Nicht das Kilo sondern das Gramm
Die Miesbacher Fotografin Candida Schlichting. Foto: Petra Kurbjuhn
Porträt der Fotografin Candida Schlichting
In der 33. Ausgabe der KulturBegegnungen stellten wir die Miesbacher Fotografin Candida Schlichting vor. Jetzt zeigt sie auf ihrer Webseite eine Fotoschau, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten.
Auf eine Reset-Taste würde sie gerne drücken, wenn es denn eine solche gäbe, sagt Candida Schlichting und wünscht sich, auf diese Weise regulierend in den manchmal fragwürdigen Zeitgeist eingreifen zu können.
Lesetipp: Candida Schlichting in der 33. Ausgabe der KulturBegegnungen
Nur schwer erträglich empfinde sie den häufig respektlosen Umgang in den sozialen Netzwerken, wo aus der Anonymität heraus Schranken des Anstands im Umgang miteinander fallen würden. Da dieses bewusste Knöpfchen in der Realität jedoch nicht existiert, drückt die Fotografin eben auf den Auslöser ihrer Kamera, um so, wie mir scheint, dem Positiven den nötigen Raum zu geben.
Candida Schlichting: Veritas.
Banal anmutenden Motiven entlockt sie eine selbstverständlich wirkende Singularität, indem sie diese aus der Gesamtsituation herausfiltert und nicht das Kilogramm sondern das Gramm zeigt. Zu meiner großen Freude geht die Fotografin auf meinen Wunsch nach einer gemeinsamen Fototour ein. Der Ort ihrer Wahl ist Müller am Baum, ein in Umplanung befindlicher Industrieweiler in der Nähe von Miesbach, mit einem schier unerschöpflichen Potenzial für Motive.
Empathie für Licht, Schatten und Strukturen
Wir stehen vor einem Tieflader mit einem Unimog auf der Ladefläche, beide in kräftigem Bauhof-Orange und nur der Fotografin erschließt sich hier wohl ein Detail, welches später wieder in einer Ausstellung zu sehen sein könnte. Nächste Stopps auf dem Gelände: Ein gelagerter Industriezaun, eine Backsteinmauer, Eisenrohre. Candida Schlichting hat nicht nur den Blick, der sie ein interessantes Motiv entdecken lässt, sondern auch eine Empathie für Licht und Schatten oder verschiedene Strukturen.
Candida Schlichting: Tanz dich frei
„Ich habe immer gerne fotografiert“, erzählt sie mir. Da ihr Mann Diplomat war, habe die Familie viel im Ausland gelebt. Brasilien, Portugal, Spanien und Dänemark. Dort, erinnert sich Candida Schlichting, war es auch, dass ihr Sohn Johannes meinte, sie solle doch die Bilder, die für sie Gültigkeit haben, vergrößern lassen. Der Zufall wollte es, dass gerade zu dieser Zeit ein Freund aus Russland zu Gast war und sie ermunterte, ihre Fotos in einer Ausstellung in Moskau zu zeigen und ihr seine Hilfe dabei anbot.
Ausstellungen in Moskau und Kaliningrad
So kam es, dass die Miesbacherin im Jahr 1997 ihre ersten beiden
Ausstellungen in Moskau und Kaliningrad hatte. Ein Jahr später waren ihre Fotos in Barcelona in der Galerie Art Espai und im ukrainischen Kharkov zu sehen. Vor zwanzig Jahren siedelte die Familie wieder zurück nach Miesbach und auch hier präsentierte Candida Schlichting ihre Bilder in zahlreichen Ausstellungen.
Candida Schlichting: VALENCIA BLAU.
Wir sprechen darüber, dass man manchmal Bilder auch „verteidigen“ muss, dann nämlich, wenn zum Beispiel ein Foto ein abgerissenes Puppenbein zeigt, welches beim Betrachter ästhetisch gesehen auf wenig Verständnis oder Anerkennung stößt. Hierzu hat die Fotokünstlerin eine klare Aussage parat: „Wichtig ist, dass man trotz Kritik bei seiner individuellen Bildsprache bleibt, ohne die eigene Linie zu verbiegen.“ Ein Bild findet sie gut, wenn es im Raum stimmig ist, „die Aufteilung zur Bildfläche muss passen und es muss eine Aussage haben, die ich spüre“.
Candida Schlichting studierte Innenarchitektur
Eine handwerkliche Ausbildung war Voraussetzung für ihr Studium der Innenarchitektur an der Münchner Akademie der schönen Künste. Der damals erworbene Gesellenbrief sei bis heute das Fundament für ihre Freude an echtem Handwerk und solidem Können, resümiert die vielseitige Fotografin. „Ich versuche jetzt auch mehr auf Freiräume zu achten und mir, trotz vieler Alltagsaufgaben, genügend Zeit für das Fotografieren zu bewahren“, stellt sie fest, vielleicht mehr für sich selbst, um ihrem Ansinnen Nachdruck zu verleihen