Bunbury und Ernst, wo sind sie?
Wer ist Ernst? Judith Heimerl, Ursula Dillig, Jochen Geipel und Christian Selbherr (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn
Sommertheater in Holzkirchen
Was für ein Abend. Wie auf einer italienischen Piazza kamen sich die Premierengäste von „Bunbury“ vor. Sie genossen mit Oscar Wildes Komödie Sommertheater erster Klasse. Inszenierung und schauspielerische Leistung begeisterten das Publikum.
Das Schöne am Theater im Freien ist, dass es nach dem Schlussapplaus nicht zu Ende ist, sondern man noch lange mit allen Mitwirkenden plaudern kann. Dann allerdings ziehen sie sich um und schleppen die Kulissen hinein in das KULTUR im Oberbräu. Die Stimmung nach der fiktiven Begegnung mit Ernst und Bunbury ist prächtig.
Regisseurin Lydia Starkulla hat sich am Ende Andrea Baiers Hut ausgeliehen. Foto: Petra Kurbjuhn
Es ist ein gewaltiger Aufwand, Theater im Freien zu organisieren. Aber das FLTB – Fools-Ensemble meistert alles. Nicht nur Um- und Aufbau, sondern in erster Linie einen genussvollen, unterhaltsamen, aber auch geistreichen und gesellschaftskritischen Theaterabend zu präsentieren.
Regieeinfälle für Pep
Regisseurin Lydia Starkulla gelingt es hervorragend, Oscar Wildes Stück in etwa eineinhalb Stunden zu einer kompakten, flotten Aufführung zu komprimieren. Sie schafft es auch, die Mitwirkenden so zu führen, dass die ziemlich verwickelte Handlung transparent für die Zuschauer wird. Mit zahlreichen Regieeinnfällen würzt sie das Stück und gibt ihm Pep.
Bunbury wird erfunden
Oscar Wilde hat mit „Bunbury“ Schein und Sein der Gesellschaft scharfzüngig aufs Korn genommen. Der englische Originaltitel „The Importance of Being Earnest“ vermittelt doppeldeutig, wie die beiden männlichen Protagonisten versuchen, ihr Leben nach ihrer Fasson zu gestalten. Der eine erfindet den „Earnest“, der andere „Bunbury“, um ihren jeweiligen Existenzen zeitweise entfliehen zu können.
Das Geheimnis der Existenzen wird gelüftet. Foto: Petra Kurbjuhn
Die Sprache des Stückes ist eine Herausforderung für die Mitwirkenden. Die Dialoge sind witzig und tiefschürfend gleichermaßen, aber in ihrer geistreichen Parodie zweifelsohne schwer zu lernen. Alle acht Schauspieler meistern diese Schwierigkeit hervorragend und geben ihren Figuren ganz individuelle Noten.
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Christian Selbherr als Algy ist ein lasziver Dandy, der barfuß im roten Morgenrock auf der Liege in schönster Unordnung herumlungert und für den das Leben aus Vergnügen und Champagner besteht. „Mein Freund Bunbury“ singt er und freut sich über seinen Einfall, der ihn hin und wieder zu seinem kranken Freund aufs Land führt.
Judith Heimerl und Ursula Dillig: Freundinnen oder Rivalinnen?. Foto: Petra Kurbjuhn
Anders herum Jack, der dem Landleben entfliehen will und seinen verruchten Bruder Ernst in der Stadt besuchen muss. Jochen Geipel gelingt der Wechsel vom Lebemann zum etwas linkischen Verliebten, als Gwendolen auftaucht.
Köstliche Draufgängerin
Judith Heimerl spielt die junge Londonerin köstlich in ihrem Draufgängertum. Frisch und mit jugendlichem Charme steht ihr Ursula Dillig als Freundin oder Rivalin Cecily auf dem Land zur Seite. Lieben sie denselben Mann? Wo ist Ernst?
Die Gouvernante (Cathrin Paul) und der Pastor (Detlef Dauer) verstehen sich gut, Ursula Dillig beobachtet. Foto: Petra Kurbjuhn
Urkomisch ist Cathrin Paul als Gouvernante, erstmals als alte Frau mit sauertöpfischem Gesicht unter unkleidsamer Haube zu erleben. Gern lässt sie sich kichernd von Pastor Chasuble, den Detlef Dauer souverän spielt, durch den Park führen. Und sie birgt ein jahrzehntelanges Geheimnis.
Ideale Verkörperung der Gesellschaft
Dieses wird am Ende gemeinsam mit Lady Bracknell gelüftet. Andrea Baier, auch sie erstmals in einer Mutterrolle zu sehen, verkörpert in ihrer selbstgerechten, dominanten Art ideal die Gesellschaft, die nicht nach Liebe, sondern nach Besitz fragt. Sie sagt den schönen Satz: „Ich missbillige lange Verlobungszeiten, da lernt man sich viel zu gut kennen.“
Freunde? Rivalen? Christian Selbherr und Jochen Geipel. Foto: Petra Kurbjuhn
Sie ist der Kern des Stückes, in ihr spiegelt sich die Gesellschaftskritik Wildes am deutlichsten und Andrea Baier kommt dieser Aufgabe perfekt nach. Und auch Michael Werner ist in seinem Part des Butlers ideal besetzt. Er ist blasiert und devot gleichermaßen, unbedingt. Wunderschöne Kostüme von Tamara Krüger und eine geschickt wandelbare Bühne (Lydia Starkulla, Bernd Schmidt) machen die äußerst gelungene Aufführung perfekt.
Sommertheater in ausgezeichneter Qualität
Hahnenkämpfe, Slapsticks, Kniefälle, Küsse, Wutanfälle, die Aufführung ist ein Hochgenuss. Wer Sommertheater in ausgezeichneter Qualität erleben möchte, sollte Bunbury unbedingt besuchen. Und zu erfahren, wie unerlässlich wichtig es ist, (E)rnst zu sein.
Hoch verdienter Schlussapplaus. Regisseurin Lydia Starkulla und das Fools-Ensemble. Foto: Petra Kurbjuhn