Coronavirus

Zwei Jahre Corona-Krise: Was hilft?

Coronoavirus. Foto: pixabay

Online-Diskussion

„Die Corona-Krise in Politik, Wissenschaft und Medien – Update 2021“, so hieß eine Online-Diskussion, zu der die Wissenschaftstage Tegernsee und „anders wachsen“ eingeladen hatten. In der Veranstaltung ging es darum zu beleuchten, wo wir jetzt stehen und was zu tun ist.

Schon vor einem Jahr war die Corona-Krise Thema der Wissenschaftstage. In zwei Veranstaltungen wurde zunächst Wissenschaft und Politik und in einer eigenen Diskussion dann das Thema „Corona und die Medien“ behandelt.

Lesetipp: Corona in den Medien

„Wieso stehen wir trotz Impfung scheinbar so da wie vor einem Jahr, was die Anzahl der Erkrankten angeht?“ fragte Dr. Marc-Denis Weitze, Organisator der Wissenschaftstage. „Woher kommen die hohen Inzidenzwerte bei uns, speziell in Oberbayern? Mit welchen Maßnahmen reagiert die Politik auf die Krise und auf welcher Basis werden die Entscheidungen zu diesen Maßnahmen getroffen?“

Unerwarteter Anstieg der Fallzahlen

Über die aktuelle Situation der Coronakrise informierte Dr. Dieter Hoffmann vom Institut für Virologie der Technischen Universität München und musste konstatieren, dass sowohl die Inzidenz als auch die Zahl der Intensivpatienten und Toten im Vergleich zum vergangenen Jahr gestiegen sind. Dieser unerwartete Anstieg habe auch ihn überrascht.

Corona-Krise
Wissenschaftstage Tegernsee und „anders wachsen“

Die derzeitige Situation sei gekennzeichnet durch steigende Zahlen aber weniger schwere Verläufe. Das sei auf die Impfungen zurückzuführen und das Ziel müsse es sein, Impfraten von 75 bis 80 Prozent zu erreichen. In Bayern aber habe es nach der zweiten Welle eine Stagnation bei den Impfungen gegeben.

Impfbereitschaft auf dem Land geringer

Dass die Inzidenzen so hoch liegen, habe unter anderem den Grund in der hochansteckenden Deltavariante des Virus und in der abnehmenden Bereitschaft der Menschen, auf Kontakte zu verzichten. Die angespannte Situation in Bayern führte er auch darauf zurück, dass die Impfbereitschaft im dörflichen Raum geringer als in der Stadt sei.

Dass Auffrischungsimpfungen, sogenannte Boosterimpfungen, notwendig seien, überrasche nicht, sagte Dieter Hoffmann. Auch natürliche Infektionen, wie Influenza, hinterließen keine dauerhafte Immunität.

Lockdown für Ungeimpfte?

Auf die Frage von Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn, ob er eine Impfpflicht befürworte, antwortete der Virologe, dass die Impfpflicht sicher effektiv sei, er setze eher auf Maßnahmen wie einen Lockdown für Ungeimpfte.

Als Achterbahnfahrt bezeichnete Dr. Thomas Strassmüller, Leiter des Impfzentrums Hausham, das vergangene Jahr. Anfangs habe sich jeder impfen lassen wollen, aber nach dem ersten Ansturm musste man dafür werben. Der massive Anstieg der Fallzahlen habe den Landkreis Miesbach schwer getroffen und Krankenhaus und Arztpraxen seien zunehmend überfordert.

Hoffnung für 2022

In Zusammenarbeit mit dem Landratsamt habe man in den vergangenen Monaten durchgängig versucht, aktiv zu bleiben, Impfbusse waren unterwegs, das Impfzentrum sei nicht wie andernorts geschlossen worden, aber man hätte wohl im Sommer noch mehr tun müssen. Er schaue trotz allem hoffnungsvoll in das nächste Frühjahr, sagte der Mediziner.

Auf die Frage aus dem Publikum, ob wir eher ein medizinisches als gesellschaftliches Problem hätten, antworteten beide Referenten, dass es heute eher ein gesellschaftliches Problem sei, denn, so Dieter Hoffmann, man könne dem Virus mit den vorhandenen Impfstoffen begegnen. Die neuen Impfstoffe, auf die wohl Impfskeptiker gewartet haben, seien nicht wirkungsvoller als die vorhandenen und hätten deutlich mehr Nebenwirkungen.

Corona und die Medien

Das Thema „Corona und die Medien“ beleuchtete Dr. Alexis von Mirbach vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München und Mitgründer von Media Future Lab. Damit wurde er auch Impulsgeber für die 15 Zukunftslabs, die von „anders wachsen“ im Sommer gegründet wurden. Die Ergebnisse werden derzeit ausgewertet und in Kürze veröffentlicht.

