Liebe schert sich nicht um Klassen
Das gesamte Ensemble nach dem Kleidertausch: Melanie Renz, Theresia Benda-Pelzer, Cathrin Paul, Christophe Vetter, Tony Kainz und Bernd Schmidt (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn
Theater in Holzkirchen
Perfekte Inszenierung, hinreißend agierende Schauspielerinnen und Schauspieler, eine witzige Komödie und dazu ein lauer Sommerabend, was kann man mehr von einem Samstagabend im Juni erwarten? Das Foolsensemble begeisterte open air mit „Das Spiel von Liebe und Zufall“.
Die Mimik von Melanie Renz verheißt einen vergnüglichen Abend. Als Zofe Lisette richtet sie, begleitet von einer Endlosschleife-Musik, die Bühne auf dem Vorplatz des KULTUR im Oberbräu mit Tisch und Teeservice her. Und ist sichtlich genervt, dass es nicht losgeht.
Selten so gelacht
Als es aber losging wurde es nicht nur vergnüglich, sondern irrsinnig komisch, selten so gelacht. Und das bei einem Stück, das 1730 Uraufführung hatte. Es ist Pierre Carlet de Marivauxs bekanntestes Bühnenstück, allerdings von Regisseurin Julia Dippel für die heutige Zeit und auch für die Darsteller zeitgemäß gefasst.
Kammerzofe Lisette (Melanie Renz) übt schon mal adliges Fräulein Silvia (Cathrin Paul). Foto: Petra Kurbjuhn
Man merkt dem Stück die Zeit der Aufklärung an, denn es ist zwar eine Komödie, enthält aber auch tiefsinnige Gedanken zu Standesunterschieden. Denn darum dreht sich die Verwechslungskomödie. Kann ein Edelmann sich in eine Zofe verlieben und sie gar heiraten? Bekennt er sich zu dieser Liebe?
In der Gesellschaft die Maske, zuhause die Fratze
Eigentlich will das adlige Fräulein Silvia gar nicht heiraten, denn sie ist sich nicht sicher, ob man ihr mit einem Ehemann wirklich eine Freude machen kann. Der Mann trage in der Gesellschaft eine Maske, zuhause eine Fratze. Deshalb will sie den ihr zugedachten Edelmann Dorante testen und ihm als ihre Zofe begegnen. Der allerdings hat dieselbe Idee und taucht als sein Diener Harlekin auf.
Gelungenes Bühnenbild. Foto: Petra Kurbjuhn
Aus dieser Ausgangssituation entwickelt sich das Spiel von Liebe und Zufall, das Julia Dippel ganz prächtig, rasant und urkomisch inszeniert hat. Da sitzt jede Pointe. Und auch das Bühnenbild von ihr ist witzig – die Buchsbaumhecken wandern wie von Geisterhand geschoben durch die Gegend. Die prachtvollen Kostüme (Julia Dippel, Anne Hebekker, Ingrid Huber) tragen zur gelungenen Optik ebenso bei wie die Masken (Verena Roll, Sabine Tanriyöver).
Spiellust und Professionalität
Das Schauspielerteam des Foolsensembles des Freien Landestheaters Bayern agiert voller Spiellust und Professionalität. Und es kann improvisieren, wenn plötzlich eine Bank zusammenbricht. Dann wird sie eilends hinausgetragen und die Szene im Stehen weitergespielt. Kein Problem, nur ein zusätzlicher Gag.
Köstliche Mimik von Theresia Benda-Pelzer. Foto: Petra Kurbjuhn
Theresia Benda-Pelzer als Madame Orgon ist eine ganz verständnisvolle Tante und Vormund von Silvia und willigt gern in die Maskerade als Umweg zu der von ihr eingefädelten Hochzeit ein. Ihre köstliche Mimik verdeutlicht eindrücklich ihr jeweiliges Gefühlsleben. Hocherhobenen Hauptes rauscht Madame über die Bühne und amüsiert sich dabei köstlich.
Intrigantes Spiel
Ihr Bruder Mario, ein überzeugter, etwas kauziger und manchmal verwirrter Junggeselle, spielt ein intrigantes Spiel und will den heiratswilligen Edelmann Dorante eifersüchtig machen. Bernd Schmidt in seiner eleganten Art gibt ihm die erforderliche Glaubwürdigkeit, wenn er Silvia umgarnt.
Cathrin Paul und Tony Kainz. Foto: Petra Kurbjuhn
Cathrin Paul ist eine ernsthafte, zurückhaltend agierende Silvia, die sich nicht von einem adretten Gesicht und der Stattlichkeit eines Mannes blenden lässt, Nebensächlichkeiten. Ihr geht es um den anständigen Charakter. Bei dem Versteckspiel ziert sie sich mit Worten, ihre Gesten aber sprechen eine andere Sprache, denn schon längst hat sie sich verliebt, will es aber nicht zeigen. Ihre Hände zittern, sie werkelt umständlich mit dem Teeservice herum.
Standesunterschiede machen ihm nichts aus
Tony Kainz als Dorante spielt ebenfalls einen ernsthaften jungen Mann, der es ehrlich mit seiner Liebe meint, man glaubt ihm aufs Wort, dass ihm Standesunterschiede nichts ausmachen, eine moderne liebenswürdige Figur, authentisch wiedergegeben.
Melanie Renz und Christophe Vetter. Foto: Petra Kurbjuhn
Das Buffopaar der Inszenierung ist das Dienerpaar in der Verkleidung der Herrschaften. Melanie Renz ist eine ausgebuffte, clevere Zofe Lisette, die liebend gern die Rolle des adligen Fräuleins spielt und selbige als Zofe springen lässt: „Meine Frisur macht sich nicht alleine.“ Sie spielt ihre Rolle hinreißend komisch, frech und aufmüpfig und wird ebenso wie ihr Partner zum Publikumsliebling.
Bühnenpräsenz
Schon dessen Auftritt gerät zum Lacher. Christophe Vetter als Diener Harlekin hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz, wenn er sich in den Sessel fläzt und die Beine in hohen Stiefeln auf den Tisch legt. Mit seiner Direktheit und seinem Machogehabe gewinnt er augenblicklich die Zuneigung von Lisette. Und dann, ja dann wird ausführlich geküsst.
Christophe Vetter. Foto: Petra Kurbjuhn
Pech nur, dass die Angebetete eben nicht das erhoffte adlige Fräulein ist. Sein inbrünstiger Minnegesang gerät zur Lachnummer und Theresia Benda-Pelzers Gesicht dabei ist großartig.
Das Publikum spendet immer wieder Szenenapplaus, beim Gesang wohl auch, dass es endlich aufhören möge, aber auch für die schauspielerischen Leistungen und für die klugen Worte, etwa: „Liebe schert sich nicht um Klassen und Stände.“
Nicht enden wollender Applaus
Und dann endet das Spiel von Zufall und Liebe doch noch mit einem sehr schönen mehrstimmigen Gesang und nicht enden wollenden Applaus als Dank für einen wundervollen Abend. Wie schön, dass anschließend Publikum und Darsteller und Regisseurin noch bei einem Glas Sekt zusammenstehen können.
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