Mord am Chiemsee
Thomas Bogenberger im Foolstheater. Foto: Wolfgang Brunner
Lesung in Holzkirchen
„Kaffee – Kuchen – Kultur“ heißt die beliebte Seniorenreihe im FoolsTheater. Diesmal waren die Senioren nach dem leiblichen Genuss zur Krimistunde geladen. Thomas Bogenberger, Autor der Chiemsee-Reihe um den schrulligen Kommissar Hattinger, gab sich die Ehre.
Gut, dass die Besucher nach angenehmem Plausch im KulturCafé gestärkt und bestens gelaunt ins ausverkaufte FoolsTheater kamen, denn jetzt wartete ein gruseliger Kriminalfall auf sie.
Leichenteile am Chiemsee
Karfreitag in Prien am Chiemsee. Eine linke Hand, vermutlich eine Frauenhand, gepflegt, mit dezent lackierten Fingernägeln, deutete in Richtung Schloss Herrenchiemsee. So fanden sie die beiden Urlauber, Vater und Sohn aus Paderborn, auf einer Parkbank. „Fehlt nur noch der Rest des Körpers“, stellen Kommissar Hattinger und Assistent Wildmann fest, nachdem sie zum Fundort gerufen worden waren. Wobei der Anruf für Hattinger gerade zur Unzeit eingegangen war. So musste er in Breitbrunn am Chiemsee seine sehr private, um nicht zu sagen, intime Geburtstagsfeier mit Freundin Mia jäh unterbrechen.
„Schon wieder eine Hand“
Die Spuren waren „allesamt versaut“, da die beiden Zeugen nach dem ersten Schrecken versucht hatten, die Hand wieder möglichst original auf der Parkbank zu platzieren. Fast ein Kunstwerk. Noch während der folgenden Ermittlungen läutet Hattingers Handy erneut. „Schon wieder eine Hand“, heißt es lapidar. Diesmal fand sie Hund Artus am Brunnen vor dem Schloss Herrenchiemsee und apportierte sie seinem Herrchen. Die SoKo „Hand“ mit Andrea Erhard von der Polizei Prien fördert Unglaubliches zutage. Die Hände waren tiefgefroren. „Und wenn da jemand noch die ganze Gefriertruhe voll hat?“
Jede Person im Roman ist einzigartig
Der erste von drei Fällen der Chiemsee-Reihe „Hattinger und die kalte Hand“ von 2011, inzwischen mit Michael Fitz als Kommissar Hattinger verfilmt, gibt den Ermittlern naturgemäß eine harte Nuss zu knacken. Der Autor selbst liest die einzelnen Personen mit unterschiedlichen stimmlichen Konturen, prägnant, mit sonorer Stimme und, je nach Figur, mit bayerischem Dialekt oder auf Hochdeutsch. Jeder Protagonist wird durch die sensible, einfühlsame Gestaltung zum Individuum und zur einzigartigen Persönlichkeit. Tonlage, Sprechduktus und Sprache entfalten Charakter und Temperament. So werden die Personen für das innere Auge klar sichtbar und gut wiederzuerkennen.
Was hat eine Tiefkühltruhe mit dem Fall zu tun?
Inzwischen hat sich Hattinger in Prien an der Schiffsanlegestelle umgehört und erfahren, dass die Leute so allerhand mit auf das Schiff nehmen: neben großen Taschen und Rucksäcken auch Kühltaschen. „Die bringen sogar ihr eigenes Bier mit“, wird ihm berichtet.
Am Karsamstag wird im Beichtstuhl der Kirche auf der Fraueninsel ein Fuß gefunden. Da muss die Kirche an Ostern geschlossen bleiben und die SoKo aktiv nach dem Täter suchen.
Nun wird es richtig spannend. Hattinger und Erhard ermitteln weiter. Sie suchen das Haus der Schriftstellerin Annette Kaufmann auf, um sie als Zeugin zu befragen. Sie kommen an und treffen auf die Vermieterin, Frau Angermoser, die ihnen nach einigem Zögern das Haus aufschließt. „Des glaab i jetz ned“, sagt Hattinger.
Cliffhanger
Bogenberger lässt die Zuhörer nach einer Stunde Lesung im Ungewissen.
Wenn Sie den Film von Hans Steinbichler im Fernsehen gesehen haben, wissen Sie ziemlich von Anfang an, wer der Mörder ist (gespielt von Edgar Selge) und warum er nicht nur diesen einen grausamen Mord begangen hat. Und was es mit der Gefriertruhe auf sich hat. Und Sie wissen, dass Film und Buch nicht deckungsgleich sind.
Kleine bayerische Sprachkunde
Bogenberger ist es jetzt viel wichtiger, seine Sicht auf den bayerischen Dialekt darzulegen. Ausführlich erläutert er, wie er Bayerisch verschriftet, obwohl das wirklich sehr schwierig ist. Schließlich ist der Dialekt nicht erst von Gegend zu Gegend unterschiedlich. Oft gibt es schon Unterschiede innerhalb weniger Kilometer. Wie also soll man „bayerisch schreiben“? Humorvoll und mit viel Sprachwitz erklärt der promovierte Mediziner, Musiker und Komponist seine Schreibweise. Jeder sollte „von seinem Ohr geprägt“ lesen. Nehmen wir als Beispiel den Satz: Er kommt. Da gibt es „er kimmt“, „er kummt“, „er is kemma“. Alles ist richtig.
Aber wir sollen dennoch keine Logik erschließen wollen. „Nach oans, zwoa, kommt nicht zwangsläufig droa.“ Zurück zum Chiemsee. „Der wird in Bayern mit K gesprochen, nicht mit Ch und unter gar keinen Umständen mit Sch“, erklärt der Autor seinem amüsierten, weil sprachlich kompetenten Publikum, bevor er es nach einer gelungenen Lesung entlässt.
Zum Weiterlesen Beiträge aus der Reihe „Kaffee, Kuchen und Kultur“: