Annabergdenkmal

Das Annabergdenkmal in Schliersee

Blick vom Weinberg auf Schliersee. Foto: Petra Kurbjuhn

Es ist „nur“ eine Tafel. Aber an ihr scheiden sich die Geister. Die einen instrumentalisieren sie für Ihre Zwecke, die anderen wehren sich vehement. Jetzt soll in dem umfassenden Projekt „gedenken umdenken versöhnen“ Sachlichkeit in die Debatte gebracht und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Der Platz an der Weinbergkapelle ist ein besonders schöner Ort. Hier stand nicht nur König Ludwig II. gerne, dessen Denkmal man passiert, wenn man den Weg hinaufsteigt, auch Heinrich Himmler und Adolf Hitler sollen diesen Platz geliebt haben, sagt Wolfgang Foit, Geschäftsführer des Katholischen Bildungswerkes im Landkreis Miesbach.

Annabergdenkmal
Büste Ludwig II. am Weinberg in Schliersee. Foto: Petra Kurbjuhn

Der promovierte Historiker hat sich gemeinsam mit der Katholischen Pfarrgemeinde St. Sixtus in Schliersee, der Marktgemeinde Schliersee und dem Institut für Zeitgeschichte München-Berlin eine anspruchsvolle Aufgabe gestellt. Er will das Thema Annabergdenkmal und die Gedenktafel, an der es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Aktionen von Rechtsextremen und Gegenaktionen unter anderem von Künstlern kam, mit Hilfe von Wissenschaftlern und fragenden Ansätzen versachlichen.

Annabergdenkmal
Denkmal von 1923 mit Blick auf Kapelle/Bäume: zeitgenössische Postkarte von Photo Roth, Schliersee

In einer ersten Phase wurden von März an Fakten und Hintergründe von namhaften Experten vorgetragen. Worum geht es überhaupt? Am 21. März 1921 fand in Annaberg in Oberschlesien eine Schlacht zwischen Deutschen und Polen statt, bei der 52 Männer aus dem Freikorps Oberland, einer paramilitärischen Vereinigung, den Tod fanden. 1923 wurde am Weinberg das Annabergdenkmal errichtet, das 1945 gesprengt wurde, und 1956 wurde die heute umstrittene Gedenktafel an der Weinbergkapelle angebracht. Es ging damals um den „Freiheitskampf“ Oberschlesiens.

Annabergdenkmal
Die umstrittene Tafel an der Weinbergkapelle. Foto: Petra Kurbjuhn

Es handle sich bei der Auseinandersetzung womöglich auch um eine Stellvertreterdiskussion, vermutet Wolfgang Foit. Die Schlacht von 1921 und das Denkmal stehen für etwas, was man auf den ersten Blick womöglich nicht sehe. Er hoffe, dass die jetzt angestoßene Diskussion Licht in die Sache bringe. So könnte es bei der Diskussion beispielsweise gleichermaßen um das Gedenken an eine verlorene Heimat gehen, oder um die Bewertung der Vertreibung von Deutschen aus Osteuropa nach Kriegsende.

Wissen um Auschwitz

Wichtig ist auch die Dimension der Kontextualisierung. Heute sehe man alles mit dem Wissen um Auschwitz und der Gefahren von Nationalstaatlichkeit. Aus der Sicht der Menschen von 1923 und 1956 mag das Gedenken völlig normal gewesen sein. „Taugt das als Rechtfertigung des Denkmals heute?“ fragt Foit und meint dies nicht rhetorisch.

Annabergdenkmal
Die Weinbergkapelle in Schliersee. Foto: Petra Kurbjuhn

Man wolle in dem Prozess weder urteilen, noch Schuld zuweisen. „Der Ansatz der Bildung ist Dialog“, stellt Wolfgang Foit klar. Und dieser Ansatz sei bislang gelungen, denn zu den Vorträgen seien 30 bis 80 Interessierte gekommen. Man habe von Anfang an versucht, alle Akteure eizubinden, aber es sei schwer, profilierte Gruppe auszumachen, die für oder gegen das Denkmal stehen.

Geschichte ist grau

In der ersten Phase des Prozesses wurden eine Reihe vorgefasster Meinungen revidiert. „Geschichte ist weder schwarz noch weiß, sondern grau“, zitiert Wolfgang Foit den Historiker Thomas Nipperdey. So seien beispielsweise in dem Freikorps sowohl spätere Nazis aber eben auch Kommunisten und Bürgerliche gewesen.
Man habe erreicht, dass die Menschen miteinander reden, man habe keine Meinung bedient, sondern festgestellt, dass es kein einheitliches Bild gebe. Und letztlich gehe es ja um die Frage: Woran liegt uns heute? Haben diejenigen Recht, die das Denkmal errichteten? Haben diejenigen Recht, die das heute bewerten?

Annabergdenkmal
Denkmal von 1923 mit Blick auf See: zeitgenössische Postkarte: von Kunstverlag Peter Triem, München

Am 18. Juli findet der letzte Vortrag der Reihe statt. Da geht es dann darum, wie es zum Anbringen der Tafeln am Weinberg am Annaberdenkmal 1923 und an der Kapelle 1956 kam. Wolfgang Foit ist sicher, dass spannende Tatsachen der Nachkriegszeit zutage treten werden.

Versöhnende Ansätze

Inzwischen ist eine 17-köpfige Gruppe nach Annaberg und Auschwitz gefahren. Ihr Auftrag lautet: „Wo gibt es versöhnende Ansätze?“ Damit kann Phase 2 beginnen, die von Prof. Dr. Herrmann Rumschöttel moderiert wird. Gestaltungswillige haben in einem Workshop die Gelegenheit, ihre Ideen und Lösungsansätze weiterzuentwickeln und verschiedene Entscheidungsvorlagen zu gestalten.

Letztlich soll es in Phase 3 zur Entscheidung und Umsetzung der Ergebnisse kommen. „Mir ist es wichtig, über Fakten zu sprechen und dass sich alle Beteiligten auch mit der Frage auseinandersetzen, welchen Ereignisses und wessen heute, aus unserer Sicht des beginnenden 21. Jahrhunderts gedacht werden soll“, stellt Wolfgang Foit heraus.

Nächster Termin: 18.7. 19 Uhr: „Die beiden Denkmäler von 1923 und 1956. Wie wirken sie in der Nachkriegszeit fort?“ PD Dr. Thomas Schlemmer, IfZ und Diplomsoziologe Werner Hartl, IG Metall. Kath. Pfarrsaal Schliersee, Lautererstr. 1 in 83727 Schliersee.

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