbjuhn

Auf einem riesigen Holzstock steht er, symbolisiert durch die einschüchternden Stiefel, goldüberzogen. Sonst nichts. Aber unten, eingezäunt, liegen sie, die Zeugnisse der gestürzten Macht, Bischofsmützen und Helme, welch ein optimistischer Blick. Dieser optimistische Blick zeichnet Andreas Kuhnlein aus, trotz aller kritischen Auseinandersetzung mit der Zeit und deren Auswüchsen.

Andreas Kuhnlein Der Säulenheilige

Die Insignien der Macht. Foto: Petra Kurbjuhn

Die Würde des Menschen ist für ihn das Wesentliche am Menschsein. Und so hat er in „Angekommen“ einen sehr alten Menschen dargestellt, der müde von allem Erlebten, dennoch in würdevoller Haltung dem Tod entgegensieht. Die Endlichkeit des menschlichen Lebens stellte Andreas Kuhnlein nicht nur in Porträts unterschiedlichen Lebensalters dar, sondern gesellte Baumscheiben hinzu.

Auch einige Paare aus der Serie „Schein und Sein“ sind in Rosenheim zu sehen. Der Schein des Würdenträgers als glatte Fassade gegenübergestellt dem wahren Sein, verletzt, zugerichtet.

Wer fragt wen?

Und dann ein Raum mit 12 Hockern, gegenüber ein Thron. Und Kopfhörer, aus dem Pete Seegers „Where have all the flowers gone“, gesungen von Marlene Dietrich tönt. Die Frage, die sich Andreas Kuhnlein hier stellt ist, welche Position nimmt der Besucher ein. Setzt er sich auf den Hocker und fragt den Herrscher oder setzt er sich auf den Thron und fragt sein Volk: Sag mir wo die Blumen sind? Und: Wann wird man je verstehen?

Andreas Kuhnlein Troika

Andreas Kuhnlein: Troika. Foto: Petra Kurbjuhn

Eine Frage stellt auch die große Skulptur im nächsten Raum: Wird es gelingen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen? Eine Troika von drei Männern bemüht sich, offensichtlich erfolglos, ein kaputtes Schiff als Metapher für die ausgebeutete Natur wieder flott zu kriegen. Und nur eine Frau am Heck des Schiffes scheint den Überblick zu bewahren.

Grenzen des Wachstums

Andreas Kuhnlein hat schon immer seine Aufgabe als Künstler darin gesehen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und so hat sein Werk eine klare und unverschlüsselte Aussage. Die Grenzen des Wachstums hat er als Sisyphus dargestellt und nur ein kleiner Schub reicht noch aus und alles kippt. Daneben steht das Hinterteil einer Kuh mit einem überdimensionierten Euter, deutliche Kritik an der Agrarindustrie, die Tiere als Produktionsmasse benutzen.

Zwei Räume benötigte der Künstler, um sein Werk „Aufbruch“ zu platzieren, wieder eine klar positive Sicht. Im hinteren Raum, durch ein Gitter zu sehen, verschwinden Menschen im Boden und tauchen im vorderen Raum wieder auf, werden größer und größer. Menschen auf der Flucht, die durch ein tiefes Tal gingen, jetzt aber aufbrechen in ein neues Leben.

Andreas Kuhnlein
Andreas Kuhnlein, umringt von Fernsehteams. Foto: Petra Kurbjuhn

Was ist der Mensch? Diese Frage stellt sich der Holzbildhauer Andreas Kuhnlein, der mit der Kettensäge arbeitet, immer wieder. Ist er Krönung oder Krebsgeschwür? Oder hat er den Traum, alles hinter sich zu lassen und zu ganz neuen Dimensionen vorzudringen? Mit dieser Frage nimmt der Künstler den Besucher mit auf eine Reise zur Selbsterkenntnis. Es gelingt ihm, mit seinen ungemein eindrucksvollen Werken, die eine große Kraft entfalten, dem Menschen sein eigenes Menschsein in aller Ambivalenz vor Augen zu halten und ihn aufzurufen: Mensch, sei Mensch! Aufruf der Redaktion: Unbedingt ansehen! Auch für Schulklassen sehr empfehlenswert.

Die Ausstellung „MenschSein“ von Andreas Kuhnlein in der Städtischen Galerie Rosenheim Max-Bram-Platz 2 ist bis zum 30. April dienstags bis freitags 10 bis 17 Uhr, samstags und sonntags 13 bis 17 Uhr geöffnet. Ein umfangreiches Rahmenprogramm begleitet die Präsentation.

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