Nichts tun und die Welt retten
Im Liegestuhl nichts tun. Foto: Monika Ziegler
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
in diesem Jahr möchte ich Ihnen ein Buch in die Sommerferien mitgeben. Es ist ein provakanter und hinreißend komischer Aufruf zum Nichtstun. Björn Kern behauptet „Das Beste was wir tun können ist nichts“. Damit kann man die Welt retten.
Ganz so ernst wie es der Titel verspricht, meint es denn der Autor doch nicht. Ein bisschen Tun kann und muss sein, aber auf keinen Fall sollte man überflüssige Dinge tun. Nach Tunesien an den Strand fliegen, wo es doch unter dem heimischen Birnbaum viel schöner ist. Unnütze Dinge kaufen, die mühsam in Betrieb genommen, gewartet, repariert werden müssen. Und eigentlich braucht man sie nicht. Das neueste Superhandy kaufen, wo es das alte doch auch noch tut.
Am meisten wieder gefunden habe ich mich in der Passage, wo der Autor beschreibt, wie er in seinem neu erworbenen, aber etwas herunter gekommenen Hof im Oderbruch in wildem Aktionismus die Fußböden herausreißt, um dann festzustellen, dass die darunter liegenden Dielen löchrig und marode sind. Alles für die Katz.
Seinen Lehrmeister findet Björn Kern in seinem märkischen Nachbarn, namenlos. Der übt sich nicht im Nichtstun, aber was er tut, das hat Hand und Fuß. Der sammelt beispielsweise alles, was man irgendwann noch einmal brauchen könnte, um ja nichts neu kaufen zu müssen. Er zeigt ihm auch wie man Kartoffeln anhäufelt und wie man mit der Sense umgeht.
Hommage an eine Waldviertler Bäuerin
Auch ich habe eine solche Lehrmeisterin gehabt. Meine Waldviertler Nachbarin habe ich nie beim Nichtstun gesehen, sie war immer entweder auf dem Feld und hat Getreidehalme zusammen gerecht oder sie saß im Hof und putzte Fisolen (grüne Bohnen), bis kurz vor ihrem Tod. Das war sehr nützlich. Sie hat auch nicht durch überflüssige Einkäufe, zum Beispiel von Billigtextilien Kinderarbeit gefördert und die Umwelt belastet, ihr reichte die alte blaue Kittelschürze und das Kopftuch. Das war nicht herber Verzicht, sondern Genügsamkeit, sie war zufrieden mit ihrem Leben.
Geldverdienen mit Nichts tun
Björn Kern weiß wovon er spricht, wenn er ein großes Plädoyer für das Nichtstun verfasst. Lange Zeit ging er ins Büro, wo er wenig Sinnvolles tat. Lange Gespräche mit diversen Hotlines, Kämpfen um Aufträge und dann endlich das Mittagessen, Höhepunkt des Tages. Aus diesem unbefriedigenden Hamsterrad brach er aus, kaufte das Haus und beschloss ab sofort, sein Geld durch Nichtstun zu verdienen. Exakt rechnet er aus, was er alles spart, wenn er auf seiner Bank unterm Birnbaum sitzt und nicht durch die Gegend fährt, fliegt, kauft.
Naja, ein bisschen muss auch er arbeiten, schließlich schreibt er ja Bücher, aber ja nicht zu viel. Dieses Buch, gespickt mit zahlreichen Erfahrungen, mit viel Scheitern und noch mehr Selbstironie ist köstlich zu lesen. Gerade durch seine Überspitzung, das Nichtstun als die Alternative zur Rettung der Welt anzupreisen, weckt es auch Widerstand.
Der Klarapfelbaum. Foto: Monika Ziegler
Wenn er schreibt, dass er seine Birnen vom Baum abbeißt und isst und dass man das Obst ja nicht konservieren (Energieverbrauch!) sondern frisch essen soll, muss ich widersprechen. Wenn ich meine Äpfel vom Baum weg verspeise, besteht die Gefahr, dass ich eine Wespe verschlucke. Und Kilogramm weise kann ich nicht täglich Klaräpfel essen, also koche ich Kompott und backe Apfelstrudel, für die Enkel.
Hier kann man übers Nichts tun nachdenken. Foto: Monika Ziegler
Aber meine Bank unterm Birnbaum, wo ich zwischen Äpfel schälen dem Nichtstun fröne, habe ich auch, im übertragenen Sinn. Es sind die alten Granitstufen vor dem alten Hof. Die Fußböden im Haus habe ich nicht heraus gerissen, aber sicher so manche überflüssige Schweiß treibende Arbeit verrichtet. Künftig setze ich mich vorher auf die Stufen, streichle meine Katze, tu nichts und denke nach, ob es auch ohne geht.
Und so werden wir in den kommenden Wochen immer mal wieder Nichts tun! Wenn uns etwas Berichtenswertes über den Weg läuft, dann tun wir es, vor allem werden wir Ihnen Kulturtipps aus der Region, aber auch aus Orten, in denen unsere Autoren unterwegs sind, geben.
Wir wünschen Ihnen ganz viel Nichts tun in diesem Sommer. Und ganz nebenbei retten sie dabei ein Stückchen die Welt.
Monika Gierth, Isabella Krobisch: Leopoldine. Edition miesbach 2011