„Was hat Großvater gemacht?“
Celino Bleiweiß im Gespräch mit Monika Ziegler. Foto: Petra Kurbjuhn
Blaue Couch in Miesbach
Celino Bleiweiß ist ein deutscher Regisseur und Dramaturg, der eine wahrhaft unglaubliche Lebensgeschichte zu erzählen hat. Erfreulicherweise konnte ihn Monika Ziegler für die Blaue Couch im Waitzinger Keller gewinnen. Und dabei kamen allerhand verblüffende Fakten über den gebürtigen Polen ans Licht.
Die Blaue Couch im Waitzinger Keller in Miesbach ging am vergangenen Donnerstag in die dritte Runde. Nach Stefan Scheider und dem Zither Manä hatte sich Monika Ziegler für dieses Mal einen ganz besonderen Gast für das Couchgespräch ausgesucht. Ein Vorbild aus ihren Kindertagen. Den Mann, zu dem sie zuerst mit Bewunderung aufgesehen hatte, und später persönlich kennenlernen durfte. Wir sprechen von Celino Bleiweiß, dem deutschen Spielfilm-, Serien- und Theateregisseur. Aber dies sind längst nicht die interessantesten Seiten an seiner Person. Während des Gesprächs durften die Zuhörer aufwühlende, verblüffende und erfüllende Details aus Bleiweiß‘ Leben erfahren.
Zwei Geburtsdaten
Wie kommt es zum Beispiel, dass Celino Bleiweiß über zwei Geburtsdaten verfügt? Nun, als gebürtiger Jude aus Przemysl lief er Gefahr von den Nationalsozialisten ermordet oder ins KZ gebracht zu werden. Durch eine glückliche Fügung konnte er jedoch im Kindesalter mit dem amerikanischen Pass eines dreijährigen, mit seiner Mutter ermordeten Mädchens seine Heimat verlassen. Zusammen mit seiner älteren Cousine, die dann zu seiner Mutter wurde, und dem Vater des Mädchens namens Richard Bleiweiß wurde er ins KZ Bergen-Belsen deportiert. In diesem Zuge wurde aus dem ehemaligen Michael Feiler, geboren am 04.01.1937, Celino Bleiweiß, Sohn des Richard Bleiweiß, geboren am 30.11.1938.
Die Blaue Couch mit Celino Bleiweiß. Foto: Petra Kurbjuhn
Fast sein ganzes Leben lang wusste Bleiweiß, dass das neue Geburtsdatum der verstorbenen Celina Bleiweiß nicht das richtige war. Doch erst vor sieben Jahren konnte und wollte er durch eine Suchaktion nach überlebenden Verwandten suchen. Er wurde fündig. Eine andere Cousine hatte überlebt. Und zusammen mit ihr fand er dann auch sein reales Geburtsdatum heraus. „Mit einem Schlag war ich fast zwei Jahre älter.“
Schule und Studium in der DDR
Beinah hatte sich Celino Bleiweiß seine Zukunft durch eine politische Provokation verdorben. Denn als er in der DDR während einer Unterrichtsstunde eine Gedenkminute für einen verstorbenen West-Berliner Bürgermeister anzettelte, wurde er kurzfristig suspendiert und auf Bewährung gesetzt. Durch eine glückliche Fügung, bzw. die Hilfe der Direktorin der Oberschule, natürlich Genossin, die seine Akte zerschnitt und seinem Lehrer, der ihn für die Filmhochschule in Babelsberg anmeldeten, wurden ihm viele Möglichkeiten eröffnet. Immer wieder beteuert Celino Bleiweiß, dass er im Leben unglaublich viel Glück gehabt habe. Er habe Hilfe erhalten, um die er gar nicht gebeten hatte.
Zwischendurch wurden immer wieder Ausschnitte aus Bleiweiß‘ Filmen gezeigt. Foto: Petra Kurbjuhn
So auch später, als er bereits in den Westen geflohen war und seine damalige Frau Monika Woytowicz Ost-Berlin nicht verlassen durfte. Damals war es Franz Josef Strauß, der von seiner misslichen Lage erfahren hatte und alles in die Wege leitete, damit Woytowicz nach München kommen konnte.
Vom Spielfilm zur Serie
Celino Bleiweiß war immer ausgesprochen erfolgreich in dem, was er gerade tat. Diese Tatsache führt er darauf zurück, dass es die Geschichte den Juden abverlangt, sich ohne viel Aufhebens zu beweisen. Doch es war keineswegs Bleiweiß‘ Ideal, einmal als Serien-Regisseur alt zu werden. Ihm wurden viele Steine in den Weg gelegt.
Nach einem äußerst erfolgreich abgelegten Spielfilm-Studium musste er zur „Erziehung“ in die Abteilung Politik und Dokumentation beim DDR-Fernsehen, weil er den Antrag zur Aufnahme in die Partei nicht unterzeichnen wollte. Nach jahrelanger Arbeit im Dokumentarfilm-Bereich, konnte er irgendwann doch zu seiner Leidenschaft, dem Spielfilm zurückkehren. Er verstand es über allen Maßen, die Zensur zu täuschen. Diese verstanden die Wahrheit zwischen den Zeilen nicht. In historischem Gewand, aber auch in Gegenwartsliteratur verpackte Bleiweiß augenscheinliche Kritik am Regime der DDR.
Ralf Lorenzer spielte eigene Kompositionen am Klavier. Foto: Petra Kurbjuhn
Als er dann jedoch in den Westen floh, war die Zeit der Spielfilme vorbei. Celino Bleiweiß fand in München in TV-Serien seine Heimat. „Stahlkammer Zürich“ und „Anna Maria“, aber auch „In aller Freundschaft“ und „Der Bergdoktor“ entstammen seiner Regie.
„Was hat mein Großvater gemacht?“
Der inzwischen 82-jährige Celino Bleiweiß – er benutzt wieder sein ursprüngliches Geburtsdatum – ist also inzwischen in München, dem Oberland und Otterfing angekommen. Dort fühlt er sich heimisch. Und doch bleibt immer ein Funke Misstrauen und ein leises Gefühl des Nicht-Dazu-Gehörens. Denn stets fragt sich Celino Bleiweiß: „Was hat Großvater gemacht?“
Danach im Gespräch: Michael Pelzer und Celino Bleiweiß. Foto: Petra Kurbjuhn
Um dieses mitreißende Couchgespräch im Waitzinger Keller abzurunden hatten sich Monika Ziegler und Celino Bleiweiß einen wunderbaren Künstler eingeladen. Ralf Lorenzer spielte am Klavier Kompositionen aus eigener Feder, die perfekt in die Stimmung passten. Gefühlvoll, extrovertiert und mit Mut zu dissonanten Tönen.