
Stabwechsel bei cantica nova
cantica nova holzkirchen mit der Leiterin Katrin Wende-Ehmer (r.). Foto: cantica nova holzkirchen
Konzert in Holzkirchen
Am 19. Oktober findet das Abschiedskonzert der langjährigen Dirigentin Katrin Wende-Ehmer von catica nova holzkirchen statt. Ihr Nachfolger Benedikt Meurers übernimmt den Chor am 1. November.
„Jetzt gilt’s!“ – manchmal dauerte es, bis Katrin Wende-Ehmer bei der Chorprobe die Aufforderung zur perfekten Wiedergabe einer Notenfolge über die Lippen kam. Das Ausrufezeichen hinter den beiden Wörtchen schwang freundlich, aber bestimmt mit und jede Sängerin, jeder Sänger wusste danach, dass die oft minutenlang geübten Noten nun gefälligst sitzen sollten.
„Ihr müsst herschauen“ war noch so ein Ausrufezeichen-Appell, der alle aufhorchen ließ, die sich wieder einmal hinter ihrem Notenblatt „verschanzt“ hatten. Kein Mitglied von cantica nova wird die Worte so schnell vergessen. Vielleicht wird es sie in nächster Zeit sogar vermissen, denn nach 24 Jahren gibt Katrin Wende-Ehmer die Leitung des Chores ab. Mit einem Konzert, dessen Programm ihre musikalischen Vorlieben nicht besser darstellen könnte, verabschiedet sie sich am 19. Oktober in der Holzkirchner St. Josefskirche vom Publikum.
Gemischte Choraufstellung
Wende-Ehmer stellte hohe Ansprüche an ihre eigene Arbeit, was nicht immer einfach war für eine professionell ausgebildete Musikerin, die es mit Laien zu tun hat. Jeden Dienstag kam sie top vorbereitet zu den Proben, war als erste da und stellte die Stühle auf. Manches Mal lagen Namenszettelchen auf den Stühlen, es begann ein hektisches Suchen nach dem zugewiesenen Platz, gemischte Choraufstellung war wieder einmal angesagt. Links von einer Sopranistin saß dann ein Tenor, rechts ein Bass, dazwischen ein Altistin, der Mix erwies sich als die beste Schule für das Hören der eigenen Stimme und das bewusste Wahrnehmen der anderen.
Mühevolle Detailarbeit von Katrin Wende-Ehmer
Nach etwa 15-minütigen Einsingübungen begann die eigentliche Chorprobe. Akribisch übte Wende-Ehmer schwierige Passagen, erst langsam Note für Note, dann im Originaltempo. Auch feilte sie am Klang und schweißte so die unterschiedlichen Färbungen der Stimmen zu einem Gleichklang zusammen, der letztlich erst die Qualität eines Chores ausmacht. „Intonation“ ist noch so ein Zauberwort. Wenn eine Stimmgruppe einzelne Töne zu tief sang, machte sie mit einer drehenden Handbewegung unmissverständlich klar, dass sie sprichwörtlich die Schrauben ein wenig anziehen musste. Es half fast immer. In mühevoller Detailarbeit reiften auf diese Weise Jahr für Jahr drei Konzertprogramme. In 24 Jahren präsentierte cantica nova somit an die 70 komplette Programme höchst anspruchsvoller und sehr unterschiedlicher Werke, von denen die meisten mangels weiterer Aufführungsorte leider nur einmal gesungen wurden.
Katrin Wende-Ehmer. Foto: cantica nova holzkirchen
Markenzeichen der am Leopold-Mozart-Konservatorium in Augsburg ausgebildeten Chorleiterin war die Unverwechselbarkeit ihrer Konzertprogramme. Mal hieß ein Programm „Sweet Dreams“ und enthielt Chormusik für Herz und Verstand aus sechs Jahrhunderten, mal wurden Musikstücke mit Foto-Impressionen kombiniert, so dass Klang und Farbe Ohren und Augen gleichermaßen herausforderten. Liedtitel wie „Die Kunst des Küssens“ oder „Kantate für gemischten Chor und die obligate Papiertüte“ regten wiederum die Phantasie des Publikums an, und alle hatten ihren Spaß, wenn 40 Tüten auf das Kommando der Dirigentin mit einem lauten Knall platzten.
