Cover Gesummsel Markus Hallinger

Das endlose Selbstgespräch

Text: Ausschnitt Cover „Gesummsel“, Grafik von Peter Lang. Foto: Peter Engstler Verlag

Neuerscheinung auf dem Buchmarkt

Jan Kuhlbrodt schreibt in dem Magazin „Signaturen“ unter der Überschrift:

Beschwörung durch Summen

Markus Hallinger gewann mit Teilen aus diesem Text den Münchner Lyrikpreis 2014, jetzt ist Gesummsel im Verlag Peter Engstler erschienen. Ein Langgedicht in drei Teilen mit einem poetologischen Vorsatz und einer Nachrede. Ein Poem über das Zerfallen des Begrifflichen, aber auch über die Täuschungsmanöver der Sinnlichkeit. Dass da nichts sei, woran man sich halten könne, heißt es bei Brecht, Hallinger misstraut auch dem Nichts.

Den Umschlag des Buches ziert eine Tuschezeichnung von Peter Lang, welche mit dem Text in einer fast kongenialen Weise korrespondiert. Aus einem tiefschwarzen Hintergrund lösen sich Strukturen, die sowohl Florales als auch Geologisches anklingen lassen, bearbeitet oder auf natürliche Weise gefurcht oder geschädigt.

Assonanz und Reim

Die Welt ist ein Dorf in unbestimmbarer Landschaft vor unsicherem Hintergrund. Und diese Unsicherheit des Wahrgenommenen und seiner Einordnung ist Ausgangspunkt und Grundmotiv des Textes. Welche Form böte sich besser an, um das zu beschwören, als ein langes Gedicht. Überhaupt sind Assonanz und Reim, Wiederholung und Rhythmus das, was dem Bewusstsein hier im Umherstolpern, im Gewirr der Umgebung, wenn schon keine Sicherheit, so doch einen gewissen Halt gibt. Es ist die Aszendenz der gesprochenen Sprache, die hier dem Begrifflichen zu Hilfe eilt.

In Hallingers Poem ist ein umgekehrter Nominalismus am Werk. Die Namen verlieren an Sinn und Bedeutung für das lyrische Ich. Fast zwangsläufig also der Anklang an Inger Christensens Alphabet. Aber es verkehrt sich. Wenn Christensen in der lexikalischen Ordnung der Sprache eine Art Sicherheit findet, eine Gewissheit der Anwesenheit der Dinge, so ist sie Hallinger obsolet geworden, und er findet Halt im Schnarren, Zischen und Pfeifen des Gesprochenen, eben im Gesummsel.
Gesummsel ist ein furioses Gedicht, das man gelesen haben sollte.

Wenn die Sprache verrutscht

schreibt Jürgen Brǒkan in „Fixpoetry“ und weiter: Markus Hallingers Langgedicht unternimmt eine fulminant gestaltete Sinnsuche.

Wer seinen Gedichtband „Das Eigene“ aus dem Jahr 2012 gelesen hat, dürfte von Markus Hallingers neuer, in dem kleinen Ostheimer Verlag Peter Engstler erschienener Gedichtsequenz „Gesummsel“ einigermaßen überrascht sein. Hatten dort die sprachlich genau abgewogenen Beobachtungen aus der dörflichen Nichtidylle ein starkes Fundament ergeben, wird eben dieses nun vehement in Frage gestellt. Die Dinge selbst sind an die Sprache gebunden, und dieser droht eine nihilistische Entwertung, die sie allen Sinngehalts entleert.

Beim Schreiben und vielleicht überhaupt mit dem Einfachsten ringsum zu beginnen und dem Licht, das es erhellt, ist ein Wunsch, der sich nicht mehr realisieren läßt. Die Dinge werden zur Bühne und ihren Kulissen, die Namen zu bloßen Begrifflichkeiten. Sobald sich ihr Sinn entzieht, bleibt ein dissonantes, vielstimmiges Gesummsel, bei dem die Metaphern und Bilder immer weiter verrutschen.

Furiose Metapoesie

Auf Anhieb enthüllt sich der Hintersinn nicht, man muß es wohl schon mehrmals lesen, dieses „endlose Selbstgespräch“, als das sich das „Gesummsel“ (nicht nur nach des Autors eigenen Worten) entpuppt. Man muß und sollte es vor allem als Zyklus lesen, denn nur auf diese Weise erschließt sich diese wahrhaft furiose Metapoesie. In einzelne Gedichte zerstückt, zerfällt nämlich auch ihr Hintersinn, doch liest man es als ein einziges, großes langes Gedicht, ist der Ausruf in der Nachrede: „Aus dem Bild zu treten, was für ein Glück / die Landschaft hier“, tatsächlich eine Erleichterung und der Eintritt zurück in reale Zusammenhänge ein wiedergewonnenes Territorium. Zumindest scheint es die Hoffnung zu geben, auf etwas, da draußen, außerhalb der beschriebenen Buchseite, und man wünscht dem Autor insgeheim viel Glück und Erfolg dabei, wenn er zuletzt sagt: „Ich nehme die Witterung auf.“

 

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