Eine denkwürdige Nacht in Vaduz
Buchrezension „Der traurige Prinz“. Foto: pixabay
Neuerscheinung auf dem Buchmarkt
Für Cineasten ist er einer der ganz Großen. Einer, den man nicht vergisst, wenn man ihn einmal gesehen hat: Oskar Werner. Jetzt hat der Schauspieler Michael Degen ein Buch über eine nächtliche Begegnung mit seinem Kollegen geschrieben.
Meine erste Begegnung mit Oskar Werner liegt fast 50 Jahre zurück, aber sie ist unvergesslich. Ich sah den Film „Das Narrenschiff“ von Stanley Kramer. Neben so berühmten Schauspielern wie Simone Signoret, Vivian Leigh oder Horst Rühmann sah ich zum ersten Mal Oskar Werner und war fasziniert von seiner Stimme und seiner Ausstrahlung. Wenig später sah ich „Jules und Jim“ den Kultfilm von François Truffaut, und war wiederum begeistert.
Viele Jahre später fiel mir der Film „Fahrenheit 451“ in die Hände, in dem Oskar Werner den Feuerwehrmann Montag spielt, der Bücherverbrennungen zu veranlassen hat. Ein verstörender Film, der durch seinen Protagonisten eine zusätzliche Beklemmung erhält.
Einladung nach Hause
Und jetzt also das Buch „Der traurige Prinz“ von Michael Degen. Der Schauspieler erzählt, wie er 1983 in Vaduz unter der Regie von Ingmar Bergman den Jean in „Fräulein Julie“ von August Strindberg spielt und in seiner Garderobe einen Zettel mit der Aufforderung findet, nach dem Theater in die Kassenhalle zu kommen. Ohne Unterschrift.
Neugierig geht er hin und da steht er, den er als sein Vorbild bezeichnen würde, wäre er unbescheidener, so schreibt er. Der große, der weltberühmte Oskar Werner. Ein Jahr vor seinem Tod lädt er den zehn Jahre jüngeren Kollegen zu sich nach Hause ein. Es wird eine denkwürdige Nacht, denn Oskar Werner erzählt sein Leben.
Anerkennung und Selbstzweifel
Diese schicksalhafte Begegnung hat wirklich stattgefunden und Degen versucht aus der Erinnerung aufzuschreiben, an was er sich erinnert. Er ergänzt mit Fakten und mit eigenem Erleben und so ist ein spannendes Buch über einen Mann entstanden, der bei allem Ruhm, bei aller Anerkennung doch ein trauriger, von Selbstzweifeln geplagter Mensch war und seine Depressionen im Alkohol ertränkte. So auch in dieser Nacht. Als Leser kommt man nicht hinterher mit dem Zählen wie viele Gläser Fernet-Branca der Hausherr in dieser Nacht trinkt, sein Gast bekommt sein Glas Grünen Veltliner auch gegen seinen Willen immer wieder gefüllt.
„Und sprechen Sie mich nicht mit meinem Künstlernamen an, ich heiße Bschließmaier, Oskar Josef Bschließmayer.“ Das ist die erste Forderung, die der Gastgeber stellt und er wird im Verlauf der Nacht noch weitere stellen, wird die Wünsche seines Gastes negieren und in egomanischer Art auf seiner Vorstellung bestehen.
Werners Zwillingsbruder
Er erzählt Michael Degen von seiner Kindheit in Wien in größter Armut und wie er bereits mit 16 Jahren erste Rollen erhielt. Schon mit 19 wird er 1941 an das Burgtheater engagiert, muss aber immer wieder an die Front und desertiert letztlich. Mit seiner halbjüdischen Frau und dem gemeinsamen Baby fliehen sie und verbringen schreckliche Tage verschüttet in einem Keller. Und hier vermischen sich die Erlebnisse, denn auch Degen hat schreckliche Erinnerungen an die Zeit des Krieges.
Was die beiden Mimen ebenso verbindet ist der Beruf. Und so kommen sie immer wieder auf Rollen und Kollegen zu sprechen. Insbesondere sind es „Hamlet“, Werners sogenannter Zwillingsbruder, „Karlos“ und der „Prinz von Homburg“. Gerade letzterem trauert Werner besonders hinterher. Wer tiefe Einblicke in das Leben des großen Schauspielers gewinnen will, dem sei dieses Buch empfohlen. Es ist darüber hinaus ein Stück Zeitgeschichte des Theaters und des Films.