Besuchszeit
„Die Verbrecherin“ – Beziehung am Ende. Gabi und Wolfgang Neuner. Foto: Marc Tügel
Theater in Valley
Stürmischer Applaus nach der Premiere des neuen Programms der „Schloßbergler Valley“. Mit den Einaktern „Verbrecherin“ und „Weizen auf der Autobahn“ des Tiroler Autors Felix Mitterer sowie „Im Bioladen“ von Herbert Rosendorfer zeigt die Truppe einmal mehr, dass sie dem Niveau des Laienspiels längst entwachsen ist.
Drei Zwei-Personen-Stücke, die scheinbar überhaupt nicht zusammenpassen: Die beiden Mitterer-Einakter „Verbrecherin“ und „Weizen auf der Autobahn“ sind hochdramatisch und schildern in anrührenden Szenen, wie Beziehungen zerbrechen und die Menschen, die diesen Prozess nicht aufhalten können (oder wollen?) daran zugrunde gehen. Die Rosendorfer-Clowneske „Im Bioladen“ beinhaltet dagegen einen Dialog zwischen Kundin und Verkäufer, der nach bester Valentin-Manier immer weiter ins Absurde abgleitet. Verträgt sich das miteinander? Erstaunlicherweise ja, denn Rosendorfer kommt mit ganz anderen Mitteln zu dem selben Schluss: Wenn ein Partner (in diesem Fall der Verkäufer) nur seinen Vorteil im Blick hat und nicht im geringsten bemüht ist, eine Beziehung aufzubauen, bleibt der andere (die Kundin, die ein gesünderes Leben führen möchte) ratlos zurück.
Frau sitzt in Haft
Am Anfang: die „Verbrecherin“. Das Bühnenbild zeigt den spartanisch eingerichteten Besucherraum eines Gefängnisses, die blinkende, alles beobachtende Überwachungskamera signalisiert, dass hier nichts Intimes geschehen wird. Nach den ersten Sätzen der beiden Protagonisten (Gabi und Wolfgang Neuner) wird schnell klar, was passiert ist: Die Frau sitzt in Haft, weil sie mit dem Messer auf ihren Mann eingestochen hat. Dieser kommt nun zu Besuch, um ihr die Scheidungspapiere zu bringen, er will mit den Kindern zu seiner Mutter ziehen.
Inhaltslosigkeit des Lebens
Juristisch ist die Schuldfrage eindeutig geklärt, aber der Zuschauer kommt kaum umhin, Partei für die Frau zu ergreifen als sie dem Ehemann ihre Sicht der Dinge erklärt. Seine Gefühle für sie sind längst erkaltet und auch die Kinder gehen überwiegend eigene Wege. So hatte sie als Frau nur noch zu funktionieren, pünktlich das Essen auf den Tisch zu stellen und keinerlei Anspruch auf Zuwendung. „Geschlafen hast Du nur noch mit mir, wenn Du besoffen warst“, reflektiert sie. Die völlige Inhaltslosigkeit ihres Lebens führte letztlich dazu, dass sie, als es wieder einmal Streit um das Abendessen gab, völlig ausrastete und auf den Mann einstach. Nun kann er seiner Selbstgefälligkeit freien Lauf lassen, ergeht sich in Selbstmitleid, weil das Leben ohne ihre Dienstleistung komplizierter geworden ist, lebt aber weiter in der Überzeugung, dass er nichts falsch gemacht hat. Er verabschiedet sich auf Nimmerwiedersehen und sie bleibt mit ihren Selbstvorwürfen und einem zerstörten Leben zurück. Einziger kleiner Lichtblick: Die Kinder haben angekündigt, sie besuchen zu wollen.
Kurze Pause, dann öffnet sich der Vorhang erneut und die Bühne hat sich in einen typischen Öko-Laden verwandelt. Dass es jetzt klamaukig zugeht, verrät schon ein Schild am Regal: „Bio-Kondome – ungespritzt“. Eine Kundin (Kordula Killer) betritt den Laden, sie hat sich spontan entschlossen, in Zukunft gesund zu leben. Der Verkäufer (Sepp Weindl), äußerlich mit allen Attributen der alternativen Lebensweise ausgestattet, wittert Umsatz und bestärkt sie in ihrem Vorhaben. Daraus entwickelt sich eine absurde Diskussion, in der es zum Beispiel darum geht, ob Vegetarier Gazellenfleisch essen dürfen, weil eine Gazelle doch nur Gras gefressen habe. Zum Schluss bezahlt die Kundin für ihre dürftigen Einkäufe eine horrende Rechnung, verlässt den Laden – und der Verkäufer widmet sich mit Genuss einer Leberkässemmel. Verlogene Welt!
„Weizen auf der Autobahn“ – Flucht in den Wahnsinn. Gabi und Wolfgang Neuner. Foto: Marc Tügel
Nochmal ein radikaler Szenenwechsel. Eine Tochter besucht ihren Vater im Irrenhaus (es spielt wieder das Ehepaar Neuner), er weigert sich zunächst, sie zu erkennen. Die vorausgegangene Geschichte, die sich aus dem aggressiven Dialog zwischen den beiden ergibt, ist herzzerreißend: Kaum hatte der Bauer seinen Hof an Tochter und Schwiegersohn übergeben, da wandeln die beiden das Haus, in dem viele Generationen der Familie groß geworden sind, in ein Hotel um, der liebevoll gepflegte Gemüsegarten wird planiert und zum Parkplatz und auf den ehemaligen Feldern entsteht in nächster Nähe ein Stück Autobahn. Der Vater wehrt sich unrational gegen diesen Ausverkauf seiner Lebensgrundlage, pflügt die frisch angelegte Autobahnauffahrt um, streut Weizensaat auf die betonierte Fahrbahn und landet darauf prompt in der Nervenheilanstalt. Nun bietet ihm die Tochter mit schlechtem Gewissen an, ihn dort herauszuholen, er könne den Rest seines Lebens weitab von dem Neubau auf einer Hütte verbringen. Aber der Bauer weigert sich, in diese schreckliche Realität zurückzukehren. Er zieht sich immer weiter in seinen Wahnsinn zurück und bedroht die Tochter, bis diese entnervt den Raum verlässt.
Spannung gehalten
Mit jeweils nur zwei Personen auf der Bühne, einer bewusst spartanischen Ausstattung und dem Verzicht auf jegliche Effekthascherei ist es für die Laiendarsteller eine gewaltige Herausforderung, in den anspruchsvollen Stücken über die gesamte Distanz die Spannung zu halten. Dass man im Publikum von der ersten bis zur letzten Minute die sprichwörtliche Stecknadel hätte fallen hören können, zeugte ebenso vom Gelingen, wie der lang anhaltende Applaus nach jedem der drei Einakter. Hut ab!!!
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