Der wahre Räuber hat ein gutes Herz
Ensemble des Holzkirchner Komödchens. Foto: Emil Ziegler
Theater in Holzkirchen
Es beginnt wie im Film. Mit dem bekannten Räuberlied. Lydia Starkulla hat mit ihrer Inszenierung „Das Wirtshaus im Spessart“ für das Holzkirchner Komödchen nicht nur das Hauffsche Märchen, sondern auch den 60 Jahre alten Kultfilm von Kurt Hoffmann verarbeitet, allerdings mit neuen und witzigen Ideen.
Und so kommt nicht wie im Film der Bänkelsänger daher und erzählt von der schrecklichen Räuberbande, die im Spessart ihr Unheil treibt, sondern die Regisseurin hat als Klammer der Aufführung eine Markentenderin erfunden. Hilde Ammer, Gründungsmitglied des Komödchens, lenkt die Geschichte und spielt ihre professionelle Bühnenpräsenz voll aus, wenn sie Schlemmereien, Näschereien und Völlereien feilbietet.
Hilde Ammer als Markentenderin und Leonhard Obermüller als General von Knüppeldick. Foto: Emil Ziegler
Und schon ist man mitten im bekannten Geschehen des Märchens oder der Räuberpistole oder der deutschen Robin Hood Version, also einer Geschichte mit sozialkritischem Hintergrund. All dies schöpft Lydia Starkulla in ihrer spannenden und turbulenten Inszenierung voll aus und setzt dabei die 18 Darsteller zwischen 18 und 80 Jahren gekonnt ein. Es geht also um die Entführung einer Prinzessin, die den Räubern Lösegeld bringen soll.
Als Männer verkleidet: Julia Obermüller als Prinzessin Christiane und Franziska Otten als Zofe Felicitas. Foto: Emil Ziegler
Flora Ahlhelm als Jüngste im Bunde meistert ihre Rolle als Jungverliebte und ihrem Felix in den Wald nacheilende Inge mit Bravour, sie spielt das Mädchen ebenso gekonnt wie den jungen Mann in viel zu weiten Hosen. Bekanntermaßen sind Verkleidungen in dem abenteuerlichen Stück an der Tagesordnung. Auch Julia Obermüller als Prinzessin Christiane muss von der Dame zum burschikosen Handwerkerbuschen werden und ihre Stimme senken sowie breitbeinig über die Bühne stolzieren.
Als Frau verkleidet: Albert Ambacher als Felix. Foto: Emil Ziegler
Ein schauspielerisches Glanzstück liefert Albert Ambach, der vom Handwerksburschen zur Prinzessin mutiert. Sein hohes Stimmchen und affektiertes Gehabe sind schlicht köstlich, insbesondere dann, wenn er den Nachstellungen des Räuberhauptmanns (Christian Portenlänger) entkommen will. Dieser indes versteht die Welt nicht mehr, glaubte er doch seine plötzlich aufflammende Liebe zur echten Prinzessin erwidert zu sehen.
Vom Häuschen mit Garten zur WG
Ein Highlight im Film ist die Szene der zwei Räuber, die eigentlich keine Lust mehr aufs Räuberdasein haben und vom biederen Häuschen mit Garten träumen. „Ach das könnte schön sein“, singen der unvergessene Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller. Lydia Starkulla hat diese Szene umgeschrieben. Auch Wolf (Jochen Geipel) und Paule (Walter Vogel) wollen sich abseilen. Aber ganz zeitgemäß planen sie eine WG und angeln sich dafür, sozusagen für die ménage à trois Christianes Gouvernante (Beate Kraft).
Militär lächerlich gemacht
Schon bei Hauff kommt das Militär nicht sehr gut weg, in Hoffmanns Film ebenso wenig, hier setzt die Regisseurin noch eins drauf. Leonhard Obermüller spielt den General von Knüppeldick einfältig und unqualifiziert herumschreiend: „Lumpenpack, Natterngeschmeiß“, und muss dann eingestehen, dass alle Soldaten, es waren einmal immerhin sieben, desertiert sind.
Traudl Wochinger-Schuhbeck als Gräfin und Hans Rieger als Graf von Sandau. Foto: Emil Ziegler
Und noch ein gesellschaftskritischer Aspekt spielt schon bei Hauff eine wichtige Rolle: Die Räuber tun zwar mächtig gefährlich, sind aber letztlich arme Schlucker, denn sie wurden vom Grafen Sandau ausgebeutet. Und so ist ihr Ziel: „Das was uns gestohlen, das werden wir uns holen.“ Und „der wahre Räuber hat ein gutes Herz.“ Hans Rieger spielt den Grafen eitel und machthungrig, aber gottlob hat er eine Frau mit Herz. Traudl Wochinger-Schuhbeck rettet als Gräfin das Geschehen.
Christian Selbherr als Otto, Jochen Geipel und Walter Vogel als Wolf und Paule. Foto: Emil Ziegler
Die Räuberszenen hat Lydia Starkulla genüsslich inszeniert. Hauptmann Karl, Wolf, Paule, Otto (Christian Selbherr) und Willi ( Erich Leiter), sowie Franziska (Regina Deflorin D’Souza) schleichen mit Ästen wie Fächer vor dem Gesicht durchs Gehölz. Christian Selbherr ist ein köstlich hyperaktiver Otto, der immer meint, dass ihn keiner mag und für pausenlos Action auf der Bühne sorgt. Regina Deflorin D‘Souza spielt das mannstolle Räubermädchen witzig und mit vollem Körpereinsatz.
…zum Gärtner gemacht
Und natürlich kriegt sie auch im turbulenten Spiel einen ab, Franz, der zweite Handwerksbursch, gespielt von Korbinian Kloiber erliegt ihren Verführungskünsten. Christianes Zofe (Franziska Otten) allerdings geht leer aus, ebenso wie Knüppeldick, der allerdings einen neuen Job als Gärtner bekommt. Man wird an ein Sprichwort erinnert…
Regina Deflorin D’Souza als Franziska, Renate Grötsch als Wirtin und Winfried Günzel als Wirt. Foto: Emil Ziegler
Ist ja sowieso alles „sentimentaler Quatsch“ sagt Winfried Günzel, der Wirt, den seine Frau (Renate Grötsch) mit ihren Träumereien wahnsinnig nervt, vergisst sie doch dabei immer das Geschäft.
Ein wichtiger Aspekt für die Aufführung ist das tolle Bühnenbild, entworfen von Lydia Starkulla. Eine Drehbühne gab es im Foolstheater noch nie. Und so können sich Räuberwald, Wirtshaus und gräfliches Schloss in intelligenter Weise abwechseln ohne jeglichen Umbau, was der Inszenierung zusätzliches Tempo verleiht. Andrea Beiers gelungene Kostüme runden den unterhaltsamen Theaterabend mit Tiefgang ab.
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