Degrowth und Anders wachsen
Startschuss für „Anders wachsen“: Nina Treu bei der Spurwechselinitiative. Foto: Petra Kurbjuhn
Neuerscheinung auf dem Buchmarkt
Eine große Anzahl unterschiedlichster Bewegungen arbeiten in Deutschland auf eine ökosoziale Transformation hin. 32 von ihnen sind jetzt in dem Buch „Degrowth in Bewegung(en)“ vorgestellt. Herausgeberin Nina Treu aus Schliersee setzte auch den Impuls für „Anders wachsen“ im Landkreis Miesbach.
Degrowth ist der etwa sperrige Begriff für die Suche nach Alternativen zum herrschenden Wirtschaftsmodell. Es geht um einen Paradigmenwechsel: weg vom Fokus auf Wettbewerb, Gewinnstreben, Ausbeutung und Wachstum – hin zu mehr Kooperation, Solidarität und einer Orientierung an konkreten Bedürfnissen. Und es geht darum, die Bedingungen für ein gutes Leben für alle zu schaffen. Entgegen dem Dogma, es gebe keine Alternativen zum sogenannten Raubtierkapitalismus zeigen diese, auch Graswurzelbewegungen genannten Initiativen: Es gibt tausend Alternativen, und viele weitere können entstehen.
Für eine bessere Welt
Sie setzen sich auf unterschiedlichste Art und Weise für alternative Lebensformen ein oder probieren es praktisch aus. An mehr und mehr Orten, in Praxisprojekten und sozialen Kämpfen schimmern Alternativen auf. Das wird oft an Fragen wie diesen deutlich: Wie könnte eine grundlegend bessere Gesellschaft gestaltet sein? Was können wir heute dafür tun, dahin zu kommen? Und wie passen unsere Alternativen zusammen?
Corinna Burkhart, Matthias Schmelzer und Nina Treu vom Konzeptwerk Neue Ökonomie Leipzig haben sich in einer zweijährigen Arbeit auf den Weg gemacht, eine Auswahl dieser Initiativen zu treffen. „Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern haben Bewegungen angesprochen, mit denen wir schon Beziehungen hatten, die entsprechenden AutorInnen haben dann weitere Bewegungen vorgeschlagen“, sagt Nina Treu.
Attac und Ökodorf
Entstanden ist ein Buch, erschienen im oekom Verlag und auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt. Die drei HerausgeberInnen haben den Vertretern der Initiativen dieselben Fragen vorgelegt: Was ist die Kernidee eurer Initiative, wer sind die Akteure, wie ist der Bezug zu Degrowth und welche Anregungen habt ihr für Degrowth und letztlich welche Visionen gibt es. Dabei sind so große und bekannte Initiativen wie Attac, Gemeinwohlökonomie, FUTURZWEI oder Grundeinkommen ebenso wie Ökodorf-Bewegungen oder Offene Werkstätten. Theorie neben Praxis.
Die Idee dabei ist die Beantwortung der Fragen: Wie steht Degrowth im Verhältnis zu anderen sozialen Bewegungen? Was kann die Degrowth-Bewegung von diesen lernen? Und was können andere soziale Bewegungen wiederum voneinander sowie von Degrowth-Ideen und -Praktiken lernen? Welche gegenseitigen Anregungen aber auch welche Spannungen gibt es? Und wo könnten Bündnisse möglich sein? Denn trotz vieler Überschneidungen mit anderen sozialen Bewegungen gibt es sowohl bei diesen als auch in Degrowth-Kreisen noch viel Unkenntnis über die jeweils anderen. Hier bietet sich viel Raum für gegenseitiges Lernen.
Zur Konferenz „Anders wachsen“ im Waitzinger Keller in Miesbach hielt Nina Treu das Impulsreferat. Foto: Petra Kurbjuhn
„Wir wollen einen Beitrag leisten zum gegenseitigen Kennenlernen, zum Vernetzen, zum zusammen Arbeiten“, sagt Nina Treu. Vor reichlich zwei Jahren hielt sie einen Vortrag zum Thema „Degrowth“ im Rahmen der Spurwechselinitiative von KulturVision e.V. Immerhin hatte sie mit Mitstreitern die Internationalen Degrowth-Konferenz 2014 in Leipzig organisiert. Auf unsere Frage, was das Ergebnis dieser Konferenz gewesen sei, meinte sie: „Wir brauchen auch regionale Konferenzen, um das Potenzial in der Region zu vernetzen.“
Das war der Impuls für die Konferenz „Anders wachsen“, die am 22. April 2016 mit großem Erfolg im Waitzinger Keller in Miesbach stattfand, ein Gemeinschaftsprojekt von KulturVision e.V., dem Kulturamt der Stadt Miesbach und weiteren Partnern. Der Erfolg ermutigte uns, die Veranstaltungsreihe „Anders wachsen“ ins Leben zu rufen, ein Projekt, das nun neben KulturVision e.V. vom Katholischen Bildungswerk und KULTUR im Oberbräu getragen wird.
Anders wachsen geht in die zweite Runde
Wir fanden, dass „Degrowth“ für das Oberland ein zu sperriger Begriff ist und meinen, dass „Anders wachsen“ – Alternativen für das Oberland unser Anliegen besser beschreibt. Für unser neues Veranstaltungsprogramm, das im September beginnt, haben wir zur Auftaktveranstaltung Nina Treu eingeladen, ihr Buch „Degrowth in Bewegung(en)“ vorzustellen.
Wenn die Transformation in Bewegung kommen soll, dann braucht es ein gemeinsames Vorgehen. Und somit ist das Buch, das zur Zusammenarbeit aufruft und nicht zu Skepsis und Abgrenzung, ein wichtiger Meilenstein.
Am 19. Juni um 19.30 Uhr wird Nina Treu das Buch im Münchner Zukunftslabor des oekom Verlages am Goetheplatz vorstellen. Und im September wird sie zu Gast im Landkreis Miesbach sein. Den Termin entnehmen Sie bitte unserem Kulturkalender oder dem „Anders wachsen“-Flyer, der Anfang September erscheint.