Bauer unser

„Bauer unser“ – Ein Gebet, das gehört werden muss

Unser täglich Ei… Foto: www.mfa-film.de

Film-Matinee mit Diskussion in Holzkirchen

Zwei Agraringenieure sehen Robert Schabus Dokumentation „Bauer unser“ im Rahmen der „Anders Wachsen“-Reihe. Und verzweifeln beinahe an dem Versuch, die bildgewaltige, wertfreie Dokumentation über unser Landwirtschaftssystem auf das Papier zu bringen. Ein Versuch …

Die Dokumentation des österreichischen Regisseurs aus dem Jahr 2016 zeichnet anhand von Interviews mit Landwirten, Vertretern von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ein aktuelles Porträt der europäischen Landwirtschaft. Obwohl wir vom Fach sind, fällt es extrem schwer, die Essenz aus dem, was wir gesehen haben zu formulieren.

Wir schwimmen in diesem riesigen Thema, welches sich vom winzigen Biohof im ländlichen Österreich bis hin zur EU-Kommission in Brüssel zieht. Dazwischen wabern die Bilder der Schlachthäuser, der unterschiedlichen Hochleistungsbetriebe, der 1.300 Mastschweine und 65.000 Legehühner, der handvoll Schafe, von Hand gemolken, die Aussagen von Politik, Wirtschaft und die Schicksale der porträtierten Landwirte.

Bauer unser
Schlachthöfe für unser täglich Fleisch. Foto: www.mfa-film.de

Jeder wird (an-)gehört

Der Zuschauer wird all diesen Informationen und Meinungen ausgesetzt und sitzt letztendlich fast sprachlos vor dem Werk. Vermutlich will der Regisseur aber genau das erreichen, indem er alle Schauspieler der großen, landwirtschaftlichen Bühne absolut wertfrei zu Wort kommen lässt. Großbauern, Biobauern, Genossenschaftsvorstände, den Handel, die Politik, NGOs.

Drei Kernaussagen über unser landwirtschaftliches System

Zurück zu den beiden Agraringenieuren und Autoren: Anstatt uns in Zahlen und Statistiken zu verlieren, konzentrieren wir uns auf drei Kernaussagen, welche aus unserer Sicht beschreiben, warum die heutige (EU-) Landwirtschaft in großen Teilen so lebewesenverachtend ist.

„Wir brauchen billige Lebensmittel, damit die Konsumwirtschaft weiter existiert und wächst“

Erstens: Da ist Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Für Haerlin ist unser Wirtschaftssystem ein zentraler Punkt unserer „Misere“: das System von heute habe nämlich das Ziel, die Menschen zum Konsum von Luxusgütern zu bewegen, um Wirtschaft und Wachstum aufrecht zu erhalten. Und damit das gewährleistet ist, müssen die Grundbedürfnisse, in diesem Fall unsere Ernährung, möglichst kostengünstig befriedigt werden.

„Artgerechte Tierhaltung im Sinne des Gesetzgebers“

Zweitens: Es gibt eine Szene im Film, indem ein Landwirt die Kamera in seinen Stall für 65.000 Legehennen führt. Noch ist der Raum steril und leer. Ein langer Gang, rechts und links in verschiedenen Höhen angebracht die Legenester, Futterstationen, ein Kotband, welches die Hinterlassenschaften der Tiere alle drei bis vier Tage nach draußen befördert, Edelstahl und Kunststoff, wohin das Auge reicht. Die Tiere können sich frei bewegen, quasi tun und lassen was sie wollen.

Stall mit Bewohnern

Dann, ein paar Einstellungen später, der gleiche Stall. Diesmal mit Bewohnern. Hühner. Am Boden. In den Nestern. Auf den Stangen. Künstliches Licht. Dies sei „artgerechte Tierhaltung, wie es der Gesetzgeber fordert“, erklärt der Landwirt. Zusammen mit dem gerade Gesehenen klingt diese Aussage drastisch, fast höhnisch.

Bauer unser
Artgerechte Hühnerhaltung laut Gesetzgeber. Foto: www.mfa-film.de

Europa versorgt die Welt mit seinen landwirtschaftlichen Produkten

Drittens: Das Interview mit Phil Hogan, EU-Kommissar für Handel. Hogan bestätigt den Weg, den die Politik, also der oben genannte Gesetzgeber, hier auf höchster Ebene einschlägt: so freut sich der Kommissar im Film sichtlich über die 150 Millionen Afrikaner, die die EU in Zukunft als Konsumenten bedienen wird. Dank unserer landwirtschaftlichen Überschüsse. Und auch der vietnamesische und asiatische Markt will erobert werden. „If we are smart enough“, schließt Hogan lächelnd.

Erinnerungen aus Studium und Praxis

Als Agraringenieure haben wir die heutige, europäische Landwirtschaft zum großen Teil genau so kennengelernt, wie es Schabus zeigt. Die kleine, wie die große. Es hätten unsere Mitstudenten sein können, die nach dem Fachhochschulabschluss vor ihrem elterlichen Betrieb und der – in der Universität immer wieder gepredigten – Entscheidung standen „Wachsen oder Weichen“. Und es hätte auch einer unserer Professoren sein können, der, wie im Film, Skripte und Folien der Futtermittelhersteller eins zu eins übernimmt und somit Handlanger und Sprachrohr der Industrie wird. Das Geflecht aus Politik, Wirtschaft und Industrie scheint mächtig und erdrückend zu sein. Fast übermächtig.

Der Konsument allein kann es nicht richten

Das Gefühl Hoffnung schleicht sich bei Schabus Dokumentation „Bauer unser“ nur selten ein: beim jungen Gemüsebauer und seiner solidarischen Landwirtschaft zum Beispiel, die den Eindruck hinterlässt, dass es doch anders geht. Hier und Jetzt. Aber, um im Großen eine Veränderung hervorzurufen, wird das nicht reichen. Die politischen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Ziele müssen andere sein.

Bauer unser
Ein junger Gemüsebauer macht Hoffnung. Foto: www.mfa-film.de

Schabus unpathetisches, informatives und umfassendes Werk „Bauer unser“ ließ uns zunächst sprachlos zurück. Auch der Rest des Publikums im beinahe ausverkauften Kino fühlt scheinbar ähnlich, denn eine richtige Diskussionsrunde kam im Anschluss an den Film nicht auf.

Christof Langer
Christof Langer im Anschluss des Films „Bauer Unser“, Foto: Sebastian Urmel Saurle

Christof Langer vom Katholischen Bildungswerk Miesbach nahm dies zur Kenntnis, wies dafür aber noch in einer Anekdote auf eine hoffnungsvolle landwirtschaftliche Initiative in der Region hin: Das Biotop Oberland in Lenggries.

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Die nächste Filmmatinee im Rahmen von „Anders wachsen“ findet am 16. Februar um 11 Uhr im FoolsKINO statt. Es läuft der Film: „Zeit für Utopien“, die anschließende Diskussion moderiert Petra Wähning.

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