Das gespaltene Land
Alexander Hagelüken diskutiert mit dem Publikum. Foto: Petra Kurbjuhn
Lesung in Holzkirchen
Wie Ungleichheit unsere Gesellschaft zerstört – und was die Politik ändern muss. So heißt das Buch von Alexander Hagelüken, das hält was es verspricht. Der Autor, von der Volkshochschule Holzkirchen-Otterfing eingeladen, sezierte nicht nur, sondern gab Lösungsansätze.
Der leitende Redakteur des Ressorts Wirtschaftspolitik der Süddeutschen Zeitung stellt die Frage: „Was ist los in unserem Land?“ und antwortet: „Es bröckelt.“ Auf der einen Seite gibt es die Reichen, die mit den teuren Autos und den Designerklamotten und auf der anderen Seite die Habenichtse, denen es schlechter geht als den Menschen in anderen europäischen Staaten. „Es profitieren die vom System, die schon viel haben“, diagnostiziert der Journalist.
„Das gespaltene Land“. Foto: Petra Kurbjuhn
Er hat sein Buch sehr lesefreundlich gestaltet, indem er der sauberen Recherche Menschen hinzugesellt. Menschen, die die verschiedenen Schichten in Deutschland symbolisieren. Da ist die Familie aus Pirmasens, einst gab es dort die höchste Millionärsdichte aufgrund der florierenden Schuhindustrie. Aber 90 Prozent der zumeist unausgebildeten Arbeitskräfte verloren ihre Arbeit, als die Produktion ins Ausland verlegt wurde. Früher der Mittelschicht angehörend, steht diese Familie heute im Abseits. Der Bürgermeister will mit einem Pakt erreichen, dass wenigstens jedes vierte Kind eine Ausbildung macht.
Porsche für 800 000 Euro
Schwenk zum Starnberger See. Hier lebt das Bankerpaar, das sich mit Mitte vierzig bereits zur Ruhe setzen konnte. Es gehört zur Riege derjenigen, wo schon Kinder unter 14 Jahren Millionen erben. Möglich wurde das durch den Neoliberalismus, denen, die zu viel haben, werde nichts genommen, konstatiert Alexander Hagelüken. Diese können sich einen Porsche für 800 0000 Euro leisten, während die Familie in Pirmasens Privatinsolvenz anmeldet.
Alexander Hagelüken bei der Lesung. Foto: Petra Kurbjuhn
Erschreckend die vorgelegte Statistik, dass Männer in Starnberg im Schnitt ein Alter von über 80 Jahren erreichen, in Pirmasens hingegen nur etwa 72 Jahre alt werden. Lebt der Pirmasenser aber von Sozialleistungen wird er nur etwa 60 Jahre alt. „Todesurteil – zu wenig verdient“, meint der Autor.
An Natalie demonstriert Alexander Hagelüken das deutsche Bildungssystem und behauptet: „In Deutschland ist der soziale Aufstieg schwieriger als anderswo.“ Natalie scheitert an den Startchancen, obwohl sie begabt genug für das Gymnasium ist. Da sie zu Hause keinerlei Unterstützung erfährt, verpasst sie den Übertritt.
Der Autor fordert, dass für solche Kinder spezielle Fördermaßnahmen eingeleitet werden müssen. Und zwar je früher, desto besser. Auch die frühe Aufteilung in die verschiedenen Schularten fördere die Ungleichheit.
AfD erntet die Früchte der Unzufriedenheit
Die Auswirkungen der Ungleichheit auf die Politik behandelte der Journalist im letzten Teil seiner Lesung. Der Frust der Menschen führe dazu, dass sie eine Partei wählen, die Nein zu den herrschenden Zuständen sagt. Die AfD ernte die Früchte der Unzufriedenheit und der eigenen wirtschaftlichen Situation. Für Demokratie und Sicherheit sei immer die Mittelschicht maßgebend gewesen. Diese aber schrumpfe.
Alexander Hagelüken plädierte dafür, dass die etablierten Parteien ihre Werte hochhalten, eine transparente Flüchtlingspolitik verfolgen und er forderte einen neuen Gesellschaftsvertrag, bei dem falsche Strukturen beseitigt werden müssten. Deutschland sei zu einem Land der Habenichtse geworden und die Wut der Bürger zeige, dass es zu einem Kollaps kommen könne.
Vhs-Leiter Thomas Mandl und Alexander Hagelüken. Foto: Petra Kurbjuhn
In der Diskussion forderte vhs-Leiter Thomas Mandl: „Wir brauchen Sofortmaßnahmen.“ Dabei wurden verschiedene Modelle wie Erhöhung des Spitzensteuersatzes und der Erbschaftssteuer, neue Formen der Bodenbesteuerung, bezahlbarer Wohnraum, Erhöhung des Mindestlohnes, Besteuerung hoher Vermögen und höherer Löhne im Sozialbereich angemahnt.
Kreativität statt Wissen
Wie aber diese notwendigen Veränderungen in der Gesellschaft bewirken? Zum einen, so schlug Alexander Hagelüken vor, auf die Bundestagsabgeordneten direkt zugehen und Forderungen stellen und zum anderen etwas in der Bildung tun. Thomas Mandl zitierte einen Alibaba-Manager, der gesagt habe, bei Kindern müsse man in erster Linie Kreativität fördern, anstatt ihnen Wissen einzutrichtern.