Carmen: Freiheit, Liebe, Tod
Carmen (Denise Felsecker), Solisten und Chor des Freien Landestheaters Bayern. Foto: IW
Oper in Miesbach
Eine schöne, unbeugsame Frau. Ein Mann, der alles für sie aufgibt. Zigeuner, Schmuggler, Soldaten, Stierkampftriumph. „Carmen“ führt in ein farbenprächtiges, romantisiertes Spanien voller Liebe, Eifersucht und Leidenschaft – und das Freie Landestheater Bayern die Zuschauer in einen Beifallsrausch.
Das Ende der Oper von George Bizet ist tragisch. Trotzdem haben die Zuschauer der ausverkauften Premiere zwar Tränen in den Augenwinkeln, aber sind sehr glücklich dabei. Der verdiente Applaus will nicht abebben. Dem Freien Landestheater Bayern ist in seinem Stammhaus, dem Waitzinger Keller in Miesbach, unter Leitung von Rudolf Maier-Kleeblatt wieder eine großartige Neuinszenierung gelungen.
Beliebte Ohrwürmer und innige Passagen
Mit dem ersten Takt der Ouvertüre klingt bereits der unverkennbare Ort der musikalischen Handlung: Spanien. Das berühmte, fröhliche Siesta-Motiv legt den Auftakt zur Melodie „Auf in den Kampf“, während das Ende der Ouvertüre in ein tragisches d-Moll übergeht – womit schon fast die ganze Geschichte erzählt wäre: Es wird nicht gut ausgehen.
Carmen – gespielt von Denise Felsecker – wird verhaftet. Foto: IW
In diesem musikalischen Spannungsbogen gestaltet sich die Geschichte um die schöne Carmen: Die unbeugsame Zigeunerin würde lieber den Tod wählen, als ihre Freiheit zu verlieren. José, der alles für sie aufgibt und sich den Zigeunern als Geächteter anschließt, erhofft vergebens die Erwiderung seiner Liebe. Die atmosphärisch und dramaturgisch hervorragende Musik wird von den detailliert herausgearbeiteten Charakteren getragen. Deren Scheitern sind die Zuschauer unmittelbar ausgesetzt, ohne einschreiten zu können. Zum Greifen nahe liegen die Alternativen, aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich und die Geschichte wäre sonst schnell auserzählt.
Impulsiv und lyrisch
Regisseurin Julia Dippel fokussiert eine starke, aber auch verletzliche Carmen, die emotionale Bindungen scheut und Kontrollverlust fürchtet. Mezzosopranistin Denise Felsecker überzeugt in der Rolle der impulsiven, kokettierenden und zugleich verletzlichen Frau, die ihr Schicksal trotzig annimmt. Tenor Markus Herzog gibt Josés verzweifeltem Lieben glaubhaft die Klangfarben der schmerzhaften Leidenschaft, während die liebliche Michaëla (Christina Gerstberger) ihn nicht retten kann. Besonders berührend sind die lyrischen Stellen, wie Josés Duett mit Michaëla „Wie geht es meiner Mutter“ und die romantische Arie Josés, den der Duft der Rose Carmens verzaubert hat „Weißt du, dass ich seit jenem Tag…“.
Ausgelassenes Trinkgelage in der Taverne. Foto: IW
Elisabeth Neuhäusler und Nastasja Neumann spielen die Freundinnen Carmens mit herzlicher Frische. Harald Wurmsdobler und Manuel Ried in den Rollen von Dancaïro und Remendado schätzen die Frauen als Ablenkung beim Schmuggeln: „Weiber sind wunderbar“. Ergänzt wird das hervorragende Solistenensemble durch den Chor des Freien Landestheaters Bayern. In den großen Szenen, wie dem Trinkgelage mit ausgelassenen Zigeunerinnen und betrunkenen Soldaten in der Taverne des Lillas Pastia, verzaubern die Sängerinnen und Sänger mit großer Sing- und Spielfreude.
José versucht ein letztes Mal, Carmens Liebe zu gewinnen. Foto: IW
Die gelungene Inszenierung lebt nicht nur von der Qualität von Orchester, Chor und Solisten. Großartig ist auch die stimmungsvolle, schlichte Kulisse. Sie nimmt bewusst Abstand von der realistischen Darstellung eines lebendigen Sevilla, dass die Aufmerksamkeit ablenkt. Fröhlich und ausgelassen erfrischen sich die Tabakfabrikarbeiterinnen am fließenden Wasser des Brunnens in der Bühnenmitte. Und wenn Carmen sich im nebelhaften Schein der Feuertonne wärmt und ihre Schicksalskarte – den Tod – hineinwirft, stimmt die düstere, ahnungsvolle Atmosphäre bis ins letzte Detail.
Düster und leidenschaftlich endet auch das Stück. Carmen stellt sich der Begegnung mit dem eifersüchtigen Gefährten, obgleich die Freundinnen um ihr Leben fürchten.
Solisten des FLTB mit Intendant und Chefdirigent Rudolf Maier-Kleeblatt (Mitte). Foto: IW
Ohne jegliches Pathos, aber mit viel Einfühlvermögen – und dadurch umso intensiver – endet die fesselnd tragische, leidenschaftliche Geschichte. Erbarmungslos drängt die Musik Carmen und José in die unvermeidliche Katastrophe. „Tief Luft holen! Es ist ja nur eine Oper“, empfiehlt Rudolf Meier-Kleeblatt, der Intendant und Chefdirigent des Freien Landestheaters München. Ja, aber was für eine Oper!