China und die USA – Gibt es Hoffnung?
Markus Ederer und Gerhard Polt im Schlierseer Bauerntheater. Foto: Petra Kurbjuhn
Gespräch in Schliersee
„China und die USA – der vermeidbare Krieg“ hieß das Schlierseer Gespräch im Rahmen des Schlierseer Kulturherbstes im Bauerntheater, das Gerhard Polt und Markus Ederer mit dem Publikum führten. Abschreckung und Diplomatie seien ebenso wichtig wie Resilienz in der deutschen Politik.
„Wer auf zwei stabilen Beinen steht, kann eine Hand zur Versöhnung reichen“, konstatierte Markus Ederer nach eineinhalb Stunden intensiven Gesprächs, das viele wichtige Informationen und Impulse des erfahrenen Diplomaten bereithielt, immer wieder gewürzt von Einwürfen Gerhard Polts, etwa: „Keine Weißwürst, wo die Haut nicht aus China kommt.“
Sehnsucht nach Weite
Kulturherbstorganisator Johannes Wegmann hatte die beiden Redner so vorgestellt: Das Josefstal mit seiner Enge, in dem beide zuhause seien, habe das Potenzial der Sehnsucht nach Weite. Und noch etwas verbinde die beiden und unterscheide das Format von üblichen Talks: „Keiner will wiedergewählt werden.“
Johannes Wegmann, Markus Ederer und Gerhard Polt. Foto: Petra Kurbjuhn
Gerhard Polt führte in das Thema ein. Das Thema China-USA klinge nicht aktuell in Zeiten von Ukraine und Nahost, aber alles geschehe parallel und sei schicksalhaft für Europa. Die komplizierten Zusammenhänge seien wie ein gordischer Knoten, den Markus Ederer zu zerschlagen habe.
Taiwan Auslöser für Konflikt China und die USA
Markus Ederer, einst rechte Hand von Frank-Walter Steinmeier, Botschafter der Europäischen Union in China und zuletzt deutscher Botschafter in Australien, startete seine Ausführungen so: Ein Konflikt China-USA treffe Europa unvergleichlich härter als die derzeitigen Kriege. Ein Auslöser könne dafür Taiwan sein, das China zurückhaben wolle, aber von den USA verteidigt werde. China wolle in der US-zentrierten Welt an die Spitze und setze seinen Territorialanspruch bereits auf der See durch.
Die Frage sei, wie sehr man von China abhängig sei, schließlich kämen 80 Prozent der Mobiltelefone aus China. Durch den Handelsfluss sei Europa ungeahnt beeinflusst. Ein zusätzliches Problem aber sei, falls 2024 Donald Trump wieder an die Macht käme.
Auf der Speisekarte enden?
„Der Konflikt hat mehrere Ebenen“, führt Markus Ederer aus, da sei der Systemkonflikt autoritär gegen demokratisch, der derzeit eher in Richtung autoritär ausschlage, der territoriale Konflikt sei eher ein Instrument. Aber wichtig für Europa sei die Wirtschaft, bei der die Abhängigkeit sich negativ auswirke. Und militärisch spiele Europa keine Rolle.
Leider aber sei die EU sich nicht einig, da China wirtschaftliche Anreize setze. Der Diplomat sprach die Situation klar an: Die Bipolarität USA-China müsse nicht sein. „Wer nicht am Tisch sitzt, wird auf der Speisekarte enden.“ Man müsse sich eingestehen, wer in der Nachbarschaft nicht in der Lage sei, Frieden zu stiften, sei zu schwach für dieses Thema.
Die beiden Diskutanten warfen sich die Bälle zu. Foto: Petra Kurbjuhn
Die Wirtschaft in China laufe unter anderen moralischen Bedingungen, warf Gerhard Polt ein und sein Gesprächspartner fügte an, die deutsche Industrie sei nicht bereit, die Abhängigkeit von China aufzugeben. Es sei dieselbe Situation wie bei Russland, russisches Gas sei eben billiger.
Konjunktur autokratischer Systeme
In der Publikumsdiskussion tauchte die Frage auf, wieso autokratische Systeme Konjunktur haben. Die Demokratie sei nach Zeiten des Gewaltverbots ins Rutschen gekommen, musste Markus Ederer einräumen. Das Problem seien die kurzen Regierungszeiten, während China seinen Präsidenten Xi Jinping jetzt in die dritte Amtsperiode gewählt habe.
Wenn in Deutschland eine Autokratie drohe, müsse sich die Demokratie wehren. „Die demokratischen Parteien müssen Lösungen anbieten, die den Menschen das Gefühl geben, es wird was gemacht“, forderte er. Derzeit wachse die Gefahr des Extremismus.
Vertrauen wieder aufbauen
Welche positiven Ansätze es denn gebe, wurde gefragt. Die Unterstützung für die Ukraine sei auch ein Signal Richtung Taiwan, entgegnete Markus Ederer. Im kalten Krieg hätten die USA und die Sowjetunion kontrollierte Maßnahmen zur strategischen Berechenbarkeit gemanagt. Jetzt aber herrsche Dschungel mit Null Vertrauen auf beiden Seiten. Dieses Vertrauen müsse wieder aufgebaut werden. Beispielsweise würden die USA und China beim Klimawandel zusammenarbeiten und auch bei der Pandemie habe man kooperiert.
Diese Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten müsse definiert und ausgebaut werden, damit es bei einem militärischen Zwischenfall nicht zu einer Eskalation komme. Wichtig sei, dass es keine Cyberangriffe gebe, derartige Abmachungen würden nicht veröffentlicht, aber Vertrauen stärken.
Das Publikum diskutierte mit. Foto: Petra Kurbjuhn
„Ich sehe eine Chance“, konstatierte der Diplomat, sowohl China als auch die USA brauchten Zeit, um wirtschaftlich und militärisch aufzurüsten, diese Zeit müsse genutzt werden, wobei Europa für einen kontrollierten strategischen Wettbewerb bis 2030 eine Rolle spielen könnte.
„Wir dürfen nicht wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen“, forderte Markus Ederer, sondern härter werden und fragte: „Ist alles schlecht, was aus China kommt?“ China sei die Quelle unseres Wohlstandes. Andererseits würden auch die USA Probleme bereiten, wenn Trump seine Drohung wahrmache, die NATO aufzulösen.
Über eigene Resilienz nachdenken
„Wir müssen zuerst über unsere eigene Resilienz im Interesse des deutschen Volkes nachdenken“, sagte er unter Applaus. Und wir müssten die Werte, die wir nach außen vertreten, nach innen leben.
Auf die Feststellung aus dem Publikum, dass die Demokratie keine Lösungen anbiete, erwiderte der Diplomat: „Die Umsetzungskapazitäten fehlen, das ist beklagenswert.“ Auch der Föderalismus müsse überarbeitet werden. „Wir sind nicht mehr so gut wie wir glauben.“
Firnis der Verständigung dünn
Dazu passe, dass gerade drei Goethe-Institute geschlossen würden, woraufhin Gerhard Polt sagte: „Bei der Kultur kann man schnell einen Strich ziehen, sie läuft auf dem vierten oder fünften Gleis.“
Es sei eine Illusion zu glauben, dass man sich in Europa verstehe, konstatierte Markus Ederer, „der Firnis der Verständigung ist dünn und deshalb sind die Goethe-Institute wichtig“.
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