Bildhauer

Eine Lunge zum Jubiläum

Alle Bildhauerinnen und Bildhauer mit den Unterstützern von Kunstdünger vereint. Foto: Philipp Ziegler

Finissage des Internationalen Skulpturen-Festivals

Auf der Skulpturen-Lichtung im Mangfalltal bei Hohendilching haben Bildhauer aus der ganzen Welt ihre Werke hinterlassen. Nach dem zehnten Skulpturen-Festival, das am 23. Juli zu Ende ging, sind dort nun sechs Neuzugänge zu bewundern, die sich engagiert mit aktuellen Themen wie Covid, Krieg und Umweltzerstörung auseinandersetzen.

TOBEL, das klingt ein bisschen wie Schweizer Schokolade. Der Mann, der diesen Künstlernamen trägt, hat damit zumindest eines damit gemeinsam: viele, viele Freunde auf der ganzen Welt. Ein paar von ihnen lädt er jedes Jahr in seinen Heimatort Hohendilching ein, wo die Mangfall durch herrlich unverfälschte Natur fließt. Die Männer und Frauen, die dort zusammenkommen, sind allesamt Künstler mit Schwerpunkt Bildhauerei und schaffen während des zwei Wochen dauernden Symposions Skulpturen aus Granit, Marmor, Sandstein, Holz und anderen Naturmaterialien, die zumindest für ein paar Jahre dort im Wald verbleiben und für die Gemeinde zu einer wahren Touristenattraktion geworden sind.

Zehn Jahre Bildhauer-Symposium

Mit minimalen Zuschüssen der öffentlichen Hand, ein paar freundlichen Sponsoren und begeisterten Besuchern, die von Jahr zu Jahr mehr werden, konnten TOBEL, seine Frau Christiane Ahlhelm und eine Hand voll Helfer, die meisten im Kulturverein „Kunstdünger“ organisiert, dieses Jahr das zehnte Jubiläum feiern. Sechs Künstler aus Nah und Fern haben in diesem Jahr die Skulpturenlichtung mit neuen Werken bereichert und dabei in überraschender Vielfalt auf aktuelle Themen unserer Zeit reagiert, drei von ihnen sind als Tribut an das Jubiläum schon zum zweiten Mal. dabei.

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Bildhauer
Tobel, der Initiator des Festivals, erklärt seine neue Plastik „Balance“. Foto: Marc Tügel

Gastgeber TOBEL hat als Festivalbeitrag einen gut mannshohen Granit geschaffen, der in seiner harmonischen Form den Titel „Balance“ trägt. Die Herausforderungen der Covid-Zeit (und sicher auch der Vorbereitungsstress des Festivals) haben ihm, so erklärte er dazu, bewusst gemacht, wie wichtig der harmonische Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit, Leistungsbereitschaft und Ruhe für jeden einzelnen von uns ist. Der Stein, dessen Betrachtung zu Meditation und innerer Einkehr animiert, ist seine Antwort darauf.


Roxana Usnayo Quelca antwortet mit einer Lunge aus Granit auf die Covid-Pandemie. Foto: Marc Tügel

Corona ist auch für Roxana Usnayo Quelca das beherrschende Thema, dem sie ihre Arbeit gewidmet hat. Die Bolivianerin, die zu dem Festival eigens aus La Paz angereist war, hat aus dem gewaltigen Granitblock in zwei Wochen langer Schwerarbeit eine gut erkennbare menschliche Lunge herausgeschlagen. „Covid hat uns bewusst gemacht, wie wichtig dieses Organ ist, das uns mit der Atemluft versorgt. Die Schädigung der Lunge durch Corona trifft uns an sensibelster Stelle. Ich hoffe, dass wir diese Pandemie bald hinter uns lassen können!“


Saeid Ahmadi (links mit Tochter Gloria) arbeitet an der Holzplastik „Der letzte Reiter“. Foto: Marc Tügel

Über Saeid Ahmadi hat Kulturvision erst kürzlich auf dieser Seite ausführlich berichtet: Der gebürtige Iraner musste schon vor langer Zeit seine Heimat verlassen und hatte sich in der Ukraine niedergelassen, damals nahm er zum ersten Mal am Skulpturenfestival teil. Nun, zu Beginn des Krieges, musste er samt seiner Familie ein zweites Mal fliehen und fand dank der Initiative von TOBEL, dessen Familie und vielen Spendern Hilfe und Unterkunft in Holzkirchen – da lag es auf der Hand, ihn noch einmal zur Teilnahme einzuladen. Voller Idealismus begann er eine Holzplastik mit dem Titel „Der letzte Reiter“, einer allegorischen Figur, die den Krieg hinter sich lässt und von einer besseren Zukunft träumt. In grober Form konnten die Besucher der Finissage die Plastik bewundern, sie soll in den nächsten zwei Monaten fertiggestellt werden.


Sibylle Kobus hat nach Insektenart filigrane Baumnester geschaffen. Foto: Marc Tügel

Sibylle Kobus hat mit Sicherheit die zartesten Kunstwerke geschaffen, die derzeit auf der Skulpturen-Lichtung zu finden sind: feingesponnene Nester aus Gräsern und dünnen Ästen, mit Lehm verklebt, in der Bautechnik den Insekten nachempfunden und zwischen den Ästen eines Baumes verankert. Bewusst nimmt sie in Kauf, dass ein Hagelschauer oder ein Herbststurm reichen wird, um ihre sensiblen Kreationen zu zerstören. Demut vor der Schöpfung und das Bewusstsein der Vergänglichkeit sind die Aussagen ihrer sensiblen Kunst.


Josef Pleier zeigt wissenschaftlich fundiert die Verteilung von Galaxien im All. Foto: Marc Tügel

Größer könnte der Kontrast zur Intimität der Kobus-Nester nicht sein: Josef Pleier, fasziniert von den Forschungen und Ergebnissen der Astrophysik, hat verfolgt, wie Wissenschaftler die Entfernung und Anordnung von Galaxien in der Unendlichkeit des Alls messen und bestimmen. Die Anordnung von Bohrlöchern auf seinem hohen Granitblock ist nicht zufällig, sondern entspricht dem kosmischen Original. „Schon vor Urzeiten haben Menschen die Beschaffenheit des Universums auf Steinen festgehalten – ich will diese Tradition in modernster Form fortsetzen“, erklärt der Allgäuer dazu.


Alessandro Canu erinnert mit seiner steinernen Bienenwabe an die Zerstörung von Lebensräumen. Foto: Marc Tügel

Großes Format für kleine Tiere: Schon auf den ersten Blick erkennt man, für wen Alessandro Canu eine Lanze bricht – die sechseckigen Waben, die er in Stein gehauen hat, entsprechen genau dem Muster, das Bienen seit Jahrtausenden anlegen. Aus Granit gefertigt mögen sie mindestens ein paar Jahrhunderte halten, tatsächlich aber arbeitet der Mensch daran, den fleißigen Honigsammlern immer mehr von ihrem Lebensraum und ihren Nahrungsquellen wegzunehmen. „Wir können nur kleine Dinge schaffen“, bemerkt der Künstler bescheiden dazu, „aber wenn viele Menschen beginnen, darüber nachzudenken, dass wir der Natur ihren Raum lassen müssen, dann können wir auch mit kleinen Dingen großes schaffen.“

Die großen und kleinen Werke im Mangfalltal, sie verdienen durchweg, dass viele Kunstinteressierte sie besuchen und den Denkanstößen folgen, die von den Künstlern in den zwei Wochen des Skulpturenfestivals hart erarbeitet worden sind.

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