Bäume und Lieder
Irene Paul vermittelt Wissenswertes über die Buche. Foto: MZ
Naturerlebnis im Landkreis Miesbach
Wer einmal Natur und Musik in der Gemeinschaft erleben möchte, ist bei den Wanderungen von Irene Paul „Bäume und Lieder“ gut aufgehoben. Herunterkommen von der Hektik des Alltags beim Miteinandergehen und Miteinandersingen und ganz nebenbei auch noch eine Menge lernen, das durfte ich erleben.
Ich gestehe, ich hatte mir gewünscht, dass es regnet, so viel Unerledigtes stapelte sich auf meinem Schreibtisch, dass ich all das lieber abgearbeitet hätte. Drei Stunden „Bäume und Lieder“, durfte ich mir das ohne schlechtes Gewissen gönnen?
Der strahlende Sonnenschein war resistent gegen meine Bedenken und meine Überzeugung, dass man Zusagen einhält, egal ob es einem gerade passt oder nicht, ließen mich also ins Auto steigen und nach Thalham fahren.
Blutbuche und Rotbuche. Foto: MZ
Irene Paul erwartete mich dort mit den anderen Teilnehmenden, die ich sämtlich von vielen anderen Veranstaltungen kannte, wir blieben also wieder einmal in der eigenen Blase. Sie erklärt uns, dass sie ebenso begeistert von Bäumen sei wie von Liedern. Seit ihrer Jugend spielt die Valleyerin mehrere Instrumente und singt. Jetzt möchte sie ihre beiden Leidenschaften mit einer Wanderung verbinden.
Lesetipp: Familientreffen im Neuen Jahr
Heute führt uns Irene Paul zu einer Buchenwanderung und erzählt uns gleich zu Beginn eine Menge Neues über die „Königin der Bäume“, wie sie sagt. Sie mache viel Schatten und vertrage viel Schatten. Sie sei ein solidarischer Baum, denn sie kümmere sich um kranke Bäume und gebe diesen Nährlösung ab. Aber sie erkenne auch Schädlinge und schicke Bitterstoffe in die Blätter und warne unterirdisch über die Wurzeln andere Bäume.
„Wisst ihr was das Oskarsyndom ist?“ Wir rätseln und es fällt uns „Die Blechtrommel“ von Günter Grass mit dem kleinen Oskar ein. Genau das ist es, die jungen Bäume stellen ihr Wachstum ein, wenn sie zu wenig Licht abbekommen. Irene zeigt uns einen Winzling, der mindestens 20 Jahre alt ist.
Ho-La-Di-Ho
Wir beginnen unsere Wanderung bei dem Betriebshof der Stadtwerke München und erklimmen einen Hügel. Das muss sein, denn unser erstes Singen steht an: Ein Jodler. Irene macht den Wechsel von Kopf- und Bruststimme vor und erklärt: „Der Jodler muss raus, traut euch!“ Voller Inbrunst versuchen wir uns im „Ho-La-Di-Ho“.
Äußerst frohgestimmt verlassen wir den Hügel und erfahren, dass die Buche der Baum des Jahres 2022 ist, dass die Rotbuche keineswegs rote, sondern grüne Blätter hat, aber die Blutbuche indes mit rotem Laub erfreut.
Die Hainbuche wiederum sei keine Buche, sondern ein Birkengewächs, berichtet unsere Führerin, weist uns auf die Besonderheiten dieses Baumes hin und verspricht eine Belohnung für denjenigen, der die erste Hainbuche entdeckt. Die Gewinnerin ist sozial und teilt den feinen Müsliriegel mit uns anderen.
Die Buche ist auch eine Nutzpflanze, lernen wir. Die Blätter könne man verfüttern und das Laub sei gut für den Boden. Aus Bucheckern kann man Öl gewinnen.
Irene Paul begleitet uns an der Gitarre. Foto: MZ
Wir wandern nun zum Zusammenfluss von Schlierach und Mangfall und singen das heitere Lied, begleitet von Irene an der Gitarre „Sie ging zum Bache, die süße, die wunderliebliche Maid.“ Die erste Scheu verfliegt langsam und alle, auch unser einziger Mann, singen lauthals mit. Wir haben ja auch keine Zuhörer, nur das rauschende Wasser.
Wasserschloss Reisach. Foto: MZ
Jetzt nähern wir uns dem Wasserschloss Reisach, an dem wir Skulpturen von TOBEL und anderen Bildhauern vorfinden. Irene Paul erklärt uns den Unterschied zwischen der Borke von Fichte und Buche, deren Stamm ganz glatt ist und an dem das Wasser herunterrinnt. Bei Gewitter Buchen suchen stimme aber nicht, auch in Buchen schlage der Blitz ein, werden wir gewarnt.
Jetzt kommt die hohe Kunst des Gesangs, ein Kanon. „So hoch in den Himmel wie ein Baum“ gelingt uns ziemlich mühelos und macht uns großes Vergnügen. Wir stehen unter einer unglaublichen Fichte wie in einer Höhle und fühlen uns geborgen.
Unter dieser Fichte muss man die Augen schließen. Foto: MZ
Das Wesen der Buche sollen wir jetzt ergründen, indem jede sich einen Baum auf einer Lichtung sucht, sich anlehnt, den Baum umarmt und sich auf die Begegnung einlässt. Wir genießen die Stille und öffnen uns für die Botschaft, die uns der Baum übermitteln will. Gitarrenklänge von Irene führen uns wieder zusammen.
Die Kraft des Baumes. Foto: MZ
Irene Paul ist fest davon überzeugt, dass die Buche Kraft, innere Stärke, Klarheit und Ordnung der Gedanken bewirken kann. „Mythologisch aber gibt sie nicht viel her“, erklärt sie uns. Aber sie hat eine Bedeutung, was den Namen betrifft. „Buchstabe kommt von der Buche“, erklärt sie. Die Druiden hätten mit Runen beschriftete Stäbe aus Buchen für ihr Orakel benutzt.
Buchenstäbe für das Orakel. Foto: MZ
Irene Paul hat ein weißes Tuch und Stäbe dabei und wirft ein Orakel. „Und jetzt müsst Ihr raunen“, fordert sie auf, was wir sehr gern tun. Ein Gedicht von Jürgen Wagner zur Buche fasst unsere neu gewonnenen Erfahrungen poetisch zusammen.
Und wir singen zum Abschluss miteinander „Ich brauch Tapetenwechsel“ von Hildegard Knef. Auch wenn es sich um eine Birke handelt, schließt das Lied einen besonderen Nachmittag harmonisch ab. Ich bin froh, dass die Sonne scheint.