Der Kameraphilosoph Rolf Steinmann
Moschusochsen im Film „In Between“ von Rolf Steinmann. Foto: R. Steinmann
KulturVision porträtiert Menschen im Landkreis
Das 15. Bergfilmfestival läuft noch. Heute Abend findet in Tegernsee die große Preisverleihung statt. Wir möchten mit diesem Beitrag noch einmal Wildlife Kameramann Rolf Steinmann aus Fischbachau vorstellen, dessen Film „In Between“ die Jury im vorigen Jahr überzeugt und uns sehr beeindruckt hat.
Für die 27. Ausgabe unserer KulturBegegnungen, die noch bis Anfang November im Landkreis ausliegt, haben wir den Regisseur besucht und porträtiert:
Wir treffen uns im Gasthaus Kirchstiegl– man kennt den Rolf hier, er mag diese Wirtschaft im Leitzachtal. Seit anderthalb Jahren wohnt Rolf Steinmann jetzt hier. München habe er nicht mehr „gepackt“, zu viele „Filter“ hätten die Menschen da. Interessante Wortwahl, denn Filter braucht er als Kameramann ja dauernd. Rolf Steinmann ist Tier- und Naturfilmer, einer der international gefragtesten. „Die größte Motivation, die größte Liebe, die ich in mir habe, ist die Liebe zur Natur.“
Sehnsucht nach Draußen
Schon als Jugendlicher hat er das gespürt und sich nach dem Abi mit Radl und Rucksack von München auf ans Nordkap gemacht. Rolf begegnet wilden Tieren, aber er will mehr, „weg von der Straße, weg von den Menschen“. Es war wohl auch Eskapismus, denn mit der „Menschenwelt“ hadert er. Und da war diese Sehnsucht nach Draußen.
Der Kameramann Rolf Steinmann beim Dreh. Foto: R. Steinmann
„Ich lade mich auf in der Natur. Ich bin ja da, wo ich ich selbst sein kann“, sagt er. Schon als 16-jähriger will Rolf Teil einer Moschusochsen-Herde werden und durch die Tundra ziehen. Er jobbt und finanziert so seine Reisen nach Skandinavien. Wieder daheim, verschlingt er alle Tierfilme im Fernsehen – und findet so zu seinem Traum, der ihn nicht mehr loslässt: selber filmen.
Auf der Suche nach Wildlife
Über Umwege kommt Rolf Steinmann dorthin, wo er jetzt steht: Er arbeitet für die BBC, für Disney, ist in Arktis, Antarktis, in Grönland, Kanada, im Kongo, in Tibet unterwegs, immer auf der Suche nach Wildlife. „Ob ich friere oder von Mücken aufgefressen werde, ich komme damit zurecht. Ich glaube, das ist sehr wichtig in so einem Beruf. Denn du musst immer mehr geben, als du geben kannst, um weiterzukommen.“
Das heißt, Arbeitstage bis zu 16 Stunden, keine Wochenenden, widrige Bedingungen, der Druck der Produktion – aber auch Warten: auf Bären, Wölfe, Pinguine, Zwergschimpansen. Das kann sehr frustrierend sein – wenn die Kamera im entscheidenden Moment streikt, wenn dieses Warten in Depression umschlägt. Bei den Wölfen gab es eine Lösung: Rolf lernte das Heulen. Die Tiere reagierten, sie kommunizierten miteinander, das Filmen gelang.
„Ich will in die Natur eintauchen, im besten Fall mit ihr eins werden. So werde ich ein Teil dieser Landschaft. Das ist mir bei meinen eigenen Projekten wahnsinnig wichtig. Ich brauche diese Erfahrung, dieses Erlebnis. Ich muss zur Seele des Tieres vordringen, weiter gehen.“ Rolf Steinmann reicht es nicht mehr, für Auftragsproduktionen zu arbeiten, in denen Unterhaltung und Spaß im Vordergrund stehen, er fühlt sich in einem moralischen Engpass. Also setzt er seinen alten Traum um: die Moschusochsen begleiten.
Mehrfach prämierter Film
Mit einem Naturfotografen begibt Rolf Steinmann sich auf ihre Fährte, sechs Wochen filmt er eine Herde von neun Tieren. „In Between“ ist sein erster, selbstfinanzierter Kurzfilm. Der Film ist international erfolgreich, mehrfach ausgezeichnet, unter anderem auch beim Bergfilm-Festival Tegernsee 2016 und den begehrten „Panda Award“ beim „Wildscreen-Festival“ in Bristol.
Für den Film „In Between“ drehte Rolf Steinmann in der Eiseskälte der Arktis. Foto: Matthew Polvorosa Kline
„In Between“ hat kulturübergreifend Menschen berührt. „Genau das will ich: sie berühren und zum Nachdenken anregen.“ Entstanden ist ein Film, der Raum lässt für Imagination und Interpretation, ein poetisches Drama aus der Kälte – nicht nur über die Moschusochsen, wie Rolf Steinmann sagt, sondern auch über die Eiszeit, die bald von unserem Planeten verschwunden sein wird, so der Filmemacher. Noch ist der Moschusochse da, er ist ein Überlebender aus dieser anderen Zeit. Sein Lieblingstier.
Vertrauen macht den Unterschied
Rolf Steinmann hat sich diesen Tieren mit Respekt und Umsicht genähert. Schrittweise, der Faktor Zeit spielte hier keine Rolle, und das spürten die Moschusochsen. Sie fassten Vertrauen, ließen auch Bilder zu, bei denen er ihnen ganz nah war. „Vertrauen ist in der Tierwelt das, was den Unterschied macht.“ Komisch, aber diesen Satz nehme ich Rolf Steinmann zu hundert Prozent ab. Nach dem Interview essen wir gemeinsam mit einem BBC-Producer, der gerade zu Besuch ist. Er erzählt mir, dass er die Aufnahmen des Deutschen immer sofort erkennt. Rolf Steinmann ist nicht nur ein wildlife cameraman. An der Kamera und im Gespräch ist er auch ein Philosoph.