Corona in den Medien
Corona in den medien. Foto: pixabay
Online-Podiumsdiskussion
Die Online-Diskussion „Corona in den Medien“ war eine Premiere: erstmals kooperierten die Wissenschaftstage Tegernsee mit der Initiative „anders wachsen“ von KulturVision und dem Katholischen Bildungswerk. Zu dem brisanten Thema sprachen Experten aus der Medienbranche in Diskussion mit dem Publikum.
Für „anders wachsen“-Initiatorin Monika Ziegler und Moderatorin der Veranstaltung, die sie gemeinsam mit Marc-Denis Weitze, Organisator der Wissenschaftstage Tegernsee, geplant hatte, war es sogar eine Doppelpremiere. Denn zum ersten Mal gab es eine „anders wachsen“ Sonntagsmatinee, üblicherweise im Foolstheater Holzkirchen als Präsenzveranstaltung durchgeführt, als Zoom-Konferenz.
„Journalismus hat in der gegenwärtigen Krise eine immense Verantwortung“, konstatierte sie. Es gebe die Verpflichtung, Menschen komplizierte und komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären, damit sie handeln können. Dabei aber müsse das dem Journalisten Hanns Joachim Friedrich zugeschriebene Zitat an oberer Stelle stehen: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“
Zwischen Aktualität und Vertiefung
Mit Jeanne Turczynski eröffnete eine versierte Wissenschaftsjournalistin die Expertenrunde. Sie ist beim Bayerischen Rundfunk in der Redaktion Wissenschafts- und Bildungspolitik zuständig für die Bereiche Gesundheit und Medizin. Sie berichtete von dem schwierigen Balanceakt, als die Pandemie ausbrach, zwischen dem aktuellen Geschehen und dem vertiefenden Einordnen der neuesten Studien. Man habe versucht, neben den Fakten auch Unwahrheiten herauszufinden und überlegt, wem man eine Stimme gebe.
Eine Aufgabe bestehe auch darin, den Menschen zu erklären, wie wissenschaftliche Arbeit funktioniert, dass es nicht die absolute Wahrheit gebe, sondern neue Messdaten auch Erkenntnisse bringen. Sie kritisierte, dass mancher Politiker der Wissenschaft Uneinigkeit vorgeworfen habe. „Das ist ein falscher Anspruch an die Wissenschaft.“
Die drei Experten: Stephen hank, Jeanne Turczynski und Christoph Ulhaas (v.l.). Fotos: privat
Auf die Feststellung der Moderatorin, dass Corona derzeit 70 Prozent der Berichterstattung betrage, der Klimawandel aber nur zu 10 Prozent behandelt werde, räumte Jeanne Turczynsky ein, dass das Thema Corona in den Medien zu groß gemacht und damit Ängste geschürt werden. „Wir müssen so nüchtern und ruhig wie möglich informieren.“
Die Stärke des Lokaljournalismus mit den drei Standbeinen Information, Service und Hintergrund sei die Nähe am Menschen, stellte Stephen Hank, Redaktionsleiter des Miesbacher Merkur fest. Sein Medium habe in den letzten Monaten an Zuspruch gewonnen, denn die Heimatzeitung berichte über ganz konkrete Dinge, wie Maskenbörse, Einkaufshilfen, aber man lasse auch die Menschen zu Wort kommen, wie es ihnen mit der Krise ergehe.
Kreativität entfesselt
Andererseits fallen alle Veranstaltungen weg, die normalerweise der Berichterstattung dienen. Aber dies habe sehr viel Kreativität bei den Kollegen entfesselt und es mache auch Spaß, eine Zeitung frei entwerfen zu können. Tagtäglich überlege man in der Redaktionskonferenz, welche aktuellen Themen brisant sind, eine wichtige Quelle sei das Landratsamt mit der Task Force Corona.
