Der Klimawandel in Bildern
In seinem Fotoprojekt zeigt Tobias Hohenacker „Gesichter des Klimawandels im alpinen Raum“. Foto: Tobias Hohenacker
Fotoprojekt über den Klimawandel
Es geht um so viel mehr, als nur „um ein paar Grad wärmer“, sagt Tobias Hohenacker. Der Fotograf zeigt in seinem aktuellen Projekt „Gesichter des Klimawandels im alpinen Raum“ und stellt dabei auf beeindruckende und gleichzeitig schmerzhafte Art und Weise Landschaftsfotografien neben die Portraits und Geschichten von Betroffenen.
„Wir haben uns weit von der Natur entfernt. Und begreifen daher nicht mehr, dass wir ein Teil von ihr sind“, sagt der Dietramszeller. Für den 63-Jährigen ist es ein emotionales Thema. Als begeisterter Alpinist liegt ihm die Bergwelt, deren Flora und Fauna und das Gefühl, welches dieses kostbare Habitat mit sich bringt, sehr am Herzen. Für seine Idee, Landschaftsaufnahmen und Portraits von Menschen mit Interviews zu kombinieren, um den Schaden des Klimawandels sichtbar und durch die Geschichten der Betroffenen spürbar zu machen, erhielt der Lichtbildner eine Förderung des Kultusministeriums, des Kulturwerks Bild-Kunst sowie von Neustart Kultur.
Irreversible Schäden
Es sind Geschichten wie die von Matthias Ederer. Der Schreinermeister arbeitet seit 16 Jahren auf der Kuppel Alm im Karwendelgebirge, welche auf 1620 Höhenmetern liegt und seit dem Jahr 1700 bewirtschaftet wird. Sie stellt einen Teil der Identität dieser Gegend und vor allem auch Existenzgrundlage für viele Generationen von Menschen dar. Doch was Matthias Ederer seit etwa fünf Jahren dort beobachten und erleben muss, sind besorgniserregende Entwicklungen.
Nach starken Regenfällen reißt der ausgetrocknete Almboden auf der Kuppel Alm auf. Foto: Tobias Hohenacker
Vermehrt kommt es nun auch in diesen Höhen zu Hitzeperioden mit bis zu 32 Grad Celsius – im Normalfall sollten sich die Temperaturen in derartigen Höhenlagen im Sommer nur um die 13 Grad Celsius bewegen. Doch der Normalfall herrscht schon lange nicht mehr. Im Winter liegt auf der Kuppel Alm so wenig Schnee, dass der Almerer seit einigen Jahren Wasser vom Tal auf den Berg transportieren muss. Tun sich die Wolken dann einmal auf, kann der ausgetrocknete Almboden die großen Wassermassen nicht mehr aufnehmen und diese reißen nicht nur die wertvollen Weideflächen auf, sondern auch die existenziell wichtige Zubringerstraße regelmäßig mit sich. Genau diese Schäden hat Tobias Hohenacker mit seiner Kamera festgehalten.
Die Folgen des Klimawandels
„Für mich hatte die Bergwelt immer etwas Zeitloses. Dass diese Veränderungen so drastisch sind, schockiert mich“, sagt der Fotograf. Das Klima verändere sich derart schnell, dass die Tektur der Berge ins Wanken gerate. Dabei steht für Hohenacker nicht nur der teilweise irreversible Schaden im Vordergrund, sondern auch der Verlust eines ganzen Systems. „Wir Menschen spiegeln uns in der Natur und da frage ich mich, was macht das mit uns, wenn diese Stück für Stück verschwindet?“, stellt der Dietramszeller in den Raum.
Auch im Alpengarten auf dem Schachen in Garmisch-Partenkirchen ist längst nichts mehr so, wie es einmal war. Foto: Tobias Hohenacker
Welche Wunden dies auch in den Seelen der Betroffenen hinterlässt, bemerkt der Künstler seit dem Beginn seiner Recherchen im vergangenen August immer wieder. Wenn er eine deutlich veränderte Landschaft gefunden hat, ist es manchmal schwer, die Menschen dazu zu bringen, über ihren damit verbundenen persönlichen Verlust zu sprechen. „Da brechen ganze Existenzen, ja Leben, zusammen und diesen Schmerz möchten viele nicht noch einmal hervorholen“, berichtet der 63-Jährige. Vor allem bedeute eine Aussage ja auch, eine klare Stellung in der Klimawandel-Diskussion zu beziehen. „Und das ist für so viele Menschen immer noch ein großes Problem“, stellt Tobias Hohenacker fest.
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Raubbau an der Natur
Dabei ist es nicht das erste Mal, dass der Fotograf auf die Veränderungen in der Natur durch seine Arbeit hinweist. Bereits zu Beginn seiner Tätigkeit 1983 fotografierte er die Granitsteine in Sidobre, Frankreich. Diese besondere Gegend nördlich von Castres mit seinen riesigen Steinfelsen mitten in einem Wald, ist eine geologische Besonderheit. In den 50er Jahren begann dort der sich immer weiter beschleunigende industrielle Abbau des wertvollen Granits.
„Ich arbeitete mit meiner Kamera gegen das Verschwinden dieser Naturwunder. Jedes mal wenn ich in die Gegend zurück kam, waren wieder bedeutende Steine zerstört“, erinnert sich Hohenacker. Unter dem Titel „Der himmlische Regen“, brachte er einen Fotoband heraus, der nicht nur den Zauber der Kulturlandschaft, sondern auch die Zerstörung durch die Granitindustrie sichtbar macht. „Ich musste dieses Buch im Eigenverlag herausgeben, weil sich niemand bei diesem Thema die Finger verbrennen wollte“, sagt der Fotograf.
Der Lichtbildner Tobias Hohenacker dokumentiert die Folgen des Klimawandels im alpinen Raum. Foto: Ulrich Houles, © 2022
Die Verantwortung des Einzelnen
Tobias Hohenacker möchte wach rütteln. „Wir leben in einer Illusion. Schon jetzt sind viele Umweltschäden irreversibel und es passiert immer noch nicht wirklich etwas“, stellt er fest. Die Werte der Menschen hätten sich verschoben in Richtung Materialismus. „Uns ist kaum noch etwas heilig, nicht einmal die Natur“, klagt der 63-Jährige an. Er sieht jeden Einzelnen in der Verantwortung, sein Handeln zu überdenken und auch im Kleinen einen Wandel zu erreichen. „Ich sträube mich gegen den Gedanken, dass ich als Einzelperson angeblich nichts an der Situation ändern kann“, betont der Dietramszeller.
Mit seinem eigenen Handeln wie auch seinem Fotoprojekt „Gesichter des Klimawandels im alpinen Raum“, mache er das, was er kann. Nämlich beeindruckende Bilder mit einer Botschaft verbinden, um so die Menschen emotional zu erreichen. „Ich möchte ein Hinschauen bewirken, ein Nachdenken über das, was jeder konkret unternehmen kann, um die sich abzeichnenden, dramatischen Folgen unseres Raubbaus an der Natur abzumildern“, sagt der Fotograf.