Toleranz ist gut, aber bitte nicht in der eigenen Familie

Theater in Holzkirchen

Zu seinem ersten Gastspiel war das Theater „Das Baumann“ im Foolstheater mit seinem seit Jahren erfolgreichen Stück, das Rüdiger Baumann selbst geschrieben hat. Nachdem das Foolsensemble mit „Norway today“ in Kulmbach gastierte, erfolgte jetzt der Gegenbesuch. Und das Publikum war begeistert. Kein Wunder, die Familie Baumann, die Familie Meier spielt, überzeugte mit Stück, schauspielerischem und akrobatischem Können.

Es dauert einige Minuten, bis sich der Zuschauer auskennt. Eine genervte, ständig an ihrem Smartphone daddelnde Mutter (Birgit Baumann) und eine freundlich-empathische Tochter (Lisa Baumann) warten in einem undefinierbaren Raum auf den Vater, der „natürlich wieder viel zu spät kommt“. Derweil entwickelt sich ein typischer Mutter-Tochter-Dialog, wo die Mutter das Beste will, aber eigentlich gar nicht richtig weiß, was die Tochter da tut. „Ich denke, du bist Ärztin, wann machst du deine eigene Praxis auf?“ „Mama, ich bin in der Facharztausbildung.“

Care for Career

Langsam dämmert dann dem Zuschauer, dass die beiden Frauen in einem Beerdigungsinstitut sitzen und die Bestattung der Oma planen, die daselbst als Putzfrau gearbeitet hat. Jede der beiden Frauen spricht, jede für sich, ein typischer Kommunikationsvorgang unter Frauen. Birgit Baumann stellt sich, die Kostümjacke straff ziehend, immer wieder als erfolgreiche Lildi-Filialleiterin an die Rampe, spricht von Beschwerdemanagment und Care for Career. Sie genießt offensichtlich ihre Rolle, denn jahrelang wurde sie von Ehemann Siegfried klein gehalten.

Endlich kommt er und wird nunmehr von seiner Exfrau klein gemacht. Rüdiger Baumann ist umwerfend gut als fränkisch parlierender Versager. Die kommt allerdings sehr zögerlich zutage, denn Siegfried versteht es, Affären, Autounfall, Kündigung, Hinauswurf bei der Freundin zu vertuschen. Und er spielt zunächst urkomisch, da gestellt, den mit gefalteten Händen dasitzenden Trauernden. Als es aber daran geht, aus dem Katalog Sarg und Anzeige herauszusuchen, bestimmen die Kosten die Entscheidung. „Die Mama war immer bescheiden.“

Finger in offene Wunde

Stück, Inszenierung und Schauspieler legen immer wieder den Finger in offene Wunden. Stammtischparolen ebenso wie Verhaltensweisen bei jedem von uns werden überhöht und so ins Lächerliche gezogen, dass der Zuschauer sich erkennt, über sich lacht und vermutlich mit einigem Nachdenken nach Hause geht.

Da geht es um Ossis, die meistens Maik heißen, um den „Neger“ aus Namibia, um den katholischen Mohammedaner, der keinen Leberkäs isst. Toleranz ist gut, aber bitte nicht in der eigenen Familie. Es geht um die Verlogenheit so mancher Unternehmen, in denen Mitarbeiter konsequent optimiert werden, „nur positiv“, es geht um Vorwürfe, falsche Erziehung und vieles andere.

Nur gut, dass sich Papa Siegfried und Mutti, Mama, Gudrun in einem einig sind: Tochter Fränzi und ein „Neger“, das geht gar nicht, das schadet der Karriere und was sollen die Kollegen sagen. Und nur gut, dass die verstorbene Oma alles bereits geregelt hat für ihre Beerdigung, denn die Eheleute Meier müssen noch einen Paukenschlag verkraften.

www.kultur-im-oberbraeu.de

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