Kunst als objektivierter Selbstgenuss
Blick in die Ausstellung Andreas Thieme in DAS TEGERNSEE. Foto: Thomas Baumgartner
Ausstellung in Tegernsee
Seine Bilder hängen in der Galerie Neue Meister in Dresden, der Nationalgalerie Berlin und in der Eremitage in St. Petersburg. Jetzt sind sie in Tegernsee zu sehen, die abstrakt-surrealen Kompositionen von Andreas Thieme, ungewöhnliche, eigenständige und eigensinnige Werke, die den Betrachter herausfordern.
Herausfordern, sich in den Raum zwischen die Welt des Künstlers und der eigenen Welt zu begeben, sich dort zu begegnen, den Raum für Denken und Emotionen über die Kunst zu öffnen. Galeristin Peggy Neumann von der Galerie Orange in Tegernsee und Sven Scheerbarth, Geschäftsführer von DAS TEGERNSEE, ist es zu verdanken, dass diese Begegnung stattfindet.
Andreas Thieme im Gespräch. Foto: Thomas Baumgartner
Andreas Thieme studierte zunächst in Leipzig Kunstpädagogik und später an der Kunstakademie Dresden bei Gerhard Kettner Malerei. „Sein Gestaltungswille ist unbändig“, wurde ihm bescheinigt. Der Ursprung für die Leidenschaft Malerei hatten die Bilder Vincent van Goghs gelegt. Er sei von diesen Bildern im Innersten angerührt worden, erzählt der sympathische und aufgeschlossene Künstler.
Bis 2010 habe er realistische Bilder gemalt, berichtet er, dann aber begann eine völlig neue Schaffensperiode. „Ich habe begriffen, was in der DDR los war.“ Er sei kein Systemgegner gewesen, er habe studieren dürfen und in der Malerei seine Lebenshaltung gefunden und damit die äußeren Dinge ausgeglichen. „Aber mein Menschenbild war zu naiv, zu freundlich“, erklärt er.
Andreas Thieme: Die Figuren lösen sich auf
Er habe erkennen müssen, dass die Stasi die Menschen verändert habe. „Die Figuren lösten sich auf“, erklärt er seine neue Malweise. Man glaube, dass die Geschichten und Vorgänge harmonisch seien, aber sie würden immer wieder gebrochen, Widersprüche tauchen auf, Komplexität beherrsche das Geschehen.
Peggy Neumann von der Galerie Orange und Andreas Thieme. Foto: Thomas Baumgartner
Als Kommunikationsmittel bezeichnete Peggy Neumann in ihrer Einführung die Werke Andreas Thiemes, in denen er seine Emotionen verarbeitet und diesen Erkenntnisgewinn dem Betrachter mitteilt. Ohne Plan gehe er an die Arbeit, sagt der Künstler, es gebe nur seine Empfindungen, die zur Bildhaftigkeit drängen. Dieses zunächst ungestaltete Gefühl, das er auch als Zeitgeist bezeichnet, sei amorph und wecke in ihm den Wunsch zur Gestaltung.
Abenteuer im Dschungel
„Dabei entstehen ungefilterte Bilder“, erklärt Andreas Thieme. Seine künstlerischen Mittel sind dabei Farbe, Form, Rhythmus, Textur. Seine Arbeit im Atelier bezeichnet er als Abenteuer im Dschungel. Aber wenn er dann mit seinem Gefühl, seinem Weltbild in Deckung komme, entstehe ein Bild, dass er als gültig ansehen kann.
Dabei ist ihm auch die ästhetische Qualität wichtig. „Ich suche eine Form für das 21. Jahrhundert“, sagt er, eine Form ohne Gegenstand, die den Zeitgeist abbilden kann, ohne Worte, ähnlich der Musik. Dieses bildnerische Denken bedeute einen Weg zur inneren Freiheit, zum Sich selber Kennenlernen. Und letztlich sei Kunst sogar „objektivierter Selbstgenuss“. In der Vergangenheit sei Kunst oft destruktiv gewesen, er aber wolle den Lebensgenuss fördern.
Die Werke von Andreas Thieme, die originäres Erleben transportieren, bedürfen keiner Erläuterung. Sie sind da, um bestaunt zu werden und um das eingangs erwähnte Feld der Begegnung zu öffnen. Sie sind noch bis zum 8. Januar im DAS TEGERNSEE zu sehen.