Claus von Wagner und „Die Theorie der feinen Menschen“
Claus von Wagner im KULTUR im Oberbräu. Foto: Jürgen Haury
Kabarett in Holzkirchen
Rasant, fulminant, brillant arbeitete sich der Münchner Kabarettist durch die große Politik, Finanzen, Transaktionen, Kapitalismus ebenso wie die kleinen privaten Erfahrungen und Kindheitserlebnisse. Claus von Wagner nahm sein Publikum im komplett ausverkauften Festsaal des Kultur im Oberbräu mit auf ein dreistündiges Soloprogramm, das höchst amüsant und überaus pointiert war.
Bereits vor 15 Jahren war Claus von Wagner zu Gast im FoolsTheater, damals noch im BayWa Gelände an der Münchner Straße. Zum zehnten Geburtstag von Kultur im Oberbräu begann der Künstlerreigen nun mit seinem Programm „Die Theorie der feinen Menschen“ und bescherte Ingrid Huber und ihrem Team gleich ein volles Haus mit glänzend gestimmten Besuchern.
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Gefangen in der Bank
Einen Abend voller politischer Satire wolle er nicht bieten, denn die arbeite ja mit Übertreibung, erklärte von Wagner eingangs und umriss kurz die aktuelle politische Lage. Trump, der Iran, die Umweltsau des WDR, das Klimapaket und was sonst noch auf der Tagesordnung steht neben Kloster Seeon und Söder.
Und sogleich schwang er sich auf die Bühne und fand sich als sein Alter Ego Klaus Neumann unter Überwachungskameras vor dem Tresorraum einer Filiale der Deutschen Bank wieder. Schwarzes Wählscheibentelefon, veganes Wasser und Hochprozentiges mit einem Stapel Papiere aus dem Schließfach seines verstorbenen Vaters.
Eingesperrt für die nächsten 13 Stunden. Er hätte ja eher kommen können und nicht erst vor Geschäftsschluss, ließ ihn sein Gesprächspartner telefonisch wissen. So bleibt dem Kabarettisten genug Zeit, sich Gedanken zu machen.
Eingesperrt macht sich der Kabarettist Gedanken. Foto: Jürgen Haury
Als Wirtschaftsprüfer befasst er sich nun mit den E-Mails seines Vaters, bereitet eine Rede für den nächsten Tag vor und beschäftigt sich intensiv mit den Finanzmärkten, insbesondere mit dem Derivatehandel, Charity Events, dem Geldkreislauf (wie ihn Kapuzineräffchen als Probanden sicher und einfach erlernten), dem Kapitalismus und diversen Zukunftsprognosen.
Schon sein Vater wünschte sich für ihn ein zukunftorientiertes Studium, VWL etwa, nicht neuere Geschichte. Wobei ein Theologiestudium ganz nützlich wäre, um die CSU zu verstehen, wie Neumann anmerkt.
Eintauchen in Parallelwelten
In der Finanz- und Wirtschaftswelt unserer feinen Gesellschaft geht es um Prestige und Gewinne, um Verbrechen und Verrat, ums Vertuschen und Taschenspielertricks, um Geld und Wagnis. Doch auch in der „normalen“ Welt des kleinen Mannes treten die täglichen Krisen des Lebens zutage. Das beginnt schon im Kindesalter.
Claus von Wagner öffnet den Blick. Foto: Jürgen Haury
Als Anwaltssohn („Vertrauen Sie nie Anwälten, dann wird alles gut!“) weiß Claus von Wagner alias Klaus Neumann schon früh, welche Rechte im BGB verankert sind und kann sich so dem elterlichen Tribunal erfolgreich zur Wehr setzen. Herrlich witziges und aussagekräftiges Rollenspiel zum Thema: Zimmer aufräumen.
Noch ein Wort zum Thema Bankberater. Wie sicher inzwischen jeder weiß, sind sie in erster Linie Verkäufer im Auftrag der Bank. Glauben Sie bei Beratungsgesprächen also nicht dem Satz: „Sie müssen Ihr Geld für sich arbeiten lassen.“ „Denn wer speichert schon Buchstaben auf der Festplatte und wartet, bis hinten ein Buch rauskommt.“
Immer wieder unterbrechen die 400 bestens aufgelegten Besucher und Besucherinnen das Programm durch anhaltenden Beifall und zustimmendes Gelächter, bevor sich der Künstler weiter seinem Lieblingsthema zuwenden kann.
Derivate sind Ableitungen, Frauen machen die Welt farbiger
Das erstere sagt schon der Name. Derivate sind künstliche Wertpapiere, die außerbörslich gehandelt werden, Wetten auf das Wetter (von morgen), auf alles, Rohstoffe, Geld oder Gold. „Pferdewetten“ nennt sie von Wagner und sie können auch „Spuren von Geld enthalten“. So aufgeklärt fällt es nicht schwer, zu glauben, dass Rating Agenturen sie als sichere Anlagen bezeichnet hatten.
Claus von Wagner in Aktion. Foto: Jürgen Haury
Auch nach der Pause sind Dranbleiben und Mitdenken weiterhin gefordert. Denn nun ist Fantasie angesagt, wie sie bei der Deutschen Bank gang und gäbe war. Josef Ackermann, als Chef dieser Bank einst eine Art Raupe Nimmersatt, hat sich für die Frauenquote wie folgt ausgesprochen. „Wir brauchen keine Frauenquote. Frauen machen die Welt an sich farbiger und schöner.“ Da fragt sich der Kabarettist natürlich, wie es mit der Gleichberechtigung in der Kita aussieht.
Daneben seziert Claus von Wagner den Wachstumswahnsinn, die Bedeutung der Kommazahlen und des Bruttoinlandsprodukts genauso wie Massen- und Billigproduktionen. Es geht also munter weiter. Finanzkrise – war da was?
Rhythmisches Klatschen und Standing Ovations des Publikums am Ende eines textlich und darstellerisch glänzenden Vortrags.
Da mochte Claus von Wagner abschließend noch darauf hinweisen, dass man ihm nicht alles glauben dürfe. Sein Vater sei nicht verstorben und säße gemeinsam mit seiner Mutter in der ersten Reihe. Und er lud die Holzkirchner ein, doch einmal seine „Anstalt“ mit Max Uthoff live im ZDF zu besuchen.