Reisegenehmigung nach Sprachland nur mit Fantasie
Cover des Buches „Im Bann des Eichelhechts und andere Geschichten aus Sprachland“. Foto: Petra Kurbjuhn
Buchtipp von KulturVision
Der Titel des neuen Buches von Axel Hacke verrät schon, wohin die Reise geht: “Im Bann des Eichelhechts und andere Geschichten aus Sprachland“. Wieder versteht es der Bestseller-Autor, Vergnügen und Heiterkeit zu vermitteln und das mit Hilfe seiner Fangemeinde.
Wir sind es von dem Münchner Autor und SZ-Kolumnisten seit langem gewohnt, Sprachspielereien, -verwechslungen und -neuschöpfungen aufgrund falschen Hörens zu lesen. Unvergessen ist „Der weiße Neger Wumbaba“, pardon, aber 2004 durfte man dieses N-Wort noch benutzen, war ja auch nur „der weiße Nebel wunderbar“ falsch verstanden. Auch der Erdbeerschorsch statt Erzbischof trug zu großem Gelächter bei den beliebten Lesungen Axel Hackes „Das Beste aus meinem Leben“ bei.
Axel Hacke bei einer Lesung im Waitzinger Keller Miesbach 2018. Foto: Petra Kurbjuhn
In seinem aktuellen Buch aber macht er falsche Sprache zum Thema des Buches. Offensichtlich hat er im Laufe der Jahre so viel Fanpost erhalten, dass er mühelos ein ganzes Buch damit füllen kann. Gemischt mit eigenen Sammlungen aus der ganzen Welt wurde daraus nun eine Reise ins Sprachland. Was passt besser in diese Zeit?
Lesetipp: Axel Hackes Best of
Sprachland nämlich erfordert kein Flugzeug, man kann es von der heimischen Couch aus erkunden und erlebt Köstliches, Bekanntes und das Ganze garniert mit Hackescher Tiefgründigkeit und Komik. Sprachland ist vom Herzeleidmeer umgeben, es gibt eine Drückerfischbucht, die wir als Schweinebucht aufgrund falscher Übersetzung kennen und hat so nette Orte wie Vergrabener Griessbrei, Müllers Darmgeheimnis oder Hundekotspender.
Axel Hacke mit Bürgermeisterin Ingrid Pongratz 2018 in Miesbach. Foto: Petra Kurbjuhn
Es ist, wie der Autor erklärt, das „einzige Land der Welt, das ausschließlich aus Sprache besteht, aus Irrtümern, Falschgehörtem, schlecht Übersetztem, aus Fehlleistungen und aus Phantasien, die sich daraus ergeben.“ Letzteres macht den eigentlichen Reiz des Buches aus, denn falsch Übersetztes hat wohl jeder Reisende in anderen Sprachländer schon erlebt, insbesondere auf Speisekarten. Eine reine Sammlung derartiger Sprachabartigkeiten wäre nett, aber auf die Dauer ermüdend.
Aberwitzige Assoziationen
Axel Hacke wäre aber nicht Axel Hacke, nähme er nicht die Wortneuschöpfungen genüsslich auseinander und ließe er nicht aberwitzige Assoziationen folgen. Damit wird die Lektüre neben der Erheiterung zu einer intellektuellen Genussreise. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn der überwiegende Teil der Sprachirrungen stammt in der Tat aus dem Bereich von Essen und Trinken.
Isolationsschläuche nach Köhlerart
Ganz leicht sei es herauszubekommen, was „Vorspeise von Reitwegen“ bedeute, schreibt er und übersetzt hin und zurück und hin und her. Und gesteht, dass Cumberlandwurstkröte sein Lieblingstier in Sprachland sei. Zur Erklärung und Ableitung dieses Sprachungetüms auf einer englischen Speisekarte benötigt der Autor eine ganze Seite, danach aber ist alles klar. Die meisten Wörter in Sprachland kommen aus mehreren Übersetzungen, so vom Italienischen ins Englische und dann ins Deutsche zustande. Dumm nämlich, wenn es Doppelbedeutungen gibt. So entstand auch das feine Gericht „Isolationsschläuche nach Köhlerart“, das wir als Spaghetti alla carbonara kennen.
Gebratener Seemann?
Es gibt aber, so muss der Autor bekennen, in Sprachland auch dunkle Seiten, so den Kannibalismus. „Kundenverzehr Vorort“, „gebratener Seemann“ oder „selbst geräucherte Jungfern“ sind Beispiele für diese gefährlichen Verirrungen.
Jeder hat sich auch schon mit unverständlichen Bedienungsanleitungen von Geräten herumgeschlagen und wird seine Freude an entsprechenden Beispielen finden, die Axel Hacke gesammelt hat. Da heißt es für das Anziehen eines Anzuges bei einer Schifffahrt: Ein Bein zur Zeit anzichen. Befestigen der Bänder an den Enkeln.“ Was aber, wenn man keine zur Hand hat?
Quantibein?
Aus der Sparte Kindermund stammt der Ausspruch: gerade und gebogene Zahlen, woran Axel Hacke eine köstliche Zahlenanalyse anhängt. Auch den Titel des Buches hat ein Dreijähriger beigesteuert, der abends kurz vor dem Einschlafen verkündete, dass der Eichelfisch sein schönstes Erlebnis im Wald gewesen sei. Nun dürfen Eltern und Lesende raten, was das ist. Sprachland, so sagt der Autor, sei nun mal ein Land, das mit unserem verwöhnten Verstand nicht zu begreifen sei.
Manchmal allerdings erlauben es auch die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht, ein Wort zu verstehen und so kommt es zu Neuschöpfungen, wie eine Leserin berichtete, die in der DDR aufwuchs und in dem Lied „Ja ja der Chiantiwein“ Quantibein verstand, denn Chiantiwein gab es halt nicht.
Obama geht übers Wasser
Aber auch der Journalismus treibt immer wieder Sprachblüten, etwa wenn es heißt „Obama geht auf Kuba zu“. Übers Wasser? fragt Axel Hacke und fügt an: Obama hätte ich es zugetraut.
Zum Schluss soll der „vergrabene Griessbrei“ aufgeklärt werden, natürlich muss es Kriegsbeil heißen, aber davon hatte der Fünfjährige noch nichts gehört. Über die Hundekotspender macht sich der Autor ausführlich lustig. Offensichtlich gebe es in dem Ort einen solchen Mangel an Hundekot, dass man selbigen an dem Automat entnehmen könne. Beamtendeutsch halt.
Reise in Gedankenwelt
Und so nimmt uns der Autor mit auf eine Reise nicht nur in ein fremdes fantastisches Land, sondern auch in die Gedankenwelt und Fantasien von Menschen, die falsch hören, falsch übersetzen oder einfach etwas nicht kennen und deshalb ein Wort neu erfinden. Er verbietet indes die Reise dahin für „Jene, die ausschließlich am Konkreten, Fassbaren, Zählbaren interessiert sind.“