Brauchen wir ihn oder kann er weg?
Der Internationale Frauentag. Foto: Gerd Altmann pixabay
Betrachtungen zum Internationalen Frauentag
„Das ist der reinste Hohn und sollte abgeschafft werden“, sagte am Freitag bei 3sat Kulturzeit Feministin Alice Schwarzer. Sie meinte den heutigen Internationalen Frauentag. Wir haben Frauen aus dem Landkreis befragt, ob es diesen Tag braucht und wie es mit der Gleichstellung der Frau aussieht.
1911 wurde der Internationale Frauentag ins Leben gerufen, feiert also heute am 8. März seinen 110. Geburtstag. 1958 verabschiedete der Bundestag das Gesetz über die Gleichberechtigung der Frau. Seitdem ist viel passiert. Darüber sind sich alle Befragten einig und dennoch gibt es Lücken.
So sind 57 Prozent aller Personen mit Hochschulreife Frauen, beim Hochschulabschluss sind die Geschlechter etwa gleich vertreten, aber danach hakt es. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Politik und Wirtschaft ist nach wie vor weit unter 50 Prozent. Insbesondere bei Start-Ups, so hörten wir kürzlich in einem Vortrag, sind weibliche Gründerinnen nur mit vier Prozent vertreten. Vorstandsposten besetzen sie mit 30 Prozent, in Daxunternehmen sind es sogar nur 14 Prozent. Woran liegt das?
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Sicherlich auch daran, dass Frauen überdurchschnittlich viel sogenannte Sorgearbeit leisten, also Kinder, Eltern und Haushalt betreuen, deshalb gern in Teilzeit arbeiten, dann aber Führungspositionen eher schwer einnehmen können.
SPD-Politikerin Christine Negele. Foto: privat
Christine Negele, Fraktionssprecherin der SPD-Kreistagsfraktion im Landkreis Miesbach, spricht es aus: „Man hört heute noch den Satz: Frauen fallen wegen Gebären aus.“ In Führungspositionen sei heute eine Frauenquote nach wie vor erforderlich, um die Gleichberechtigung durchzusetzen. Die Quote habe die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen in den 70er Jahren gemeinsam mit Willy Brandt und Hans-Jochen Vogel durchgesetzt.
Die Quote bezeichnet Christine Negele als Zwischenschritt bis Frauen in den Unternehmen gleichberechtigt sind. „Wenn Frauen an der Spitze sind, ändert sich die Unternehmenskultur“, ist sie überzeugt.
Isabelle Schaebbicke. Foto: Facebook
„Wir sind auch an allen anderen Tagen im Jahr für die Gleichberechtigung“, sagt Isabelle Schaebbicke, Vorsitzende der CSU-Frauenunion im Landkreis Miesbach. Solange es aber solche Klischees gebe wie: „Am Montag freuen sich die Frauen, weil die Friseure öffnen und die Männer, weil die Baumärkte öffnen“, müsse man auf das Thema aufmerksam machen. Sie habe mit der Frauenunion bei Facebook eine Aktion dazu gestartet. „Wir verfolgen besonders das Thema Equal Pay und das Miteinander von Frauen und Männern auf Augenhöhe“, betont die Kommunalpolitikerin. Es gehe dabei nicht um revolutionäre Aktionen, sondern darum im Beruf und im täglichen Umgang gehört und ernst genommen zu werden. „Wir halten es mit unserer Landesvorsitzenden Ulrike Scharf: Wir sind nicht die Schätzchen, sondern der Schatz der CSU.“
Kreisbäuerin Marlene Hupfauer mit Moderator Stefan Scheider bei der Konferenz „anders wachsen“ von KulturVision 2019. Foto: Jürgen Haury
Die Situation in der Landwirtschaft sieht Kreisbäuerin Marlene Hupfauer differenziert. Zum einen werde sehr viel für die Bildung der Frauen über die Landfrauenabteilung beim Bauernverband getan. Zudem sei in den Familienbetrieben die Arbeitsteilung von Frau und Mann normal, wobei das Klischee „Kinder, Küche, Kirche“ schon auch noch vorhanden sei. In der Politik aber werde man als Frau nur zur Kenntnis genommen. Mache man einen Vorschlag, würde dieser später von einem Mann vorgetragen und erst dann ernst genommen. „Die Beschlüsse machen die Männer“, ist die Erfahrung der Warngauerin, die für die Freien Wähler im Gemeinderat saß.
Ziel 50:50
„Der Internationale Frauentag ist extrem wichtig“, betont Nicole Weinfurtner, die für die Grünen im Gemeinderat Valley sitzt. „Wenn wir nicht eine 50:50-Konstellation schaffen, ändert sich nichts.“ Ihr Ziel sei es, sowohl Frauen als auch Jugendliche zu pushen, damit die Gesellschaft in der Kommunalpolitik gerecht abgebildet wird. Dazu müsse man dann aber auch Frauen motivieren, sich für eine Wahl zu stellen. Als Signal sieht sie ihren Wunsch, alleinerziehenden Müttern die Kinderbetreuung von der Kommune bezahlen zu lassen.
Der Internationale Frauentag muss bleiben
Fazit: Frauen haben aufgeholt, insbesondere in der Bildung, bei der sozialen Absicherung, sprich Einkommen und Rente aber, sowie bei Macht und Einfluss gibt es einiges aufzuholen. Corona verschärft alle Probleme noch einmal wie in einem Brennglas, wieder einmal bleibt viel an den Frauen hängen. Wir brauchen ihn also noch, den Internationalen Frauentag.