Schreibseminare am Gardasee

Bodo Kirchhoffs 126 Zeilen E-Mail

Bodo Kirchhoff und seine Frau Ulrike Bauer in ihrem Haus am Gardasee. Foto: Monika Ziegler

Buchtipp der Redaktion

Voriges Jahr holt Bodo Kirchhoff mit seiner Novelle „Widerfahrnis“ den Deutschen Buchpreis. Jetzt legt er mit seinem Buch „Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt“ eine bitterböse und witzige Satire vor, in der er Kulturkritik ebenso betreibt wie er den hochmütigen Schriftsteller karikiert.

„Ich bin es und ich bin es nicht.“ Ein T-Shirt mit diesem Aufdruck pflegt Bodo Kirchhoff zu tragen, wenn er seine legendären Schreibkurse in seinem Haus am Gardasee, gemeinsam mit seiner Frau Ulrike Bauer durchführt. Es ist die klare Aussage, dass der Schriftsteller in all seinen Werken immer etwas von sich preisgibt, aber eben nur etwas, denn sonst wäre es Nabelschau. Und dies vermittelt er gnadenlos seinen Schülern und noch viel mehr, denn der bekannte Autor begibt sich in vollem Einsatz in die Texte der Seminarteilnehmer.

So ist der Schriftsteller seines aktuellen Buches eben auch nicht nur Bodo Kirchhoff, trägt aber zweifelsfrei Züge von ihm. Denn dieser namenlose Schriftsteller ist nicht verheiratet, zum Beispiel. Was von seinen Aussagen sonst noch nicht zu ihm passt, möge der Kirchhoff-Fan selber herausfinden.

Marketingfrau bei Arkadia Line

Das 126 Seiten umfassende neue Buch ist eine E-Mail, wie man aus dem Titel des Buches leicht erraten kann. Eine Mail an Susanne Faber-Eschenbach, Marketingfrau beim Kreuzfahrtunternehmen Arkadie Line. Sie ist wohl das, was Harald Schmidt in der Herzschmerzserie des ZDF „Traumschiff“ spielt, die Verantwortliche für das Kulturprogramm an Bord.

Und so hat sie nicht nur die Autorin Wolf, die sich jüngst mit Heimatkrimis einen Namen machte, Sängerin Marlen, die vom Wind im Haar singt und einen Ötztal-Peter, an Bord eingeladen, sondern eben auch unseren Schriftsteller, der wohl schon lange einen Namen hat. In einem NDR-Interview erzählte Kirchhoff, dass er in der Tat eine solche Einladung erhalten und mit einem Zweizeiler abgelehnt habe.

Der Edutrainer

Warum? Es ist doch der Traum so vieler Menschen, an einer Kreuzfahrt teilzunehmen, in der Karibik herumzuschippern, All inclusive Essen und Trinken, Captains Dinner, usw. Und das alles gratis mit Außenkabine und Balkon und Begleitperson. Allerdings, es gibt einen Pferdefuß, nämlich den 18seitigen Anhang mit Konditionen, die der Gastkünstler oder im Falle unseres Autors der Edutainer, eine köstliche Wortschöpfung, einzuhalten habe.

Diese Konditionen nimmt Bodo Kirchhoff genüsslich auseinander und denkt sich auch noch weitere, nicht angeführte Möglichkeiten und Katastrophen aus. Was beispielsweise, wenn ein Flüchtlingsboot auftauchen würde? Schnell volle Fahrt voraus, um ja nicht durch das Elend im teuren Urlaub gestört zu werden, oder zusammenrücken? Was, wenn eine Meuterei ausbricht?

Kreuzfahrt

Der Kulturlieferant

Immerhin steht in den Konditionen, dass die Gratisfahrer zugunsten der zahlenden Kreuzfahrer zurückzustehen haben, allerdings sollten sie auch zur Verfügung stehen, an der Bar zum Beispiel, für Gespräche, ein Graus für unseren Autor, der eigentlich ein Lieferant ist, so steht es vermerkt, ein Kulturlieferant. Und schon ist Bodo Kirchhoff mittendrin in der schönsten scharfzüngigsten Kritik der Kultur in unserem Lande, wo man sich nicht entblödet, einen Autor, der sich mit Ernsthaftigkeit großen Themen widmet, zur heiteren Unterhaltung der Gäste auf ein Kreuzfahrtschiff enzuladen.

Und dennoch, je später der Abend, je mehr vom guten Whisky konsumiert und je länger die Mail an jetzt schon Susanne, umso mehr steht das eigene Ego des Autors im Zentrum seiner Satire. Und so gelingt es dem Schriftsteller Bodo Kirchhoff ganz großartig, sowohl die Spezies Kreuzfahrt, noch dazu im Kreise fahrend, als auch die Spezies der arroganten, selbstgefälligen Schriftsteller auf die Schippe zu nehmen. Solche beispielsweise, die ständig einen Kafka vor sich her tragen.

Sehr empfehlenswert für Leser, die kein Kreuzfahrt-Fans, dafür aber Fans gepflegter Sprache, Tiefsinn und Satire sind.

Bodo Kirchhoff: Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt, Frankfurter Verlagsanstalt, 2017

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