Claus von Wagner auf der Bühne

Finanzwelt als Puzzle vom Motiv eines blauen Himmels

Claus von Wagner auf der Bühne. Foto: Simon Büttner

Kabarett in Rottach-Egern

Kabarettist Claus von Wagner seziert diese Puzzleteile, entlarvt Details einer Welt aus Prestige, Wirtschaftsverbrechen und chronischer Gefallsucht. Sein grandioses Solo-Programm „Theorie der feinen Menschen“ zielt haargenau ins Schwarze.

Wie kein Zweiter mischt der in Miesbach geborene Münchener intelligent, witzig und äusserst dynamisch die junge Politik-Kabarettszene auf. Aufmerksamkeit und hohe Konzentration sind vom Publikum gefordert. Zugleich nimmt er die Intelligenz seiner Zuschauer ernst und füttert sie so rasant wie unentwegt mit seinen verschachtelten Gedankengängen. Sein schauspielerisches Talent ist grandios. Mühelos bespielt er allein den vollen Saal mit seinem Zweieinhalbstunden-Programm. Und nicht eine einzige Sekunde zieht sich die Zeit. Im Gegenteil, man kann sich nicht satt sehen und hören, und die Bauchmuskeln schmerzen vom Lachen.

Wie Plankton im Meer der Finanzhaie

Seine „Theorie der feinen Menschen“ ist eine in sich verschachtelte Geschichte aus dem tiefen Inneren unserer feinen Gesellschaft. Das Ganze verpackt er wunderbar komisch in das Missgeschick eines gewissen Klaus Neumann. Dieser wurde versehentlich in einem Tresor der Deutschen Bank eingesperrt, wo er bis zum Morgen warten muss und dort nun an der Grabrede für seinen verstorbenen Vater feilt. Diese soll er am nächsten Tag halten mit Schwerpunkt auf dem Thema „Finanzmärkte“, denn sein Vater war ein bekannter Wirtschaftsprüfer. Während Neumann im Tresorraum abwechselnd mit dem tunesischen Wachmann telefoniert und über seine Rede nachsinnt, bewegt er sich gleich einem Kometen durchs Universum aktueller Themen. Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Griechenland- und Flüchtlingskrise werden ebenso beleuchtet wie Fukushima, Sanifair-Toiletten, Fifa-Skandal, Derivatehandel und die Frauenquote in Aufsichtsräten.

Messerschaff analysiert und karikiert er die Welt der „feinen Menschen“, wo die Dekadenz auf Charity-Galas in der Anwesendheit von „Wasser-Sommeliers“ gipfelt, und die feinen Gäste sich zwischen Lachsröllchen über „Gutmenschen“ lustig machen. Dort spendet man gerne Schecks, die so riesig sind, dass man sie aus dem Weltall sehen kann. Die werden dann schräg nach oben gehalten, falls Google Earth gerade mal wieder Fotos schiesst. Zugleich entlarvt er den verwirrenden „Finanz-Sprech“ von Banken, Wirtschaftsprüfungsunternehmen und Rating-Agenturen. Sein Repertoire unterhaltsamer Details von nachdenkenswerter Tiefe ist schier unerschöpflich.

Schwedische Gardinen aus kontrollierter Herstellung

Die Kurzbeschreibung des Programms „Als hätte Shakespeare ein Praktikum bei der Deutschen Bank absolviert und aus Verzweiflung darüber eine Komödie geschrieben“ trifft es wunderbar auf den Punkt. Denn verzweifelt schreibt Klaus Neumann im Tresorraum, wo inzwischen auch die Luft knapp wird, an seiner shakespearehaften Grabrede, unterbrochen von philosophischen und kuriosen Ideen. Man sagt Claus von Wagner nach, dass seine Kunst ausmache, sich höchst amüsant zu wundern. Die Beispiele und Bilder, die er in den Raum malt, sind köstlich, egal, ob es Josef Ackermann ist, der Exchef der Deutschen Bank, der jetzt mit den Kindern im Kindergarten „Kleine Raupe Nimmersatt“ spielt oder ob er Ikea auseinander nimmt, für den früher in DDR-Gefängnissen die Möbel zusammengebaut wurden. Sozusagen aus „kontrollierter Herstellung“.

Und natürlich kommt auch Pegida nicht zu kurz und der besorgte Bürger mit seinem „nein, eigentlich habe ich nichts gegen Ausländer“. Und sowieso, das Wort „eigentlich“, mit dem sich ja eigentlich niemand mehr festlegen möchte, auch das spielt eine Rolle. Hinterher schwirrt dem Publikum der Kopf, trotzdem will man ihn nicht von der Bühne gehen lassen. Den frenetisch tosenden Beifall hat er sich verdient.

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