Der Tegernseer Liebesgruß
Dr. Gerd Holzheimer. Foto: Carmen Kubitz
Matinee in Tegernsee
Einen wissenschaftlich fundierten und gleichzeitig unterhaltsamen Beitrag zum Bairischen als Literatursprache wird am Sonntag, 9. Februar, der Schriftsteller Dr. Gerd Holzheimer zur Matinee im Olaf Gulbransson Museum halten. Dabei spricht er auch kontrovers diskutierte Themen an.
„Ich liebe den Ort“, macht der bekannte Autor und Lehrbeauftragte in unserem Gespräch deutlich. Er komme gern ins Gulbransson-Museum, fürchte aber in einige fettnäpfchen zu treten. Olaf Gulbransson ist derzeit bei ihm hoch im Kurs, denn er schreibt ein Buch über ihn, das noch in diesem Jahr erscheinen wird.
Jetzt aber wird er in einem Vortrag weniger den Künstler Gulbransson, sondern die Literatur am Tegernsee beleuchten. „Tegernsee hat eine herausragende Stellung in der Literaturgeschichte“, stellt der Sprachwissenschaftler fest.
Das fängt früh an. Denn schon zwischen 1160 und 1186 schrieb ein anonymer Verfasser im Kloster Tegernsee den berühmten „Tegernseer Liebesgruß“.
Der Tegernseer Liebesgruß. Foto: www.literaturportal-bayern.de
Inmitten einer Art Chronik, die in lateinischer Sprache verfasst ist, taucht unmittelbar und ohne Absatz in mittelhochdeutscher Sprache das wohl jedem bekannte Gedicht: „Dû bist mîn, ich bin dîn/des solt dû gewis sîn…
„Das hat der Mönch eingeschmuggelt“, meint Gerd Holzheimer. Ob er verliebt war und ihn das Gefühl übermannte, wer weiß. Der Titel des Gedichts allerdings wurde erst später hinzugefügt. Fast jeder kennt es und kaum jemand weiß, dass dieses wohl schönste Liebesgedicht in deutscher Sprache im Tegernseer Kloster entstand.
Aber der Ruf des Klosters lockte auch Walther von der Vogelweide an. „Das heißt schon was“, meint Gerd Holzheimer, immerhin war der Lyriker schon damals sehr bekannt. Von seinem Besuch zeugt das Porträt im Eingangsbereich des Gymnasium Tegernsee.
Walther von der Vogelweide im Gymnasium Tegernsee. Foto: www.gymnasium-tegernsee.de
Dann aber machte die Literatur am Tegernsee eine sehr lange Pause von mehreren Jahrhunderten und erst bei Franz von Kobell kommt das Bairisch als geschriebene Sprache wieder zum Tragen, und das wiederum am Tegernsee. „Das Süddeutsche oder Bairische war die deutsche Literatursprache“, betont Gerd Holzheimer, „und bairisch ist heute UNESCO-Weltsprache.“
Zwar habe mit der Lutherbibel das Norddeutsche als Hochsprache Einzug gehalten, aber das Bairische stehe gleichberechtigt daneben. Die Verwandtschaft des Mittelhochdeutschen mit dem Bairischen sei unübersehbar.
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Neben Kobells „Brandner Kaspar“ gehöre Ludwig Thomas „Heilige Nacht“ zum Besten der bairischen Literatur, ist Gerd Holzheimer überzeugt. Das Bairisch von Ludwig Ganghofer indes findet der Sprachwissenschaftler „eine Katastrophe“. Als gebürtiger Schwabe, der lange in Wien gelebt habe, sei dessen Sprache ein Mischdialekt.
Toni Wackersberger liest die „Heilige Nacht“. Foto: Ines Wagner
In seinem Vortrag wird Gerd Holzheimer auch die alte Frage aufwerfen, inwiefern man politische Einstellung und Kunst trennen könne. „Das ist ein Fettnäpfchen“, fürchtet er. Ludwig Thoma werde einerseits verdammt und andererseits verherrlicht und er werde versuchen, einen Mittelweg zu finden.
In einen zweiten Fettnapf werde er wohl treten, wenn er den Freund Olaf Gulbranssons Max Dingler in seinem Vortrag erwähne. „Der gilt als ausgemachter Nazi und machte seine Karriere über die Partei.“ Er habe aber Gedichte von ihm gefunden, die keinerlei Blut und Boden Propaganda enthalten. Zudem habe Kurt Huber, der bekannte Professor der Weißen Rose das Vorwort zu dem Gedichtband geschrieben.
„Ich möchte die Leute aus den Schubladen herausholen, was nicht bedeutet, dass ich beschönige“, sagt der Literaturwissenschaftler und Herausgeber des Literaturportals Bayern. Aber mit den Fingern auf jemanden zeigen, liege ihm auch fern.
So wird der Vortrag im Gulbransson-Museum mehrere Schwerpunkte haben. Vom Tegernseer Liebesgruß aus dem Mittelhochdeutschen über die bairische Literatur, die am Tegernsee entstand, bis hin zu gesellschaftlich aktueller Fragestellung wird Gerd Holzheimer seinen Vortrag spannen.
Im Übrigen ist der Wissenschaftler auch an der Vorbereitung des Kolloquiums zu Ehren Ludwig Ganghofers am 24. Juli aus Anlass von dessen 100. Todestag beteiligt.