„Das Narrenschiff“ von Andreas Kuhnlein im Schafhof
Das Narrenschiff im Schafhof. Foto: Petra Kurbjuhn
Ausstellung in Freising
Andreas Kuhnlein präsentiert seine beeindruckende Installation „Das Narrenschiff“ im Schafhof, Europäisches Künstlerhaus Oberbayern in Freising. Mit der über 100teiligen Werkgruppe hält uns der Bildhauer – ausgehend von Sebastian Brants Buch – den Spiegel vor und ermuntert uns, anstatt wegzuschauen, gegenzusteuern.
Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken
Und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken,
Die Mannschaft lauter meineidige Halunken,
Der Funker zu feig‘ um SOS zu funken.
Klabautermann führt das Narrenschiff
Volle Fahrt voraus und Kurs auf‘s Riff.
Bildhauer Andreas Kuhnlein bei der Vernissage in Freising. Foto: Petra Kurbjuhn
Mit diesem Refrain von Reinhard Meys Lied „Das Narrenschiff“ eröffnete Dr. Norbert Göttler die Vernissage im Garten des Europäischen Kulturhauses in Freising. Zuvor hatte Bezirkstagspräsident Josef Mederer darauf hingewiesen, dass es trotz Corona keinen Stillstand im kulturellen Bereich geben dürfe und dass Kunst in das Geheimnis des Menschseins einführe. Andreas Kuhnlein habe mit seiner Kunst immer ein humanistisches Menschenbild gezeichnet. Diese Ausstellung werde in die Geschichte eingehen.
Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler. Foto: Petra Kurbjuhn
Jede Gesellschaft finde sich in Brants Buch, dem erfolgreichsten Werk der Vorreformation, wieder, konstatierte Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler in seiner Laudatio. Sowohl der Autor als auch Andreas Kuhnlein seien Humanisten, Zeitkritiker, Visionäre und Künstler. Der Bildhauer interpretiere mit seinem Werk die bittere Satire neu.
Alle sind gleich
Das Narrenschiff selbst existiert nicht mehr, nur noch Planken und Überreste schwimmen in dem Meer aus Hackschnitzeln. Alle sind jetzt gleich. Napoleon und sein Pferd kämpfen ums Überleben ebenso wie chice Frauen und das Militär. Viele Requisiten deuten an, dass der Schiffbruch alle betrifft. Da sind Waffen, Stöckelschuhe, eine Hand mit einem Buch, Hammer und Sichel, eine Spritze und das Dollarzeichen.
Sie wenden sich ab: Äußerlichkeit und Kommerz in der Kunst. Foto: Petra Kurbjuhn
„Alle Figuren ersaufen, ein apokalyptisches memento mori“, stellte Norbert Göttler fest. Aber da sei auch ein rettendes Ufer. Dort stehen Menschen, die meinen es sei alles in Ordnung oder die mit dem Kopf durch die Wand wollen, andere stehen vor der Litfasssäule und wieder andere drehen dem Inferno den Rücken zu.
Mit dem Kopf durch die Wand. Foto: Petra Kurbjuhn
Und da ist auch der Vater mit dem Kind. Sie nehmen wahr, was passiert. Andreas Kuhnlein richte sich mit seinem Werk gegen Dummheit, Dekadenz, Ignoranz und Wahnsinn und halte uns wie Till Eulenspiegel einen Spiegel vor. Das Thema, so Göttler, sei hochaktuell und an uns liege es, ob wir Kurs auf das Riff nehmen oder noch gegensteuern.
Die Vernissage wurde von Hans Well und den Wellpappn in gewohnt heiterer und musikalisch perfekter Weise begleitet. Es sei ihm eine große Ehre, diese wuchtvolle, kraftvolle und ehrliche Ausstellung mit seiner Musik eröffnen zu dürfen, sagte Hans Well.
Hans Well und die Wellpappn. Foto: Petra Kurbjuhn
Der Schafhof mit seinem Tonnengewölbe ist ideal geeignet für die Installation der 133 Einzelteile des Werkes „Das Narrenschiff“, das jetzt zum dritten Mal der Öffentlichkeit gezeigt wird. Es ist ein tief beeindruckendes Werk in seiner Mahnung und in seinem Aufruf, sich nicht wegzudrehen, sondern wahrzunehmen, was gerade vor unseren Augen geschieht.
Verletzbarkeit unserer Welt
Andreas Kuhnlein hat mit seiner Kunst dieses Mal nicht die Verletzlichkeit des Einzelnen aus dem Holz herausgearbeitet, sondern die Verletzbarkeit unserer gesamten Welt. Er stellt die Frage, ob wir alle Narren sind, dass wir so vergnügt auf dem Vulkan tanzen, wo doch das Schiff dem Untergang geweiht ist.
Lesetipp: Der Tisch ist ein Floß
Am 17.11., 16 Uhr Führung