Der Wert der Arbeit
Arbeit oder Nichtstun? Foto: Petra Kurbjuhn
Kolumne zum Feiertag
Heute ist der 1. Mai, der Tag der Arbeit. Was ist Arbeit? Welchen Sinn hat Arbeit? Und gibt es neue Ideen, die Verbindung zwischen Arbeit und Ethik zu kappen? Der Soziologe Harald Welzer malt in seinem Buch „Alles könnte anders sein“ das Bild einer neuen Gesellschaft.
Auf dem Gründungskongress der Zweiten Internationale 1889 wurde der 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen. 30 Jahre später 1919, vor genau 100 Jahren versuchte die Weimaer Nationalversammlung erfolglos, den 1. Mai als gesetzlichen Feiertag festzulegen. In der Zeit des NS-Regimes indes wurde er zum Feiertag bestimmt. Das blieb so nach dem Ende des 2. Weltkrieges.
1.Mai gleich Maibaum
In der DDR gab es große Maiparaden mit verpflichtender Teilnahme aller Werktätigen am 1. Mai, bei denen die führende Rolle der Arbeiterklasse für die Gesellschaft hervorgehoben wurde. Eine rote Plastiknelke im Knopfloch symbolisierte Verbundenheit. Auch im Westen wurde zu Demonstrationen aufgerufen, aber nach der Wende wurde der Feiertag eher ein Tag, der für Freizeitaktivitäten genutzt wird. In Bayern geht es insbesondere um den Brauch des Maibaumaufstellens.
1. Mai. Foto: pixabay
Er soll Anlass sein, über die Bedeutung der Arbeit zu reflektieren. Wir verbringen einen großen Teil unserer Zeit mit Arbeit. Sie soll uns Auskommen sichern, aber die meisten Menschen suchen auch einen Sinn in ihrer Tätigkeit. Nur die Hälfte aber, so zitiert Welzer eine britische Studie, sind überzeugt, dass das der Fall ist, 37 Prozent sagten, dass ihre Arbeit keinerlei Sinn habe.
Dienst nach Vorschrift?
Wie geht der Arbeitnehmer mit dieser Tatsache um? Entweder flüchtet er sich in „Dienst nach Vorschrift“ oder Aussitzen oder aber er wird krank. Er kann sich auch für einen Spurwechsel entscheiden und noch einmal neu beginnen. Erfolgsgeschichten kann man bei unserem Projekt nachlesen. Aber dazu braucht es Mut, Geduld und immer wieder Unterstützung.
Unglücklicherweise ist unsere abendländische Kultur durch Arbeitsethik geprägt, heißt, Arbeit ist eine Pflicht und bildet den Mittelpunkt unseres Lebens. Wir definieren uns sogar über die Arbeit. Unser Wert ist das, was wir im Beruf vollbringen.
Harald Welzer schlägt in seinem Buch „Alles könnte anders sein“ einen anderen Weg vor. Er schreibt:
„Ich stelle mir vor: Niemand muss mehr arbeiten, wenn sie oder er nicht will. Arbeit ist kein Wert mehr, sondern eine sinnstiftende Beschäftigung oder etwas was man lässt. In einer Gesellschaft für freie Menschen hat man Besseres zu tun, als zur Arbeit zu erziehen und Erwachsene zu kontrollieren und zu gängeln, als ob sie unmündige Kinder wären. Wir nennen das: Recht auf Einkommen.“
Bedingungsloses Grundeinkommen
Er plädiert für das Bedingungslose Grundeinkommen und fegt alle Gegenargumente intelligent hinweg. Na und? fragt er bezüglich der Menschen, die dann gar nicht mehr arbeiten würden. „Wer entscheidet denn, wer eine für das Gemeinwohl bessere Rolle spielt – jemand, der sein Leben lang schwimmen geht, Bücher liest, Netflixserien schaut, mit den Kindern spielt oder auch nur sich besäuft, oder ein Automanager, der die Gesellschaft brutal geschädigt hat?“
Hier stimmt er überein mit Björn Kern, der in seinem Buch „Das Beste was wir tun können ist nichts“ das Nichtstun als friedlich und umweltschonend preist. Natürlich ist nicht jegliches Tun schädlich, sondern nur das falsche Tun.
Freie Entscheidung
Harald Welzer plädiert dafür, dass Menschen sich frei entscheiden dürfen, was sie tun. Durch die soziale Absicherung ist die Existenzangst genommen, das Bedingungslose Grundeinkommen garantiert ein einfaches Leben. Wer mehr braucht, wird arbeiten, wer Sinn sucht, wird arbeiten, wem langweilig ist, der wird arbeiten. Aber er wird etwas tun, was ihm liegt, wobei er sein Potenzial entfalten kann und womit er seinen Beitrag zum Gemeinwohl liefert.