Borkenkäfer: 300 Millionen Klimaflüchtlinge
Wie ein Schlachtfeld – der Wald im Waldviertel. Foto: MZ
Sonntagskolumne
Als ich in diesem Jahr in mein Refugium im Oberen Waldviertel kam, wollte ich meinen Augen nicht trauen. Die Wälder in der Umgebung waren kahlgeschlagen, überall türmten sich Äste der Fichten, die Landwirte und Waldbesitzer sind verzweifelt, der Borkenkäfer ist unterwegs.
Der Wald ist die Altersvorsorge für viele der Menschen im Waldviertel. Das Land trägt seinen Namen zurecht. Hier gibt es Felder, Wälder, Wiesen und Teiche. Das dünn besiedelte Land, dem wir die 10. Ausgabe der KulturBegegnungen widmeten, hat im Vergleich zum Landkreis Miesbach keine spektakuläre Kulisse, aber eine Menge zu bieten.
Kultur im Waldviertel
Die Kultur zum einen, repräsentiert durch das Wald4tler Hoftheater oder unseren Kulturpartner, die Kulturbrücke Fratres und vieles andere.
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Aber das stille Land mit seinen großen Granitfelsen ist auch ein Platz zum Innehalten, zum Kraft tanken. Hier lässt es sich gut Wandern, Radfahren, in einem der zahlreichen Teiche oder in der Thaya baden. Zudem lädt die nahe Grenze zu Tschechien ein, hinüber nach Böhmen und Mähren zu fahren und in die Kultur der Städte Budweis, Telc oder Krumlau einzutauchen.
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Zurück zum Wald des Waldviertels, der hier das Leben bestimmt. Schon im vorigen Sommer hatte der Borkenkäfer zugeschlagen. Die anhaltende Trockenheit und die Hitze boten ideale Vermehrungsbedingungen für den Schädling. Verantwortungsbewusste Waldbauern kontrollierten permanent ihre Wälder und entfernten umgehend die befallenen Bäume.
Hier wurde im vergangenen Jahr geschlagen. Foto: MZ
In diesem Jahr aber nahm die Katastrophe ihren Lauf. „Die Situation in den österreichischen Borkenkäfer-Schadgebieten ist sehr ernst. Könnten Bäume weglaufen, so kämen allein aus den betroffenen Regionen rund 300 Millionen Klimaflüchtlinge“, schätzt der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Josef Moosbrugger in topagrar ein. Daher brauche es dringend ein Sofortmaßnahmenpaket, aber auch mittel- und langfristige Maßnahmen, um die Wälder klimafit zu machen.
Überall werden die Äste gestapelt. Foto: MZ
„Hitze und Trockenheit als Folge des Klimawandels setzen alle Baumarten in unseren Wäldern unter enormen Klimastress und verursachen dramatische Schäden“, konstatiert Moosbrugger. Man müsse daher die Waldbesitzer bei der raschen Schadholzbeseitigung, aber auch bei der Pflege und dem Aufbau klimafitter Waldbestände mit öffentlichen Mitteln unterstützen. “Der Wald ist unsere Klimaanlage der Zukunft. Wir müssen heute für die nächsten Generationen investieren“, mahnt Moosbrugger.
Die Spuren des Borkenkäfers. Foto: MZ
Im Zusammenhang mit der riesigen Anzahl der befallenen Bäume, die aus den Wäldern entfernt und zu Billigstpreisen verkauft werden, muten Pflanzaktionen von Bäumen, so wichtig sie auch sind, naiv an. Bäume sind unsere CO2-Verarbeiter.
Natur rächt sich
Es scheint so, dass sich die Natur rächt. Der Mensch erzeugt immer mehr Kohlendioxid mit der Folge des rasanten Klimawandels: Hitze und Trockenheit schaffen ideale Bedingungen für den Borkenkäfer. Bäume müssen gefält werden, der Kreislauf der Natur bricht zusammen, da das Treibhausgas nicht mehr ausreichend durch Bäume absorbiert werden kann.
Existenz wird bedroht
Dazu kommt aber, dass die Lage existenzbedrohend für die Waldbesitzer wird. „Wir müssen unsere Waldbesitzer dabei unterstützen, standortangepasste, arten- und strukturreiche Mischbestände mit klimafitten Arten wie Douglasie, Tanne oder Roteiche zu schaffen“, fordert Moosbrugger.
Kleine Tännchen mit tiefen Wurzeln keimen in den geschlagenen Fichtenwäldern. Foto: MZ
Wie ich von den Waldbesitzern erfahre, erzielen sie aus dem Verkauf der Bäume gerade so viel Geld, um den Harvester zu bezahlen, der beim Schlagen großer Mengen unentbehrlich ist.
In den kahlen Waldgebieten keimt hin und wieder ein kleines Tännchen, das dem Borkenkäfer widersteht, auch Buchen und Birken beginnen zu treiben. Jetzt aber geht die Sorge um, dass auch ein Schädling, der Laubhölzer befällt, auftaucht.
Asiatischer Laubholzbockkäfer
Wie ich aus dem Landkreis Miesbach höre, ist der Asiatische Laubholzbockkäfer dort schon angekommen. „Am Dienstag 13. August wurden neun vom ALB befallene Ahornbäume entnommen, um die Gefahr einer Ausbreitung des Käfers ausgehend von diesen Bäumen auszuschließen. Die Erkundungen vor Ort durch unsere LfL-Experten laufen weiter“, ist auf der Homepage der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft für den Landkreis Miesbach zu lesen.
Fazit: Jeder trägt Verantwortung, seinen Beitrag zur Verringerung des CO2-Ausstosses zu leisten. Und sei es nur, auf das Fliegen zu verzichten oder weniger Fleisch zu essen. Wer Lust hat, in der Gemeinschaft über enkeltaugliches Leben nachzudenken, am 16. Oktober beginnt eine Workshopreihe.