„Der heilige Hies“ im Thomahaus
Ignatius Taschner: Der heilige Hies. Foto: MZ
Lesung in Tegernsee
Mit der ergötzlichen Lesung von Ludwig Thomas Erzählung „Der Heilige Hies“ gestaltete Klaus Wittmann die letzte öffentliche Veranstaltung vor der Sanierung des Hauses des Dichters auf der Tuften. Die Besucher genossen sichtlich das Gefühl, in der guten Stube Thomas sitzen zu dürfen.
„Der Geist des Ortes ist allgegenwärtig“, sagte Klaus Wittmann zur Begrüßung. Es sei schon etwas Besonderes, den Reiz des Intimen inmitten von Möbeln und Bildern Ludwig Thomas zu spüren und zu wissen, dass hier viele seiner Texte entstanden, dass hier zahlreiche Berühmtheiten ein- und ausgingen.
Das Entree im Ludwig-Thoma-Haus. Foto: MZ
Am besten sei Ludwig Thoma das Schreiben von der Hand gegangen, wenn der Kiem Pauli Gitarre gespielt habe und deshalb habe auch er heute Gitarrenmusik eingeladen, erklärte Klaus Wittmann. Mit dem Gitarrenduo Heinz Neumaier und Markus Köhl waren zwei exzellente Musiker nach Tegernsee gekommen, die der Lesung den passenden Rahmen gaben.
Markus Köhl spielte die Melodie, sein Lehrer Heinz Neumaier begleitete ihn, wobei ein Teil der Stücke Eigenkompositionen Neumaiers waren.
Die Gitarristen Heinz Neumaier und Markus Köhl begleiten Klaus Wittmanns Lesung. Foto: MZ
In nur drei Tagen verfasste Ludwig Thoma kurz vor Weihnachten 1903 die köstliche Geschichte „Der heilige Hies“ und erregte damit die Gemüter der Menschen heftig, als sie in den Süddeutschen Monatsheften erschien. Der Bauernstand sei lächerlich gemacht und die Geistlichkeit verhöhnt worden, zitierte Klaus Wittmann die damalige Kritik.
Beißender Spott
Thoma aber habe Sauerteig in der Gesellschaft sein wollen, sei der Salonmoral des Bürgertums ebenso wie dem Klerus mit beißendem Spott zu Leibe gerückt.
Die Erstausgabe des Buches aus dem Jahre 1904 sei eine bibliophile Kostbarkeit, denn Thomas bester Freund, der Architekt Ignatius Taschner, der auch das Thomahaus in den Tuften erbaute, habe es illustriert. Diese Illustrationen hatte der Vortragende vergrößert mitgebracht.
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Klaus Wittmann las die Geschichte des Mathias Fottner so lebendig, dass die Zuhörer den Lebensweg regelrecht miterleben konnten und immer wieder schmunzeln mussten. Als siebtes Kind des Häuslers Fottner geboren, war der Hies zunächst recht schwächlich, wuchs sich aber im Laufe der Geschichte zu einem drei Zentner schweren Pfarrer aus.
Klaus Wittmann bei der Lesung. Foto: MZ
Wie das? Der Brücklbauer hatte einen Meineid geschworen und Angst vor dem Jenseits. Er wollte den Schaden wiedergutmachen und entschied sich, den Hies studieren zu lassen. Der aber war kein Freund der mühsamen Kopfarbeit und flog nach zwei Extrarunden vom Gymnasium. Beim Trinken indes oder beim Tarocken, da war der Hies Spitze.
Der verhinderte Student ging zum Militär und wurde schnell Unteroffizier. Das aber nützte dem Brücklbauer für sein himmlisches Konto nichts, und er hatte doch schon so viel in den Buben investiert. So holte er sich Rat, wie er die Sache doch noch zu seinen Gunsten drehen konnte. Er erfuhr, dass es in Rom bei den Jesuiten auch für weniger begabte Burschen eine Möglichkeit gebe, zum Priester ausgebildet zu werden.
Vorgriff auf Filserbriefe
Letztlich ergriff der Hies diese Chance. Ein köstlicher Brief des Vaters in starkem Dialekt, schon ein Vorgriff auf die Filserbriefe Thomas, zeitigte Wirkung und der Hies ging sieben Jahre nach Rom.
Die Beschreibung, wie er als Primiziant zurückkommt und allseits den Segen erteilt, ist umwerfend komisch. Eigentlich hätte er ja als Missionar zu den Wilden gehen sollen, weil „für die langt es schon“, was er an Wissen mitbringt, aber jetzt ist der Hies schlau genug, um sich in die Schweiz nach Graubünden abzusetzen, wo er als schwergewichtiger Priester noch lange wirkt.
Mit König Ludwig-Porträt und zahlreichen Krickerln vermiitelt die Wohnstube ein besonderes Flair. Foto: MZ
Die köstliche-sarkastische Geschichte, professionell von Klaus Wittmann vorgetragen und stimmungsvoll musikalisch begleitet, glich die Wehmut aus, dass jetzt für mindestens ein Jahr das Thomahaus geschlossen sein wird.
Ob es sich nach der Sanierung noch ebenso anfühlt wie an diesem Abend? Wer weiß, meinte Klaus Wittmann.