Einladung zur Online-Diskussion. Foto: Petra Kurbjuhn
Die andere Seite, nämlich PR- und Pressearbeit beleuchtete Christoph Ulhaas, Bereichsleiter Kommunikation und PR bei der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften. Man habe sofort die Themen umgestellt und sich insbesondere der Digitalisierung, Risikoforschung und Resilienz in Gesellschaft und Wirtschaft gewidmet, berichtete der Journalist. Dabei arbeite acatech eng mit Partnern, wie beispielsweise der Leopoldina, zusammen.
Raueres Klima
Man habe aus der Krise gelernt, dass die Wirtschaft davon profitiert, wenn sie digitalisiert, man habe aber auch gelernt, dass man Arbeitszeiten flexibilisieren und räumliche Distanzierung ermöglichen müsse.
Auf die Frage der Moderatorin, ob das Klima in der Kommunikation rauer geworden sei, antwortete Christoph Ulhaas mit einem deutlichen Ja, dem auch Jeanne Turczynski zustimmte. Sie beobachte, dass die Menschen angespannt und nervös seien. „Es ist eine lange Strecke und die Nerven liegen blank.“ Auch Stephen Hank berichtete von einem aggressiven Ton insbesondere von anonymen Schreibern gegenüber der Heimatzeitung.
Einseitige Berichterstattung?
Einen wichtigen Raum in der Diskussion nahm die Frage ein, inwieweit die Medien einseitig Bericht erstatten. Sonja Reichel machte ihrer Sorge um die Spaltung der Gesellschaft Luft. Man habe, so räumte Jeanne Turczynski ein, anfangs eine gewisse Beisshemmung gehabt, weil man die harten Entscheidungen der Regierung in der Krisensituation nicht behindern wollte, später aber vorsichtig auch Dinge kritisiert. Allerdings wolle man den Spirit, den man brauche, durch die Krise zu kommen, nicht torpedieren. Am Beispiel der Maskenpflicht erläuterte sie das Dilemma, dass der eindeutige Beweis der Notwendigkeit fehle, aber viele Erkenntnisse zeigten, dass die Maske helfe. „Wir wissen genug, um dafür zu sein.“
Die Bandbreite aller Haltungen abzubilden, so die Wissenschaftsredakteurin, sei ein weiteres Problem. Wichtig sei, so die Journalistin Anja Gild, dass man durch Transparenz Vertrauen schaffe und nicht als Sprachrohr der Regierung fungiere. Sie wünsche sich, dass auch eine Berichterstattung über positive Dinge, also beispielsweise Berichte Genesener erfolge.
Lesetipp: Corona in Politik und Wissenschaft
Und Martin Reents empfahl in einem Dreierschritt vorzugehen: „Was wissen wir wissenschaftlich, also Fakten“, „was folgern wir als Gesellschaft daraus, also verstehen und Bewertung“ und „was tun wir also, also Handlungsansätze.“ Dabei sei die Bewertung wichtiger als der viel beschworene Faktencheck, denn ohne Schritt zwei würden wir zum Politikautomaten.
Angstfreie kritische Berichterstattung
Haben die Experten etwas aus der Diskussion mitgenommen? Jeanne Turczynski: „Wir müssen unsere Arbeit im Hinblick auf Faktenrecherche noch transparenter machen, den Menschen tatsächlich mehr Hoffnung geben und Menschen mit Sorgen zu Wort kommen lassen.“ Stephen Hank: „Wir müssen Menschen Raum einräumen, die sich kritisch äußern, aber bei den Mütter gegen Masken haben wir versucht, jemanden zu finden, der sich mit Namen und Gesicht hinstellt und niemanden gefunden. Und wir brauchen positive Berichterstattung.“ Christoph Ulhaas: „Den Erklärungsautomaten zwischen Erkenntnissen und was Gesellschaft und Politik zu tun hat; diesen Erklärungsautomaten darf es nicht geben.“
Als Fazit schloss Monika Ziegler die Veranstaltung mit folgenden Worten: „Wir brauchen eine angstfreie, kritische Berichterstattung der Vielstimmigkeit, müssen Abweichlern zuhören, Meinungsvielfalt ertragen, der Vernunft von Menschen vertrauen.“