„Dialog der Generationen“ eröffnet „anders wachsen“
Anja Gild mit dem Lebensbericht ihres Großvaters. Foto: Petra Kurbjuhn
Podiumsdiskussion in Holzkirchen
Welche Kluft gibt es zwischen den Generationen? Was verbindet sie? Was kann man voneinander lernen? Und welche Vorurteile bestehen? Diese und weitere Fragen beantwortete die gelungene Podiumsdiskussion im FoolsTheater, begleitet ganz fantastisch von Watching the Cat.
„Das war eine wirklich ganz berührende und bereichernde Veranstaltung“, schrieb mir ein Zuhörer gestern Mittag. Und starker anhaltender Beifall belohnte die sieben mit Abstand auf der Bühne sitzenden Protagonisten. Christian Zimmermann und Andi Bichler von Watching the Cat hatten zum Schluss Cat Stevens „Father and Son“ gespielt. Besser konnte kein Lied die Stimmung des Vormittags zusammenfassen, dessen Botschaft lautete: Zuhören, Aufeinander zugehen, voneinander lernen, Vorurteile abbauen.
Christian Zimmermann und Andi Bichler von Watching the cat. Foto: Petra Kurbjuhn
Anja Gild aus Valley hatte wirkungsvolle Fragen vorbereitet, die die Podiumsgäste motivierten, eine Menge preiszugeben. Sie selbst als Mutter zweier Heranwachsender und Partnerin eines 84-Jährigen war die ideale Moderatorin, zumal sie junge Journalisten ausbildet und genau zwischen den Generationen steht. Als zukunftsweisendes Projekt bezeichnete sie die Veranstaltung, von der sie Ideen erwarte, wie der Dialog der Generationen funktionieren könne.
Das Podium. Foto: Petra Kurbjuhn
Ihre vier Gesprächspartner waren klug, eloquent und offen. Die ältere Generation vertrat Künstlerin Nele von Mengershausen (75) aus Bayrischzell, sehr lebendig und kreativ, die einen offenen Geist als Voraussetzung für einen Dialog forderte. Sie erzählte, dass sie es als große Ehre empfunden habe, als eine Großnichte sie um Rat bei ihrer Einreichungsmappe für die Kunstakademie bat. Ihr zur Seite saß Marc Tügel (72), Journalist aus Valley, der bei der jungen Generation zwischen denen unterscheidet, die sich für den Job aufarbeiten und denjenigen, die die Work-Life-Balance bevorzugen, wobei er eine Kombination aus beiden empfahl.
Nele von Mengershausen und Marc Tügel. Foto: Petra Kurbjuhn
Elisa Pfleger (18) aus Miesbach gewann den diesjährigen Science Slam und studiert jetzt Internationale Beziehungen in Dresden. Der Beruf dürfe nicht kaputt, sondern er müsse Freude machen, sagte sie und dann dürfe er durchaus auch fordern.
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Sie erzählte voller Dankbarkeit, dass sie von ihren Großeltern eine Menge an positiver Lebenseinstellung gelernt habe. Auch Hanno Reents (17) berichtete liebevoll vom Großvater, der viele Geschichten aus seinem Leben erzählt habe. Der Gymnasiast, der sich in der Jugendarbeit der evangelischen Kirche einbringt, erlebt von der älteren Generation viel Wertschätzung für sein Engagement und erzählte von vielen positiven Begegnungen.
Elisa Pfleger, Hanno Reents und Anja Gild (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn
Wie wichtig es sei, die Erinnerungskultur zu pflegen und ältere Menschen dazu zu bewegen, ihre Geschichten zu erzählen, zeigte Anja Gild am Beispiel von Henning Mankells Buch „Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt“, in dem er die Geschichten Aidskranker Ugander für die Nachkommen niederschrieb. Auch sie selbst hat ein solches Erinnerungsbuch ihres Großvaters. Immer wieder komme es darauf an, den anderen zu fragen, sich für sein Leben zu interessieren.
Kluft zwischen oder Dialog der Generationen?
Im zweiten Teil ging es um die Kluft zwischen den Generationen. Diese Kluft bemerkte Nele von Mengershausen beim Bob Dylan Lied von Watching the Cat keineswegs, sondern wippte freudig mit. „Wie Woodstock“, sagte sie und meinte, dass sie als 68erin in ihrer Jugend viel größere Konflikte mit den Älteren gehabt habe. Der Grund: Politische Brüche und unterschiedliche Lebenseinstellungen sowie Feindbilder. Auch heute gebe es unüberbrückbare Klüfte, versicherte Marc Tügel, insbesondere, was die technische Entwicklung in Richtung social media anbelange. Da wolle er sich nicht mehr damit befassen, er bevorzuge das persönliche Gespräch, während Nele von Mengershausen, geschubst von der jüngeren Generation, bei Instagram ihre neuen Arbeiten postet.
Nele von Mengershausen. Foto: Petra Kurbjuhn
Ob diese Kluft zwischen Alt und Jung vielleicht sogar hilfreich sei, fragte Anja Gild. Beide Jugendliche stimmten zu. Man müsse sich ausprobieren und seine Identität finden, meinte Elisa und Hanno ergänzte: „Die Kluft braucht es.“ In seiner Gruppe tausche man sich auf einem anderen Level aus, als wenn er mit Älteren spreche. Es sei aber sehr spannend, wenn sich diese beispielsweise intensiv dafür interessieren, wie sie mit dem 3D-Drucker das neue geplante Gemeindehaus in Miesbach gefertigt haben. Dennoch, „die neuen Medien sind ein generationentrennendes Thema“, sagte er.
Hanno Reents. Foto: Petra Kurbjuhn
„Jung und Alt driften auseinander“, zitierte Anja Gild eine aktuelle Studie, und die Familie sei das zentrale Bindeglied. Hier könne man voneinander lernen, wobei sich herausstellte, dass gerade beim Umgang mit den neuen Medien Unterschiede herrschen. Während Elisa erzählte, dass sie sich gern neben der wöchentlichen Lektüre der ZEIT bei Instagram informiere, meinte Hanno, dass er etwa wie die Oma social media nutze, seine Eltern aber intensiv bei Facebook dabei wären.
Elisa Pfleger. Foto: Petra Kurbjuhn
Ob die Coronakrise die Kluft verstärkt habe, wollte Anja Gild wissen. Dem stimmten alle vier Gäste zu. Die Jungen haben Zukunftsangst, sind mehr betroffen und werden zudem als Virenverbreiter geächtet, wenn sie Party machen wollen. Andererseits aber, so informierte die Moderatorin, seien die Jungen auch bereit, in der Krise einen Teil ihres Einkommens abzugeben.
Moderatorin Anja Gild. Foto: Petra Kurbjuhn
Wenn Corona die Kluft verstärke, dann vereine die Klimakrise Jung und Alt, war das Ergebnis der letzten Frage. Zwar habe die junge Generation zuerst mit den Fingern auf die Älteren gezeigt, was sie schade fände, meinte Elisa. „Alle müssen ins Boot geholt werden.“ Nele von Mengershausen reagierte begeistert: „Du bist ein Hoffnungsträger, wie gut, dass du in die Politik gehen willst.“ Man müsse sich gegenseitig mitreißen meinte Marc Tügel. Hanno Reents beschloss die lebhafte Diskussion: „Die Klimakrise ist ein verbindendes Element zischen Jung und Alt.“ Und danach Cat Stevens, gespielt und gesungen von Andi Bichler und Christian Zimmermann. Welch ein bereichernder Vormittag.
Christian Zimmermann und Andi Bichler. Foto: Petra Kurbjuhn