Anna Seghers

Brennendes Licht – Anna Seghers in Mexiko

„Brennendes Licht – Anna Seghers in Mexiko“. Foto: MH

Buchtipp der Redaktion – Neuerscheinung auf dem Buchmarkt

Bis 1947 lebt die Schriftstellerin Anna Seghers mit ihrer Familie im Exil in Mexiko. Volker Weidermann zeichnet diese sechs Jahre intensiv und leidenschaftlich nach und folgt dabei auch Wegen und Lebenslinien einer Reihe bedeutender Künstler und Schriftsteller, die gemeinsam mit Anna Seghers in Mexiko Zuflucht fanden.

Abgekämpft und am Ende ihrer Kräfte kommt Anna Seghers im Frühjahr 1941 mit ihrem Mann, dem ungarischen Soziologen Laszlo Radvanyi und den beiden Kindern im mexikanischen Exil an. 1935 war die Familie nach Frankreich emigriert und Anna Seghers wurde Mitbegründerin des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller in Paris. Nach der Internierung ihres Mannes in Südfrankreich begann eine abenteuerliche Flucht von Marseille mit Stationen über Martinique, New York und Veracruz nach Mexiko-Stadt. Die USA nahmen die Flüchtenden nicht auf. Denn Anna Seghers ist Kommunistin.

Ausruhen und Arbeiten

„Ausruhen, ausruhen. Vielleicht für immer. Hier im Licht. Ist das nicht angenehm? Nicht mehr kämpfen, nicht mehr diese Berge hinauf. Still sein. Warten. Liegen. Vielleicht kommt die Welt ja zu ihr. Ganz von allein.“ In Mexiko empfängt sie der chilenische Dichter Pablo Neruda, Kommunist wie sie, und begrüßt die Schriftstellerin wie eine alte Freundin: „Willkommen Anna!“ Zur Ruhe kommen will sie und findet mit ihrer Familie schließlich ein Haus zum Wohnen und Arbeiten. Da steigt sie jeden Morgen hinauf auf das Dach. Dort ist ein helles Segeltuch aufgespannt gegen das Licht, gegen die Sonne. Es gibt einen kleinen Tisch, einen Stuhl mit Blick über die Dächer und die wunderbaren Farben der Stadt, das Grün der Bäume und das Blau des Himmels. Hier zieht sie sich zum Schreiben zurück.

1942 erscheint ihr berühmtester Roman „Das siebte Kreuz“. Der Roman über die Flucht aus einem Konzentrationslager wird in Amerika ein Riesenerfolg und zur Kriegslektüre der amerikanischen Soldaten. 1944 von Fred Zinnemann verfilmt, verleiht er die Autorin Weltruhm und macht sie finanziell unabhängig.

Dem Kommunismus lebenslang verbunden

Volker Weidermann beschäftigt sich in dieser Biografie auch intensiv mit der politischen Einstellung von Anna Seghers. Zeitlebens ist sie eine überzeugte, treue Kommunistin und stellt die Partei über alles und alle. Da bleiben Widersprüche, Verletzungen und Verleugnungen keinesfalls aus. Eine Reihe von politischen Weggefährten wie Egon Erwin Kisch und Arthur Koestler kommen in diesem Buch ebenso zu Wort wie etwa ihre enge Freundin Lenka Reinerova. Volker Weidermann spannt einen weiten Bogen zwischen Anna Seghers und den Menschen, die sie in Mexiko trifft und erlebt. Mit ihnen unternimmt sie Ausflüge, interessiert sich für Kultur, Geschichte, Kunst und das bunte Leben Mexikos. Auch das Künstlerehepaar Frida Kahlo und Diego Rivera zählt zu den guten Bekannten. Dabei entwirft der Autor ein spannendes, facettenreiches, farbiges und äußerst gefühlvolles Bild von der 40er Jahren in Lateinamerika.

Sehnsucht nach der Heimat

Trotz des glänzenden Lichts, der strahlenden Aura der neuen Heimat kann Anna Seghers die alte Heimat in Deutschland nicht vergessen. Mainz, die Stadt am Rhein, in der sie 1900 als Netti Reiling geboren worden war, lässt sie nicht los. Die jüdische Familie, die Mutter, von der sie nicht genau weiß, ob sie noch lebt oder vielleicht doch in ein Konzentrationslager abtransportiert worden war, halten sie in Gedanken fest.
Sie schrieb: „Es gibt ja Länder, mit denen man vertraut ist, ohne sie gesehen zu haben. Sie erregen einen… An Mexiko ging mich nichts an.“ Einmal in ihrem Leben jedoch hat sie vieles vergessen. 1943 war das, als sie bei einem schweren Autounfall lebensgefährlich verletzt worden und tagelang bewusstlos war. „Vier Tage lang geschieht nichts. Vier Tage liegt sie wie tot. Doch dann hören die, die sie bewachen, ein Wehklagen in ihr, ein Stöhnen, leise Schreie…“ Einfühlsam erzählt Volker Weidermann von diesen furchtbaren Tagen und Wochen und der langsamen, vorsichtigen Rückkehr ins Leben.

Ein Übergang wie in „Transit“, dem anderen wichtigen Buch der Schriftstellerin Anna Seghers, in dem ein junger Deutscher 1940 in Marseille eine neue Identität annimmt, um nach Mexiko auswandern zu können. Hier verarbeitet Seghers autobiografische Themen mit neuen, eindringlichen Perspektiven von Flucht, Leben und Liebe.

Am 5. Januar 1947 fährt Anna Seghers allein von New York auf der „Gripsholm“ ab nach Stockholm. „Wieder unterwegs. Wieder im Transit“. Die Georg-Büchner-Preisträgerin lebte zunächst in West-Berlin, zog 1950 nach Ost-Berlin, wo sie Gründungsmitglied der Deutschen Akademie der Künste war. 1951 erhielt sie den Nationalpreis der DDR und war bis 1978 Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR. Sie verstarb 1983.

Volker Weidermann „Brennendes Licht – Anna Seghers in Mexiko“, Erschienen im Aufbau Verlag, Berlin, 2020, ISBN 978-3-351-03794-9

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