Szenerie ins Atelier geholt
Wie damals: Hans-Herbert Perlinger, 2. Vorsitzender „Museum Tegernseer Tal“, Peter Höß, 1. Bürgermeister Gemeinde Bad Wiessee, Josef Bierschneider, 1. Bürgermeister Gemeinde Kreuth, Ursula Klitzsch, Miteigentümerin, Ludwig Klitzsch, Klinik-Eigentümer, Dr. Roland Götz, Sprecher des Audioguides, Stefan Schneider, Geschäftsführer der Klinik im Alpenpark Foto: Marcus Schlaf
Dauerausstellung in Kreuth
Eine Dauerausstellung von Fotografien aus dem Atelier Joseph Reitmayer mit Audioführung wurde jetzt in der Klinik im Alpenpark eröffnet. Die Besucher können nicht nur das Tegernseer Tal vor 100 Jahren in den historischen Bildern bestaunen, sondern sich selbst so ablichten lassen wie damals.
Mit Hut und Trachtenjanker, aufgestützt auf Birkengeländer und Stock, so ließen sich die Touristen vor 100 Jahren fotografieren. In Zeiten der Selfieflut eine völlig neue Erfahrung, die den Gästen der Vernissage sichtlich Freude machte.
Ludwig Klitzsch, Eigentümer der Klinik im Alpenpark, machte seine Intention zur Ausstellung deutlich. Vor einigen Jahren hatte die Familie Klitzsch über 7000 Glasplatten des herzoglich bayerischen Hoffotografen Joseph Reitmayer erworben, um sein Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Daniel Glasl und Thomas Plettenberg
Vor zwei Jahren zeigte bereits die Klinik im Alpenpark eine Neuinterpretation dieser Fotos von den beiden Fotografen Daniel Glasl und Thomas Plettenberg. Vor einem Jahr gab es eine Ausstellung im Museum Tegernseer Tal mit den Originalfotos, konzipiert von Birgit Halmbacher und Hans-Herbert Perlinger.
Lesetipp: Reitmayer-Fotografie – neu interpretiert
Jetzt kehrten sie zurück. Mit dieser Ausstellung wolle man zur Identität des Tegernseer Tales etwas beitragen, sagte Ludwig Klitzsch, dazu gebe es die Zutaten Authentizität und Selbstbewusstsein. „Wo samma denn?“, diese Frage stehe für die Ermahnung der eigenen Werte und dafür, dass man sich besinne, wofür man wirklich stehe.
7200 Glasplatten inventarisiert und digitalisiert
Die Geschichte und die Zeugnisse des Lebens zu erhalten, dafür mache sich das Museum Tegernseer Tal stark, betonte Hans-Herbert Perlinger. Deshalb habe man auch die 7200 Glasplatten mit Reitmayer-Fotografien inventarisiert und digitalisiert. Die gegliederte Ausstellung, zunächst im Museum Tegernseer Tal und jetzt dauerhaft in der Klinik, vermittle einen lebendigen Eindruck über das Leben von vor 100 Jahren. Er wünsche den Patienten der Klink Freude und Entspannung damit.
Sommerliche Badenfreuden vor 100 Jahren. Foto: Eigentum der Klinik im Alpenpark
Lesetipp: Reitmayer-Fotografie: Leben im Tegernseer Tal vor 100 Jahren
Dass die Klinik zu Kreuth und nicht zu Bad Wiessee gehöre, betonte Bürgermeister Josef Bierschneider, schmunzelnd in Richtung zu seinem Amtskollegen Peter Höß; sie sei ein Aushängeschild für die Gemeinde. Er schlug den Bogen von der Vergangenheit zwischen den zwei Weltkriegen zur Gegenwart und ermahnte zur Verantwortung in Zeiten des Populismus und der Europafeindlichkeit. „Das höchste Gut ist Frieden“, sagte er, und diesen Gedanken müsse man in die Zukunft tragen.
Fotografin Barbara Kömmerling zeigt, assistiert von Ludwig Klitzsch, eine Gegenlichtblende. Foto: Marcus Schlaf
Fotografin Barbara Kümmerling hatte eine ganze Tasche historischer Fotoausrüstung dabei und ließ die Besucher die alten Gegenstände, wie Gegenlichtblende, Mattscheibe und Objektiv nicht nur betrachten, sondern auch anfassen. Ihre Botschaft an die Gäste: „Macht weniger Fotos im Urlaub und genießt lieber.“
Touristen am See. Foto: Eigentum der Klinik im Alpenpark
In den Genuss einer persönlichen Führung durch die Dauerausstellung im 2. Stock mit Roland Götz kamen anschließend die Gäste der Vernissage. Der Historiker aber produzierte einen Audioguide, mit dem künftig jeder Besucher Wissenswertes über Reitmayer, die Fotografie vor 100 Jahren und die ausgewählten etwa 100 Fotografien erfährt.
Vor dem Lieblingsbild: Dr. Roland Götz, Hans-Herbert Perlinger, Ludwig und Ursula Klitzsch, Foto: Marcus Schlaf
„Eins meiner Lieblingsbilder ist das Familienbild von Reitmayer mit Frau und zwei Töchtern“, verriet er. Es sei unkonventionell, nicht steif, obwohl man damals mit langen Belichtungszeiten gearbeitet habe. Joseph Reitmayer kam 29-jährig bei einem Bootsunglück ums Leben und seine Frau Maria führte das Atelier weiter.
Gnadenlos ehrlich
Ein anderes Lieblingsbild von Roland Götz verrät eine Menge der damaligen Arbeitsweise. „Wir sind gnadenlos ehrlich“, sagte der Historiker. Man habe die tatsächlichen Gesamtplatten vergrößert und nicht die vorgesehenen Ausschnitte. Und so ist auf dem Gruppenbild junger Männer nicht nur der künstliche Felsen und ein Birkengeländer zu sehen, sondern auch die Bergstecken, die der Fotograf an seine Kunden verlieh.
Blick auf den Malerwinkel. Foto: Eigentum der Klinik im Alpenpark
„Wir haben offengelegt, dass man damals die ganze Szenerie ins Atelier geholt hat“, betonte Roland Götz. Und man habe auch nicht proportional aus dem Gesamtmaterial ausgewählt, sonst wären es zu 90 Prozent Porträts gewesen. Nein, man habe die Ausstellung thematisch gegliedert. So kann der Besucher Fotografien aus den Themenbereichen „Lebenslinien“ oder „Herzogliche Familie“ ebenso wie einzelne Orte des Tales oder Winter- und Sommersport wie auch Straßenszenen bestaunen.
Arbeit wurde ausgespart
Nur ein Thema kommt so gut wie gar nicht vor: Arbeit. Auf einem Bild im Malerwinkel von Egern sieht man ein paar Menschen bei der Heuarbeit. Die Ausstellung bietet dennoch einen faszinierenden Einblick in das Leben vor 100 Jahren am Tegernsee und der Audioguide liefert dazu spannende Hintergrundinformationen.