Der evolutionäre Optimismus
Aljoscha: Installation in der Katharinen-Kirche von Burg Bentheim. Foto: privat
Ausstellungen zu Ostern
Zwei Ausstellungen des ukrainischen Installationskünstlers Aljoscha sollen an diesem Ostersonntag die Ambivalenz des Osterfestes zeigen. Ausgehend von Leid gibt es Hoffnung. Dieser Hoffnung gibt Aljoscha in ukrainischen Kinder- und Pflegeheimen Raum. Die Sprache seiner Kunst ist eindringlich und poetisch zugleich.
In der Katharinen-Kirche der Burg Bentheim ist in Zusammenarbeit mit dem gopea-kunstraum die Installation mit dem Titel „Reinvigorated, Rejuvenated“ zu sehen. Über die Jahre hat der Künstler einen eigenen Kunststil entwickelt, den er als Bioismus oder auch Biofuturismus bezeichnet. Dessen zentrale Idee ist der utopische Entwurf zukünftiger Wesen, die ihm als lebendiges Material seiner künstlerischen Arbeit dienen. So gestaltet er in den Medien Zeichnung, Malerei, Plastik und Rauminstallation biomorphe Gebilde, die er als Modelle noch unbekannter Lebensformen in die Welt entlässt.
Detail der Installation auf Burg Bentheim. Foto: privat
Diesen Ansatz verfolgt Aljoscha auch in seiner Installation in der Katharinenkirche der Burg Bentheim. Die aus Acrylglas geformten bioistischen Wesen schweben in der Luft und schaffen eine Verbindung zwischen den beiden unterschiedlichen Raumteilen, dem dunkleren Vorderraum mit Empore und dem lichten gotischen Chor. Zugleich treten sie in einen spannenden visuellen Dialog mit den kunsthistorisch bedeutendsten Ausstellungsstücken im Kirchenraum, dem „Herrgott von Bentheim“, einer zwischen 1000 bis 1050 geschaffenen frühromanischen Steinskulptur des gekreuzigten Christus, und der doppelseitigen, von der Decke herabhängende Madonnenskulptur des Münsteraner Bildhauers Evert van Roden aus dem frühen 16. Jahrhundert. Mit ihren transparenten Formen und der vorwiegend in Rosa und Violett gehaltenen Farbigkeit wirkt Aljoschas futuristisch anmutende Installation, wie es im Titel heißt, belebend und verjüngend auf die jahrhundertealte Architektur ein und macht sie so ganz neu erfahrbar.
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Im Bucerius Kunstforum Hamburg zeigt Aljoscha eine ortsbezogene Installation mit dem Titel „Der evolutionäre Optimismus“. Er beschreibt seinen Ansatz so:
Diese kontroverse Arbeit bezieht sich auf entgegengesetzte Gefühle – einerseits von Trauer und Entsetzen, andererseits von noch nicht verlorener Hoffnung und Zuversicht. Die aktuellen, täglichen Kriegsverbrechen in der Ukraine sowie die Gefahr eines globalen nuklearen Vernichtungskrieges bewegen mich teils zu einer schweren, ,am-Boden-liegenden‘ Bildsprache von Gefahr, Angst, Versagen und täglichem, dystopischen Propaganda-Wahnsinn.
Aljoscha: Installation im Bucerius Kunstforum Hamburg. Foto: privat
Für diesen Teil der Installation benutze ich teils frühere, teils 2022 erschaffene, dominante und erdrückende, in fleischartigem Rot, sowie schwarzem Silikon realisierte Objekte. Diese zueinander in Relation gesetzten Skulpturen verdeutlichen die Gedanken von Individuum-verachtenden, alles beherrschenden, entpersonifizierenden und enthumanisierenden Staatsideologien.
Solche ideologischen und programmartige Konstrukte erleichtern Massenmanipulationen, säen Misstrauen und Fremdenhass, mobilisieren bei Bedarf die Bevölkerung zu Konflikten, Kriegen und Verbrechen, befreien von Einzelverantwortung, verblenden mit angeblich ‚höheren Missionen und Zielen‘ und rechtfertigen Gräueltaten und Menschenopfer.
Unten am Boden gehaltene, teils kriechende, pathetische Objekte verkörpern in uns vorhandene, dunkle Antipathie- und Leid-Triebe sowie blutdürstige Racheinstinkte.
Ästhetik des Hoffens
Dagegen- und darüber gesetzt, freischwebend, erzeugt der erhaben wirkende zweite Teil der Installation eine vollkommen andere, fast utopische Ästhetik des Hoffens. Leichte, fast durchsichtige, transluzente, teils Rosa, teils Hellviolett leuchtende biofuturistische Skulpturen manifestieren das Bonum Humanum, die in Menschen immer vorhandenen Bestrebungen nach Eudaimonie, Paradies-Gestaltung und Glückseligkeit. Dieser selbstorganisierende und wie ein Schwarm wirkende Superorganismus zeugt von konstruktiven und bioethischen Ansätzen in der Zivilisationsgeschichte, von Optimismus spendenden Entwicklungen in genetischer sowie biochemischer Evolution des Homo Sapiens und dessen eventueller, künftiger Umwandlung zum Homo Deus.
Chotyn, Psychoneurologisches Budynok-Internat. Foto: Aljoscha
In den vergangenen Wochen ist Aljoscha in seiner ukrainischen Heimat unterwegs gewesen und hat seine Installationen in 14 Heimen für Kinder und Kranke als Zeichen der Hoffnung übergeben.
Er sagt: Bioismen suchen und finden eine neue Heimat in Spezialschulen und Heimen der Ukraine. Sie wurden durch Minenfelder, Vernehmungen und Hunderten von Checkpoints gebracht und geben ein neues Licht der Hoffnung für Lehrer und Schüler, für die Kranken und Müden, die auf das Ende des Fernunterrichts und der Luftalarmen, auf das Ende von Bomben und sinnlosem Gewalt und Grausamkeit, auf das Ende des schändlichen Kriegs warten.
Tscherkassy, Spezialschule. Foto: Aljoscha
14 ukrainische Kinderpflege- sowie neurologischen und Krankenpflegeeinrichtungen heißen diese fragilen transparenten biofuturistischen Formen willkommen als Zeichen von Hoffnung, Frieden, Wohlwollen und Befreiung vom Leid.