Lesetipp: Im Zukunftslab gemeinsam die Zukunft erforschen

Er zitierte eine empirische Studie über die Qualität der journalistischen Berichterstattung der Rudolf-Augstein-Stiftung, die kürzlich vorgestellt wurde. „Einseitig, unkritisch, regierungsnah?“ fragen die Autoren und bewerteten 5000 Beiträge der sogenannten Leitmedien zwischen Januar 2020 und April 2021.

Erst Drosten, dann Lauterbach

Sie stellten fest, dass zu Beginn der Pandemie mehr Beiträge zu finden waren als in Zeiten größerer Dramatik. Wurde anfangs eher der Virologe Christian Drosten zitiert, war es später eher der SPD-Politiker und Mediziner Karl Lauterbach. Wurden anfangs wirtschaftliche Themen favorisiert, waren es später eher gesundheitliche Themen. „Die sozialen und Bildungsfolgen der Pandemie kamen in der Berichterstattung wenig zum Tragen“, stellte der Vortragende fest.

44 Prozent der Beiträge bewerteten die Maßnahmen positiv und 38 Prozent negativ. Die Maßnahmen seien angemessen, gehe aus 44 Prozent der Beiträge hervor, sie reichen nicht aus, sagen 26 Prozent. In der Berichterstattung negativ dargestellt würden zuerst Querdenker, an zweiter Stelle die Bundesregierung, danach folgen Angela Merkel und Jens Spahn. Insgesamt sei das Vertrauen in die Medien mit 56 Prozent groß, sogar um 13 Prozent gestiegen, konstatierte Alexis von Mirbach.

Kritik an den Maßnahmen

Fazit, so Alexis von Mirbach: „Es gab in den Medien durchaus Kritik an den Maßnahmen.“ Zur Vielfalt und Ausgewogenheit indes sage die Studie noch wenig aus.

In der Diskussion wurde die Aufgabe des Journalisten thematisiert und der Fernsehjournalist Hanns-Joachim Friedrichs zitiert, der gesagt hat, dass ein guter Journalist sich nicht mit einer Sache gemein machen dürfe, auch nicht mit einer guten. Wie also ist die Balance zwischen Freiheit und Verantwortung für die Gesundheit der Menschen zu wahren?

„Die Meinungsbildung in der Bevölkerung wird durch den Journalismus geprägt“, sagte Landrat Olaf von Löwis. Damit habe heute der Journalismus die Pflicht zu prüfen und zu klären was richtig ist. „Wir Politiker müssen Entscheidungen treffen“, und deshalb müsse die Spreu vom Weizen getrennt werden.

Spreu vom Weizen trennen

Die Medien, so Alexis von Mirbach, wählen Ergebnisse der Wissenschaftler aus und geben sie weiter. Dabei stelle sich die Frage, in wieweit andere Stimmen zu Wort kommen.

Der Wissenschaftsjournalismus, so Marc-Denis Weitze, sei teilweise überfordert damit, Spreu vom Weizen zu trennen. Das müsse die Wissenschaft selbst übernehmen.

„Traut euch“

Über die schwierige Situation in der Politik informierte der Landrat. Zum Glück habe er ein beratendes Expertenteam, dennoch arbeite man zu sehr reaktiv mit spontanen Entscheidungen, die sich wöchentlich verändern. Trotz vieler Appelle liege der Landkreis mit 65 Prozent Impfquote zu niedrig.

„Jetzt läuft uns die Zeit davon, es ist 5 nach 12, wir brauchen die Impfpflicht“, stellte er klar. Aber er hatte auch eine positive Nachricht. „Wir können als Landräte Entscheidungen treffen.“ Einige Landkreise würden jetzt unabhängig von Bund und Ländern agieren. Das Placet habe man, denn es heiße aus der Landesregierung „Traut euch“. Er hoffe auf eine Trendwende, denn, so gestand er „die Situation greift mich an.“

Keine Blaupause

Bürgermeister Johannes Hagn plädierte ebenfalls für gemeinsames Auftreten, wie etwa landkreisweit die Adventsmärkte abzusagen. Die Entscheidungswege in der Demokratie seien infolge der Informationsfülle langsam. Er wünsche sich eine einsortierte Faktenvielfalt mit einer Risikobewertung. Er frage sich auch, wieso die Impfverweigerer ein solches Misstrauen dem Staat gegenüber haben.

Gmunds Bürgermeister Alfons Besel appellierte an die Eigenverantwortung, sich impfen zu lassen, plädierte aber auch für einen Dialog: „Die Demokratie braucht Streit.“

Zuversicht und Disziplin

In seinem Schlusswort stellte Olaf von Löwis noch einmal fest: „Es war noch nie so schlimm wie jetzt.“ Er dankte insbesondere dem medizinischen Personal, aber auch Kulturschaffenden und Gastronomie wie Hotellerie, die die Einschränkungen zu tragen haben. Mit einem erneuten Appell an Solidarität und einem Hoffnungsschimmer ging die Veranstaltung zu Ende: „Wir gehen mit Zuversicht und Disziplin in die Zukunft.“

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf