Bernd Göbel zum 75. Geburtstag
Bildhauer, Politiker, Hochschullehrer, Romantiker, Denkmalpfleger Bernd Göbel. Foto: Petra Kurbjuhn
Morgen wird Bernd Göbel 75 Jahre alt. „Little big man“ nannten seine Studenten ihren Professor, Leiter der Bildhauerklasse an der Burg Giebichenstein in Halle. Dem großen Künstler widmet das Stadtachiv Halle eine Ausstellung, in einer Veranstaltung wurde sein Werk gewürdigt und KulturVision e.V. war dabei.
Ehrensache, denn uns verbindet eine Menge seit der 11. Ausgabe der KulturBegegnungen, in der wir aus Anlass „20 Jahre Mauerfall“ neben Künstlern aus dem Landkreis auch Kulturschaffende aus den neuen Bundesländern vorstellten. Auf Seite 3: Besuch im Atelier, Bernd Göbel. Daran schloss sich auf Einladung von KulturVision eine große Werkausstellung im Alten Schalthaus des E-Werkes in Tegernsee an, die großen Zuspruch fand.
Dreieck Sachsen-Anhalt – Bayern – Niederösterreich
Später luden wir zwei seiner Schüler, Marcus Golter und Steffen Ahrens ein, sie zeigten ihre Skulpturen, ergänzt durch Beispiele des grafischen Werkes ihres Lehrers. Und letztlich machten wir das Dreieck Bayern – Sachsen-Anhalt – Niederösterreich komplett, indem wir Bernd Göbel zum Thementag von KulturVision in der Kulturbrücke Fratres einluden. Unter dem Titel „Kunst und Naturwissenschaft“ zeigte der Bildhauer insbesondere seine großartige Ikarusserie.
Bernd Göbel: Fayencen: Drei in einem, Wirrer Kopf, Bastion. Foto: Petra Kurbjuhn
Nach dem Ausscheiden aus dem Lehramt an der „Burg“ hat sich Bernd Göbel keineswegs aus seiner künstlerischen Arbeit verabschiedet, im Gegenteil, jetzt, befreit von administrativer Arbeit, geht er wieder einmal neue Wege. Zur Bronze ist die Fayence hinzugekommen, zudem widmet sich der Künstler intensiv Medaillen und dem Holzschnitt. Aus seinem jüngeren Schaffen sind im Stadtarchiv Beispiele zu allen Techniken vertreten. Gemeinsam ist ihnen der kritische, aber auch satirische Blick des Künstlers.
Bernd Göbel: Wesen. Foto: Petra Kurbjuhn
Insbesondere den Grafiker Bernd Göbel würdigte Kunsthistoriker Joachim Penzel in seiner umfassenden und zugleich spannenden Laudatio. Göbel habe sich als Holzschneider eine eigene Bildsprache erabeitet, eine Bildsprache, die allegorisch und doppeldeutig politische Themen behandle, sagte Penzel. So seine Arbeiten zur Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976.
Auch sein Blatt „Bankett“ ist eine deutliche Kritik und zugleich Bloßstellung, denn den alten Männern, die die Macht haben, werden die Hosen herunter gelassen. Eine berührende Arbeit ist die „Frühstückspause“. Zwei Traktoristen an der deutsch-deutschen Grenze, der eine gut versorgt, der andere weniger gut, wie eine Theaterinszenierung, diese absurde Szenerie.
Bernd Göbel: Bankett. Foto: Petra Kurbjuhn
Bernd Göbel habe es immer verstanden, die Gesellschaft, die Politik, aber auch die tabuisierte Umweltzerstörung in der DDR mit seiner Kunst zu reflektieren, bis zuletzt, bis zum Jahre 1989, als er im Frühjahr bereits, also Monate vor dem Mauerfall, die neue Bewegung auf den Punkt gebracht habe, sagte Penzel. Und natürlich biete auch die Wende genügend Stoff für die künstlerische Arbeit.
Allegorische Gesellschaftskritik
Wie die Menschen ihre Vergangenheit hinter sich lassen, wie um neue Positionen gekämpft werde, das alles bringt der Künstler durch seine allegorische Gesellschaftskritik zum Ausdruck. Anrührende, erschütternde, zum Nachdenken anregende Holzschnitte seien das, konstatierte der Kunsthistoriker. Zu dem sozialen Ich von Bernd Göbel geselle sich sein idyllisches Ich, sichtbar in seinen Landschaften, die seine Verbundenheit zur Natur zeige.
Bernd Göbel und Joachim Penzel. Foto: Petra Kurbjuhn
Im Gespräch mit dem Bildhauer stellte anschließend Joachim Penzel die im Sommer erschienene Autobiografie Bernd Göbels vor. Diese Lebensrefelexion sei Literatur, würdigte Penzel und bewies das durch Zitieren einiger Sequenzen. So die Geschichte des im Haus der Großeltern versteckten Hitlerattentäters oder die bös hätte ausgehen könnende Verrücktheit beim Ernteeinsatz, als einige Studenten Gewehre entdeckten und bierselig das Bild von Walter Ulbricht zerschossen. „Das war unanständig, so etwas macht man nicht“, sagte Bernd Göbel. Ein Parteisekretär habe sich für sie eingesetzt, so dass sie mit ein paar Nachtschichten davonkamen.
Bernd Göbel: Reliefplatte Martin Luther. Foto: Petra Kurbjuhn
Viel später, nach der Wende, diese unfassbare Geschichte mit dem Brecht-Denkmal in Dessau. Ein Investor, der gegenüber ein Kaufhaus bauen wollte, verfügte, dass die Skulptur weg müsse, denn Brecht sei ja wohl Kommunist gewesen. „So etwas muss man ertragen“, stellte der Künstler gelassen fest, lieferte aber einen Geniestreich, indem er einem beauftragten Kurt Weill-Denkmal den entfernten Brecht hinzugesellte, in die Mitte platzierte er eine Kugel, die die Dreigroschenoper symbolisieren soll.
„Das war Landbesetzung“
Scharfe Worte fand der Künstler für die Kulturpolitik des Westens nach der Wende: „Das war Landbesetzung.“ Die Burg Giebichenstein hätte eine Computerfirma übernehmen sollen. Aber man habe gekämpft. „Wir wollten Altes bewahren und mit dem Neuen vermischen“, sagte er. „Wir wollten die Vereinigung zu einer Bereicherung machen.“ Aber die Auseinandersetzung mit der neuen Macht, dem Geld nämlich, sei das Problem.
Und so hat Bernd Göbel noch viel zu tun, viel allegorisch aufzubereiten und uns zum Nachdenken anzuregen. Auch in den Landkreis Miesbach wird er wieder einmal kommen mit seinen Werken, wir freuen uns auf ihn, den „Bildhauer, Romantiker, Politiker, Denkmalpfleger und Hochschullehrer“ wie Joachim Penzel zusammenfasste.
Cover Bernd Göbel: Verschiedenes Hell, ein Bildhauer in Deutschland