Gelebte Ökumene mit der Sprache der Musik
Als einer der Höhepunkte von Katrin Wende-Ehmers klug ausgedachter Werkauswahl gilt das Programm zum 500. Jahrestag der Reformation. In einem Doppelkonzert sang der Chor am 9. April 2017 erst in der evangelischen Segenskirche von Holzkirchen unterschiedliche Vertonungen von Liedern Martin Luthers, gleich darauf wechselten die Musizierenden mit dem Publikum in die katholische Kirche St. Laurentius und führten dort Werke unter anderem von Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Schubert und Anton Bruckner auf. Eingebettet war das Jubiläums-Singen in zwei Kantaten von Johann Sebastian Bach – stärker hätte die Sprache der Musik die gelebte Ökumene der beiden Kirchen im Ort nicht zum Ausdruck bringen können.
Hoher Anspruch
Katrin Wende-Ehmer haftet das Prädikat einer strengen Chorleiterin an. Es soll Interessenten für die Mitgliedschaft bei cantica nova gegeben haben, die sich aus Angst, mangels stimmlichen Vermögens und chorischer Erfahrung abzublitzen, erst gar nicht anzufragen trauten. Zwar ist richtig, dass die Dirigentin ihren eigenen hohen Anspruch mitunter unnachgiebig auf den Chor übertrug, andererseits bewies sie große Geduld bei den wöchentlichen Proben und sah über die Unzulänglichkeiten von Laien hinweg. Manche schier unüberwindbare Klippe umschiffte sie mit ihrem trockenen Humor. Als wieder einmal viel zu viele Chormitglieder in der Probe in die Noten starrten anstatt zu ihr zu schauen, sagte Wende-Ehmer mit gespieltem Ernst, „vielleicht sollte ich mich bei denen, die mich noch nie gesehen haben, erst einmal vorstellen“ – Riesengelächter im Chor!
Glücksmomente bei den Musizierenden
Wenn die gut 40 Frauen und Männer auf der Konzertbühne oder vor dem Altar in der Kirche standen, war sowieso alle Mühsal vergessen. Nun wurde der Lohn eingefahren und nur noch musiziert. Jedes Chormitglied hing dann an den Lippen der Dirigentin beziehungsweise folgte ihren mit den Händen geformten Anweisungen – zartes Piano, sattes Forte, harmonische Vielstimmigkeit schuf Glücksmomente bei den Musizierenden und im Publikum. An besonders gelungenen Stellen huschte Katrin Wende-Ehmer ein zartes Lächeln übers Gesicht, mehr nicht, aber der Chor wusste, dass sie zufrieden war.
Dem Nachfolger eine glückliche Hand
Dieses stille Lächeln werden viele Sängerinnen und Sänger von cantica nova so schnell nicht vergessen, auch wenn die Ära Wende-Ehmer jetzt zu Ende geht. In einem Beitrag fürs Programmheft ihres Abschiedskonzertes bringt die scheidende Chorleiterin zum Ausdruck, dass sie den Dirigentenstab, den sie nie brauchte, ohne Wehmut weiterreicht. „Aufhören soll man bekanntlich, wenn es noch Freude macht“, schreibt sie darin. „Der Chor singt ja weiter. Für die kommende Zeit wünsche ich cantica nova immer den richtigen Ton – behaltet euch die einzigartige Gemeinschaft!“ Noble Geste zuletzt: „Meinem Nachfolger wünsche ich eine glückliche und kreative Hand.“ Die guten Wünsche von Katrin Wende-Ehmer sind allen Sängerinnen und Sängern von cantica nova Verpflichtung.
Benedikt Meurers. Foto: MZ
Benedikt Meurers (32) ist studierter Kirchenmusiker und hat bereits Erfahrungen als Chorleiter und mit Orchestern gesammelt. Er leitet nach einer Station im Reit im Winkl seit Anfang dieses Jahres die Chöre der katholischen Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Miesbach und hat sich auch als Organist einen Namen gemacht. Bei cantica nova steht er zum ersten Mal am 22. Dezember bei einem Weihnachtskonzert in St. Laurentius in Holzkirchen am Dirigentenpult.