Demokratie

Vom Glück der Demokratie

„Hört einander zu!“ und „Es geht um die Kinder“ — Jennifer Roger mit Sohn Janosch. Foto: mi

Die Bücheroase Schliersee vor der Wahl

Natürlich ist es in erster Linie ein Buchladen. Aber Jennifer Roger, die Inhaberin der Schlierseer Bücheroase, sieht noch etwas ganz anderes darin: Einen Ort des kulturellen Austauschs, an dem man sich zwanglos treffen und über Bücher diskutieren, aber auch — und durchaus kontrovers — über gesellschaftspolitische Themen jeder Art debattieren kann. Vor allem aber soll es ein Ort sein, an dem man sich zuhört.

Demokratie im Schaufenster

Zuhören, das ist Jennifer Roger wichtig. Sie hat das Gefühl, dass Menschen einander nicht mehr zuhören. Das, so sagt sie, sei doch aber eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren der Demokratie. Die Idee, das Schaufenster ihres Buchladens anlässlich der bevorstehenden Wahl mit Büchern zum Thema Demokratie zu bestücken, war schnell geboren. Gemeinsam mit Freunden diskutierte sie tagelang, welche Bücher ins Schaufenster sollen, und wie man die Bücher — und das Thema — zum Leben erwecken kann. Schließlich wurde dekoriert, am Wochenanfang noch geklebt und geschnipselt und gehängt – und seit Dienstag nun kann man das Ergebnis des gemeinsamen Brainstormings bestaunen.

Demokratie
Isabella Heller, Mitarbeiterin in der Bücheroase, beim Dekorieren. Foto: mi

Dialog der Bücher

Bestaunen ist das richtige Wort. Denn in das kleine Demokratieprojekt sind eine Menge kreativer Ideen und kluger Gedanken geflossen. Eigentlich wird da eine Geschichte erzählt: Links im Schaufenster sehen wir nämlich ein aus Pappmaché und Karton selbst gefertigtes griechisches Säulengebäude (Achtung Metapher: an der linken Säule zeigen sich Risse!) mit einem Versammlungsplatz davor — eine sogenannte Agora, die den frühen Beginn der Demokratie im antiken Griechenland verkörpert. Vor dem Gebäude stehen kleine Figuren, also Menschen, die den Versammlungsort zum regen Austausch benutzen und auch zwischen den Büchern hin- und herwandern und plaudern. Angesteckt von dieser Freude am Dialog unterhalten sich nun auch die verschiedensten Bücher — über Sprechblasen — miteinander: Welch wunderbare Symbolik.


Die Agora in der Bücheroase. Foto: mi

Spektakuläre Auswahl an Themen

Bei der Auswahl der Bücher hat Jennifer Roger darauf geachtet, dass keine Parteipolitik stattfindet. Gemeinsam mit ihren Freunden hat sie stattdessen Bücher ausgesucht, die nicht unbedingt tagesaktuell sind, sondern das Thema Demokratie viel weiter fassen. Interessant zum Beispiel ein Buch, das sich mit der Wucht und dem Einfluss der Sprache beschäftigt („Reden, die die Welt veränderten“). Oder ein Buch, das — fern der üblichen Zuspitzungen — die unterschiedliche gesellschaftspolitische Entwicklung des Demokratieverständnisses in Ost- und Westdeutschland unter die Lupe nimmt („Tausend Aufbrüche“). Und während Erica Benner zum Beispiel die Fallstricke der Demokratie analysiert, gibt uns Ruprecht Polenz eine Anleitung zu ihrer Verteidigung an die Hand. Andrea Weller-Essers richtet sich in ihrem Buch wiederum an Kinder, denen sie auf interessante Weise die Grundlagen der Demokratie nahebringt. Kurzum, das Spektrum ist breit, und selbstverständlich finden auch die brisanten Themen Umwelt, Migration und Krieg Gehör.

Die Kunst des Zuhörens

Gleich zwei Bücher tragen das Wort „Zuhören“ im Titel – nicht ohne Grund. Jennifer Roger hatte, es ist einige Jahre her, ein prägendes Erlebnis beim Besuch des Friedensnobelpreismuseums in Oslo: Da waren etliche Preisträger in Zuhörpose zu sehen – vor ihrer Rede anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises hatten diese großen Frauen und Männer tatsächlich erst einmal zugehört. „Erst durch das Zuhören können wir doch unsere eigene Position ausdifferenzieren und abbilden“, sagt Roger. „Indem wir auf die Zwischentöne achten, vermeiden wir Schubladendenken.“

Denkanstöße zur Demokratie

Nehmen Sie sich Zeit, wenn Sie der Bücheroase einen Besuch abstatten. Die Bücher geben — mitsamt der Dialoge, die sie miteinander führen — allesamt kluge Denkanstöße. Genau das ist es, was Jennifer Roger erreichen möchte: Die Besucher der Bücheroase zum Nachdenken anregen. „Ich möchte, dass sie in Ruhe abwägen, bevor sie sich erst nach langer, reiflicher Überlegung eine Meinung bilden.“

Kleines Detail zum Schluss: Nachdem — bei allem Lob für die attische Demokratie — die Frauen im damaligen Griechenland von der politischen Teilhabe ausgeschlossen waren, hat Jennifer Roger, ganz keck, die Lysistrata mit ins Schaufenster gelegt — die feministische Komödie des altgriechischen Dramatikers Aristophanes. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Zum Weiterlesen: Was ist Demokratie?

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf