Das System Milch
Die Kuh als Produzent. Foto: EIKON-Media und MIRAMONTE-FILM Jakob Stark Tiberius-Film
Film in Holzkirchen
In der vorerst letzten Veranstaltung im Rahmen von „Anders wachsen“ ging es um ein insbesondere in der Region brisantes Thema: Der Film „Das System Milch“ zeigt sachlich und lösungsorientiert auf, wie die Milchindustrie operiert und welche Alternativen möglich sind.
Wie hat sich das Verhältnis von Mensch, Milch und Kuh verändert? fragt Andreas Pichler eingangs. Und wie wirkt sich das auf Tier, Umwelt, Politik und auf uns Menschen aus? Der Filmemacher war als Kind Hütejunge und musste feststellen, dass sich die Zeiten radikal verändert haben. 100 Milliarden Euro und 200 Millionen Tonnen Milch jährlich, das ist die Bilanz der Milchviehwirtschaft. Und keinem geht es dabei gut. Weder dem dänischen Großbauern mit 750 Tieren, noch den Kühen, noch der Umwelt. Kein Bauer sei er, sondern Unternehmer und er werde von der Molkerei im Preis gedrückt, sei ausgeliefert.
Das Filmteam im Senegal. 2.v.l. Andreas Pichler. Foto: EIKON-Media und MIRAMONTE-FILM
Das sagt auch die Familie Geiger aus Donzdorf, die von 35 auf 250 Kühe expandierte, aber eigentlich weniger machen möchte, am Limit ist, aber nicht herauskommt aus dem Wachstumswahn. „Man arbeitet nur für die Konzerne und bleibt selbst auf der Strecke“, ist ihr Fazit. Früher seien die Kühe auf der Weide gewesen, aber jetzt sei die Weidehaltung eingeschlafen, weil die Entfernungen zu groß sind. „Das war besser für die Kühe.“
Das System Milch und die Ökonomie
Und was sagen die Ökonomen zum System Milch? Grimme-Preisträger Andreas Pichler hat sich in den Großmolkereien umgesehen. „Wenn das Wachstum stagniert, haben wir ein Problem“, heißt es da. Eine Molkerei sei wie eine Raffinerie. Aus der Milch produziere man Säuglingsnahrung, Milchpulver für Senioren und billiges für Westafrika.
Beim Melken im Senegal. Foto: EIKON Media und MIRAMONTE-FILM Falco Seliger TiberiusFilm
Auch nach Senegal reiste das Filmteam und musste erfahren, dass das billige Milchpulver aus Europa die einheimische Landwirtschaft ruiniert. Die Söhne der Viehzüchter machen sich auf den Weg nach Europa. „Sie sterben in Libyen oder im Mittelmeer“, heißt es im Film.
Letztlich, so resümiert Andreas Pichler, liefere der europäische Steuerzahler den Treibstoff für diese Ungerechtigkeit, denn die EU-Bauern hängen an den EU-Zuschüssen und aus ihrer Milch wird das Milchpulver hergestellt.
Auf der Weide in Südtirol. Foto: EIKON Media und MIRAMONTE FILM Jakob-Stark Tiberius-Film
Dass es auch anders geht zeigt der Biobauer Alexander Argetle aus Mals in Südtirol. Für ihn sei die Landwirtschaft nicht ein Arbeitsplatz, sondern ein Lebensmodell, sagt er. Seine Kühe, die auf der Weide grasen, leben länger, weil sie nicht so viel Milch produzieren müssen. Die Familie verarbeitet die Milch selbst und vermarktet die Produkte im Direktvertrieb.
Den Gegenpol bekommt der Zuschauer bei der Leistungsschau in Cremona zu sehen. Mit ihren riesigen Eutern werden sie zur Schau gestellt, lebende Kraftwerke. Da sie ständig schwanger sein müssen, werden die Hochleistungskühe maximal fünf Jahre alt, während eine Kuh durchaus 20 Jahre alt werden kann.
Auf der Cremona-Messe. Foto: EIKON Media und MIRAMONTE-FILM Martin Rattini Tiberius-Film
„Unsere Tiere sind Nummern“, und „Kälber sind Abfallprodukte“, die auch getötet werden, weil sie nur Geld kosten, so heißt es aus der industriellen Landwirtschaft, die noch ein weiteres Problem produziert: die Gülle.
In den großen Agrarbetrieben wird nur ein Drittel Gras und zwei Drittel Getreide, zumeist Soja, verfüttert. Das sei schon eine gigantische Verschwendung, da Kühe von Soja nur ein Drittel überhaupt verwerten, sagt Professor Johannes Isselstein. Zudem sei in der Gülle viel Stickstoff. Durch den Sojaimport aus Südamerika, dessen Anbau dort ein ökologisches Desaster sei, folge eine Nitraterhöhung im Grundwasser. Daraus werde im menschlichen Körper Nitrit, das krebsauslösend wirke.
Biobauer Alexander Argetle. Foto: EIKON-Media und MIRAMONTE-FILM Jakob Stark Tiberius-Film
Alexander Argetle indes macht aus seinem Mist Kompost. „Wir müssen wieder runter vom Traktor und den Boden verstehen“, sagt er, darin liege das Geheimnis der ökologischen Landwirtschaft.
Warum aber ist die Milch ein solcher Wachstumsmarkt? Weil Milch gut für die Gesundheit sein soll, behauptet die Werbung der Konzerne. Stimmt so nicht. Zum einen wurde nachgewiesen, dass hoher Milchkonsum mit einer hohen Zahl an Knochenbrüchen einhergeht und zum anderen sogar das Krebsrisiko fördern soll.
Kontrollraum einer Molkerei in China. Foto: EIKON Media und MIRAMONTE-FILM Martin Rattini Tiberius-Film
In China indes wurde den Menschen weisgemacht, dass sie durch hohen Milchkonsum größer werden, ein idealer Absatzmarkt für die EU also. Nur inzwischen bauen die Chinesen ihre eigenen Molkereien, die aussehen wie die Schaltzentren von Kraftwerken.
Ein EU-Parlamentarier spricht es klar aus. Man produziere Überschüsse um die Milchproduzenten unter Druck setzen zu können. Es gehe aber nicht um die Sicherung der EU-Versorgung, sondern um Exporte in die ganze Welt.
Kleinbäuerliche Strukturen sind die Lösung
Seit 2008 protestieren die Milchbauern, die Bauernverbände aber fehlen, sie vertreten einerseits die Großbetriebe und sie kooperieren, so wird deutlich, eher mit der Lebensmittelindustrie. Im Weltagrarbericht steht dagegen, dass kleinbäuerliche Strukturen und die Verfügbarkeit der Lebensmittel vor Ort die Lösung der Probleme sind.
Lesetipp: „Bauer unser“ – Ein Gebet, das gehört werden muss