Ein gutes neues Jahr!

Reportage aus Shanghai

Allmählich schließen abermals viele Geschäfte für Wochen, die Flug- und Bahntickets werden knapp und teuer und – ja, das Internet wird wieder langsamer. Das Chinesische Neujahrsfest steht an und am 8. Februar ist es dann soweit: Das Jahr des Affen beginnt.

Überall Affen

In den Läden werden die ersten Primaten feilgeboten in Form von Scherenschnitten und Plüschtieren, auf Kalendern und Grußkarten. Das Stadtbild vollzieht in den nächsten Wochen eine Wandlung; die Skulpturen und Bepflanzungen in Form von Schafen bzw. Ziegen – hier lässt die Bedeutung des chinesischen Wortes ‚Yang‘ beides zu und die Chinesen wollen sich auch nicht so recht auf eine Tierart festlegen – wird gegen die von Affen ausgetauscht und die Schaufenster werden von denselbigen verziert sein.

Der Küchengott

Die Chinesen sind noch immer, trotz der Kulturrevolution und deren massiven Bestrebungen alles Traditionelle auszulöschen, ein in ihren Bräuchen und ihrem Glauben fest verankertes Volk – sei’s eine Religion wie der Buddhismus, der Islam oder das Christentum, sei’s eine Philosophie wie der Konfuzianismus oder der Daoismus oder eben ein nicht genau zu definierender Volksglaube mit seinen diversen Sitten und Gebräuchen. So wird zum Beispiel zu Neujahr dem Küchengott, einer der vielen ‚Schutzheiligen‘, gedacht, indem man sein papierenes Konterfei von der Wand in Herdnähe abnimmt, es verbrennt und ein neues, Glück und Segen bescherendes für die nächsten 365, diesmal 366, Tage aufhängt.

Lichtmeß auf chinesisch

Chinesisches Neujahr hat jedoch auch etwas mit unserem, zeitlich ähnlich gelegenem Maria Lichtmess gemein.Traditionell geht hier, wie eben bei uns früher zu Lichtmess im ländlichen Raum, das Arbeitsjahr zu Ende und es ist die Zeit für freie Tage und einen eventuellen Wechsel des Arbeitsplatzes. Chinesen, die oftmals nur weit weg von zu Hause Arbeit finden konnten, kehren in dieser Zeit in ihren Heimatort zurück. Zurück zu ihren Eltern und auch ihren eigenen Kindern, die bei den Großeltern leben, da die Eltern meist ob der Kosten oder der Gesetze die Kinder nicht mitnehmen können. Zu dieser Thematik gibt es zwei sehr interessante Filme. ‚Up The Yangtze‘ ist eine Dokumentation des chinesisch-kanadischen Regisseurs Yung Chang aus dem Jahr 2007. Sie erzählt die Geschichte eines Mädchens, das als Servicekraft auf einem Kreuzfahrtschiff auf dem Fluss Yangtze seinen Weg sucht und zum Neujahrsfest zu ihrer Familie zurückkehrt. ‚Last Train Home‘ ist ein Film aus dem Jahr 2009 von Lixin Fan über das Leben eines in der Ferne arbeitenden Ehepaares und ihre jährliche Heimkehr. Beide Filme schildern die Facetten des Verlassens der Heimat, der neu gewonnenen Eindrücke, der Freude aber auch der Zerissenheit und Tragik der Rückkehr.

Baby-Boom

Zum Ende des Arbeitsjahres wird üblicherweise eine Art 13. Monatsgehalt ausgezahlt. Die kleinen roten Umschläge, ‚Hong Bao‘ genannt, werden ungeduldig erwartet. Der Gebende kann seinen Grad der Zufriedenheit durch die Höhe der Geldsumme zeigen, der Beschenkte, sprich Arbeitnehmer, erkennt schnell die ihm entgegengebrachte Wertschätzung. Entspricht der Betrag nicht den Erwartungen, kann es schon einmal vorkommen, dass der Arbeitnehmer nach Neujahr nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehrt.

Abgesehen davon ist das Neujahrsfest das wichtigste Fest im Chinesischen Jahr für Familien. Alle kommen zusammen, es werden unzählige Köstlichkeiten zubereitet und gemeinsam in grosser Runde gegessen und dazu ausgiebig gefeiert. Sogar die Familienplanung ist mitunter vom kommenden Jahr abhängig. Bei besonders beliebten, da mit guten Tugenden behafteten Sternzeichen, wie zum Beispiel dem Drachen, setzt, trotz (oder gerade wegen) der immer noch überwiegend praktizierten Ein-Kind-Politik, ein kleiner Baby Boom ein.

Text/Foto: Kerstin Brandes

Bildnummer: 1453271744

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