Baukultur

Transformiert das Dorf!

Kulturbrückengründer Peter Coreth läutet den Kultursommer 2024 ein. Foto: MZ

Thementag in Fratres, Niederösterreich

Mit einem überregional spannenden Thema eröffnete die Kulturbrücke Fratres am vergangenen Samstag ihr Sommerprogramm. Architekt Benjamin Altrichter beleuchtete Baukultur in ländlichen Räumen aus verschiedenen Blickwinkeln.

Nur einen Tag nach der Geburtstagsfeier von KulturVision, bei der die wertvolle Partnerschaft zur Kulturbrücke Fratres betont wurde, kam hier ein Thema zur Sprache, das ebenso für den Landkreis Miesbach relevant ist.


Baukultur Alpenvorland Klausur Weyarn. Foto: HR ©Arge-Baukultur-konkret

Der Tagesverantwortliche Benjamin Altrichter ist Vorstand des Vereins Landluft, unter dessen Ägide 2020 bis 2022 das LEADER-Projekt Baukulturregion Alpenvorland mit den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach und Rosenheim lief und das eine gemeinsame Baukulturstrategie für die Region entwickelte.

Baukultur
Programm 2024. Foto: MZ

In Fratres gab er einen Überblick über die Aspekte der Baukultur im ländlichen Raum, die an verschiedene Gegebenheiten gebunden ist, wie Landwirtschaft, Erholung, Geologie oder Standort. Und das alles sei ein Teufelskreis. Letztlich geht es dabei um die Frage „Wie wohnen wir?“

Baukultur habe den Anspruch, einen schönen gebauten Raum zu schaffen, wobei schön, so Benjamin Altrichter, nicht eine Frage des Geschmacks sei, dafür gebe es feste Richtlinien wie den Goldenen Schnitt, sondern es sei die Aufgabe, das Leben zu verbessern.

Baukultur
Architekt Benjamin Altrichter. Foto: MZ

Ein praktisches Beispiel dafür lieferte ein Projekt aus der benachbarten Renaissancestadt Slavonice in Tschechien. Dort hat der engagierte Restaurator und Stuckateur Petr Chadim 1992 eine einzigartige Einrichtung geschaffen, um alte Handwerkstechniken bei der fachgerechten Pflege von Häusern, Plätzen und Denkmälern einzusetzen.


Petr Chadim und Tochter Petra. Foto: MZ

Dazu baute er eine stillgelegte Brauerei zu einer Stavební huť (deutsch Bauhütte) um, in der heute alle alten Gewerke gelehrt und angewendet werden, vom Brennen von Ziegelsteinen bis hin zu einer Schmiede im Freien. Sascha Stiptits vom Centre for the Future & Institut Slavonice stellte das Unternehmen vor und leitete die lebhafte Diskussion mit Petr Chadim und seiner Tochter Petra als Übersetzerin.


Sascha Stiptits. Foto: Hannes Reisinger

Ob Kirche oder Synagoge, ob ein barockes Wandertheater oder eine historische Straßenfassade, der Bau und Handwerksbetrieb in Slavonice macht als erstes eine Bestandsaufnahme und erarbeitet dann das Projekt unter Zuhilfenahme originaler Techniken und Werkzeuge. „Wir schätzen die Arbeit unserer Vorfahren und wollen sie bewahren“, ist die Philosophie von Petr Chadim und seiner Mitstreiter.

Geringschätzung der Baukultur führt zu Verringerung der Lebensqualität

Benjamin Altrichter fasste danach die Gestaltung im ländlichen Raum zusammen und zeigte aktuelle Entwicklungen auf, wie Verbauung, falsche Proportionen, Monofunktionalität, technische Errungenschaften, Farbe, Sichtschutz und resümierte: „Eine Geringschätzung der Baukultur führt zur Verringerung der Lebensqualität.“ Ob das Einfamilienhaus wirklich das Nonplusultra sei, fragte er und rief dazu auf, Flächen zu schonen.

Lesetipp: Gemeinsam statt einsam

Bei einem Spaziergang durch Fratres wurden die Thesen der Veranstaltung praktisch nachvollzogen. Hier gab es genügend Beispiele für gelungene und weniger gelungene Bauten.


Spaziergang durch Fratres. Foto: Hannes Reisinger

Im intensiven Austausch konnten die zahlreichen Besucher den Aufruf von Thomas Andreas Beck „Schauts hi“ nachvollziehen. Der Wiener Liedermacher und Dichter umrahmte die Veranstaltungen mit Liedern und Gedichten. Sehr passend: „Solange meine Hecke blickdicht ist, stören mich die Blicke nicht.“


Dichter und Liedermacher Thomas Andreas Beck. Foto: MZ

Im anschließenden Film „Stadt Land Boden“ von Landluft e.V. gab es Beispiele von positiven Baukulturprojekten. Diese, so hieß es, sollten eine Aufbruchstimmung auslösen, so dass die Menschen ins Tun kommen.

Der nächste Thementag der Kulturbrücke Fratres findet am 6. Juli um 15 Uhr zum Thema „Prozess und Verwandlung – Kafkas rätselhafte Textwelten“ statt.

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