Zu Pfingsten: Der Geist der Hoffnung
Cover „Der Geist der Hoffnung“. Foto: MZ
Buchtipp von KulturVision
Zum heutigen Pfingstsonntag empfehlen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein Buch des Philosophen Byung-Chul Han. Er setzt der um sich greifenden Angst in der Gesellschaft eine lebendige, aktive Hoffnung entgegen.
Auch wenn heute Pfingsten in erster Linie als Urlaubszeit genutzt wird, ist es doch in der christlichen Tradition ein Fest, bei dem der Heilige Geist zum Menschen kommt, einfach ausgedrückt, bei dem der Mensch eine göttliche Kraft erfährt, die sein Leben bereichert.
Dies ist heute besonders wichtig, denn wir werden von globalen Katastrophen heimgesucht und viele Menschen haben eine lähmende Angst vor der Zukunft, nicht Furcht vor einer bestimmten Sache, sondern Angst vor dem Ungewissen. Das geht einher mit zunehmendem Egoismus. Solidarität und Empathie gehen verloren, die Demokratie ist gefährdet, der Andere wird zum Feind erklärt.
Hoffnung ist der Zukunft zugewandt
Dieser Gesellschaft der Angst setzt Byung-Chul Han sein soeben bei Ullstein erschienenes Buch „Der Geist der Hoffnung“ entgegen. Darin analysiert er brillant die Gedanken zahlreicher Denkerinnen und Denker zum Thema Hoffnung und setzt diesen seinen eigenen Entwurf entgegen.
Hoffnung, so schreibt er, sei weder Wunsch, noch Wille, noch Erwartung. Hoffnung habe nichts mit der Betrachtung der Gegenwart oder Vergangenheit zu tun, wie das beispielsweise bei Martin Heidegger der Fall sei, sondern ausschließlich mit der Zukunft.
Byung-Chul Han. Foto: privat, Ullstein
Hoffnung sei ein Ja zum Leben, ein Trotzdem, so habe es Friedrich Nietzsche gesehen. Hoffnung sei Kraft, sei Schwung, so schreibt der aus Südkorea stammende Denker, der in Deutschland Geisteswissenschaften studierte.
Ein wesentlicher Aspekt sei dabei, dass die Hoffnung einen aktiven Kern habe. Der Autor zitiert Erich Fromm, der schrieb, dass Hoffnung bedeute, jederzeit bereit zu sein, für das was noch nicht geboren ist. Das durchzieht das gesamte Buch. Es geht bei der Hoffnung um das Ungeborene, das Noch-nicht-Erdachte oder Noch-nie-Dagewesene, das ganz Neue.
Hoffnung ist Gewissheit, dass etwas Sinn hat
Hoffnung also als Geisteszustand, der einer Schwangerschaft gleicht, bereit sein für die Geburt des Neuen. Dieses kontemplative Aktivsein trennt der Philosoph vom Vita activa von Hannah Arendt, für die Hoffnung nicht wesentlich für das Handeln ist.
Hingegen zitiert Byung-Chul Han den tschechischen Ministerpräsidenten Vaclav Havel, der sagte: „Hoffnung ist eben nicht Optimismus. Es ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“
Weg vom Ich zum Du
Damit ist Hoffnung eine Dimension unserer Seele, ein Geisteszustand, eine Haltung. Sie ist der Erkenntnis verwandt, die mit Gefühlen einhergeht. Blaise Pascal schrieb: „Liebe und Vernunft sind ein und dasselbe.“ Dabei wird Eros, so schreibt Byung-Chul Han, zum Symbol für das „Begehren nach dem Anderen“, womit der Weg vom Ich zum Du geöffnet wird.
In seinem abschließenden Kapitel „Hoffnung als Lebensform“ greift der Autor diesen Aspekt auf. Hoffnung habe ihre Kraft nicht im Selbst sondern wer hoffe, sei zum Anderen unterwegs. Damit sei die Hoffnung dem Glauben benachbart und habe ihren Ursprung im Transzendenten.
Die Hoffnung als Stimmung, nicht als Affekt, sondern als Grundhaltung, hat der französische Philosoph Gabriel Marcel in den Satz gegossen: „Ich hoffe auf dich für uns.“
Lust auf das Neue, Unbekannte
Glaube, Liebe und Hoffnung diese drei, wie es im 1. Korintherbrief steht, seien miteinander verwandt, schließt Byung-Chul Han sein Buch und betont noch einmal, dass das Denken der Hoffnung sich an der Geburt, an das In-die-Welt kommen, an das radikal Neue, noch nie Da-Gewesene orientiert.
Damit ist das Buch zum einen Quelle der Erkenntnis für den philosophisch Interessierten, aber vielmehr ein Buch, das von der Angst befreit und die Lust auf das Neue, Unbekannte weckt, das mit Leidenschaft erwartet werden will.
Der Text wird ist Bildern von Anselm Kiefer illustriert.
Zum Weiterlesen: Am Ende wird alles gut?